Die Geschworenen – zehn Männer und eine Frau – schienen recht entspannt, als sie am Freitag, leger gekleidet in Pullis und T-Shirts, in London bei Gericht erschienen. Leicht ist ihnen ihre Entscheidung im Fall Becker jedoch wohl nicht gefallen. Denn die Sachlage war kompliziert, keineswegs eindeutig. Die Anklage hatte gegen den früheren Tennis-Star keinen unwiderlegbaren Beweis vorgebracht. Es gab keine sprichwörtliche „smoking gun“, keinen „rauchenden Colt“. Auch deshalb forderte Richterin Deborah Taylor die Jury im Vorfeld dazu auf, genau abzuwägen. Und das tat sie.
In ihrem Urteil sprachen die Geschworenen Boris Becker nun in vier Punkten schuldig. Er nahm den Schuldspruch regungslos entgegen. Doch als er den Southwark Crown Court verließ, konnte er seine Enttäuschung nicht verbergen. Schon bald könnte es noch dicker für ihn kommen: Das Urteil der Richterin, in dem das Strafmaß festgelegt wird, soll am 29. April verlesen werden. Becker droht eine Haftstrafe.
Boris Becker wies alle Vorwürfe zurück – die Jury überzeugte er nicht
Der 54-jährige einstige Spitzensportler stand seit dem 21. März vor Gericht – dem Southwark Crown Court, einer Institution, an der vornehmlich Betrugsfälle verhandelt werden. Becker wurde vorgeworfen, während eines Insolvenzverfahrens gegen ihn, das im Juni 2017 seinen Anfang nahm, Vermögenswerte nicht ordnungsgemäß angegeben zu haben. In 24 Anklagepunkten soll er unter anderem mehrere Pokale zurückgehalten haben. Zudem soll er Immobilien, Aktien und Bankguthaben verschwiegen und große Summen auf Konten seiner Ex-Frauen Barbara und Lilly Becker überwiesen haben. Er wies diese Vorwürfe alle zurück.
Überzeugt hat das die Jury nicht. Sie sprach Becker in vier Punkten schuldig. Er habe in dem Zeitraum nach seiner Bankrotterklärung im Juni 2017 über 400.000 Euro in mehreren Überweisungen getätigt – für berufliche und private Zwecke, befand sie. Und diese Beträge sollen auch an seine früheren Partnerinnen gegangen sein. Außerdem soll er der Insolvenzbehörde eine Immobilie mit der Adresse „Im Schilling“ in seiner Heimatstadt Leimen verschwiegen haben.
Becker sagte im Verlauf der Verhandlung, dass er seinem Anwalt und Berater Paul Appleton von der Immobilie erzählt haben will und es deshalb dessen Schuld sei, dass die Immobilie nicht im sogenannten PIQB-Formular, einem Dokument zur Vermögensermittlung, auftauche. Auch das nahm ihm die Jury nicht ab. Darüber hinaus soll Becker ein Darlehen in Höhe von 825.000 Euro der Bank Alpinum in Liechtenstein auf das Haus „Im Schilling“ in Leimen sowie Aktien der Firma Breaking Data Corp verschwiegen haben.
Für Boris Becker geht mit dem Urteil die Zeit der Ungewissheit weiter. Zwölf Tage lang kam er in London zum Gericht. Wartete mit seiner Partnerin Lilian de Carvalho Monteiro gegen neun Uhr morgens in der Schlange. Ging durch dieselbe Sicherheitskontrolle wie Anwälte und Journalisten. In den letzten Tagen begleitete ihn auch sein Sohn Noah, um ihm beizustehen.
Boris Becker musste sich unangenehme Fragen gefallen lassen
Dabei wirkte Becker zunehmend erschöpft nach den langen Tagen in dem fensterlosen „Court 3“, im Gerichtssaal 3. Dort saß er dann zwischen den Vernehmungen in einem gläsernen Raum im Raum. Während der Vernehmungen musste sich Boris Becker unangenehme Fragen gefallen lassen: zu seinem Umgang mit Geld, mit Immobilien und zu seinem Privatleben.
Seine Argumentationslinie: Er habe nicht gewusst, welche Regeln in einem Insolvenzverfahren gelten und sei immer um Transparenz bemüht gewesen, seine Berater und Beraterinnen hätten die Informationen jedoch nicht weitergegeben. Seine Pokale: verschollen. Seine Wohnungen: verkauft oder so gut wie verkauft.
Boris Becker, so sagte sein Rechtsbeistand Jonathan Laidlaw in seinem abschließenden Plädoyer, sei ein Mann, der schlicht den Überblick verloren habe, in Gelddingen hilflos sei und nun in der Folge des Insolvenzverfahrens eigentlich nichts mehr besitze. Diese Argumentation überzeugte die Geschworenen nicht.
Richterin Deborah Taylor gilt als knallhart
Wie hoch das Strafmaß ausfallen wird, ist noch offen und liegt im Ermessen der Richterin. Dass Deborah Taylor Boris Becker mit Samthandschuhen anfasst, scheint jedoch eher unwahrscheinlich – sie gilt als knallhart. Schließlich war sie es, die Wikileaks-Gründer Julian Assange einst zu 50 Wochen Haft verurteilte.
Staatsanwältin Rebecca Chalkley sagte am Freitag auf Nachfrage, dass sie mit dem bisherigen Ausgang des Prozesses zufrieden sei. Becker, der tief gefallene deutsche Nationalheld, Weltranglisten-Erste und Wimbledon-Sieger wollte kein Statement abgeben und fuhr nach der Verhandlung in einem Taxi davon.