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Italien: Unbekannter zerstört Blitzer: Italien jagt Fleximan

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Unbekannter zerstört Blitzer: Italien jagt Fleximan

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    Sieht auch ein bisschen aus wie ein unbekanntes Männchen, ist aber ein Blitzgerät.
    Sieht auch ein bisschen aus wie ein unbekanntes Männchen, ist aber ein Blitzgerät. Foto: Ralf Lienert

    "Fleximan" hat wieder zugeschlagen. Es war in der Nacht von Montag auf Dienstag, als Unbekannte die bislang letzte Radarfalle in Norditalien absägten, per Schleifmaschine. Erstmals fand sich am Tatort auch ein Bekennerschreiben. In handgeschriebenen, roten Lettern lasen die Ermittlerinnen und Ermittler folgende Worte: "

    Weil der Unmut im Norden gegen die Blitzer immer größer wird, haben die Täter in den sozialen Netzwerken längst eine Fangemeinde. Von ihr stammt auch der Name, Fleximan. In Italien werden Schleifmaschinen "Flex" genannt. Die User schwärmen von einer Art modernem Robin Hood, von einem Superhelden, der nachts mit der Flex die von Radarfallen unterdrückte Autofahrergemeinde in Norditalien rächt. Nur, wer ist Fleximan?

    Blitzer in Italien: Fleximan legt sie um

    In Padua hat ein Künstler bereits ein Flexiwoman-Wandbild geschaffen, es könnte sich schließlich auch um eine selbsternannte Justitia handeln. Auf dem Wandbild trägt die von Uma Thurman in "Kill Bill" verkörperte Rächerin im gelben Anzug rechts ihr Schwert – und links eine abgesägte Radarfalle. Fleximan (oder Flexiwoman) sind das Thema in Norditalien. Der Fall gewinnt seine Brisanz auch aus der Frage, wer hier eigentlich gegen Recht, Gesetz oder Gerechtigkeit verstößt – Fleximan oder der Staat?

    Jetzt kam erstmals etwas Licht ins Dunkel. Im Piemont wurde Mitte der Woche ein 50-jähriger Mann gefasst, der für das Absägen eines Blitzers im Dezember bei Asti verantwortlich sein soll. Ob damit aber auch die Täter aus der Lombardei und vor allem dem Veneto überführt sind, ist zu bezweifeln. Im Mai 2023 war der erste Pfahl bei Rovigo gefallen, im August sprengten Unbekannte eine Radarfalle bei Padua mit Schießpulver in die Luft, es folgten zahlreiche weitere Attentate in den Provinzen

    In Deutschland gibt es weit weniger Blitzer als in Italien.
    In Deutschland gibt es weit weniger Blitzer als in Italien. Foto: Ralf Lienert

    Wer nun denkt, die Zivilgesellschaft stelle sich hinter die Staatsmacht, die das Aufstellen von Radarfallen zur Förderung der Sicherheit auf den Straßen für angebracht hält, der täuscht sich. Allein im Jahr 2022 hatte das Veneto 321 Verkehrstote zu beklagen. Doch sogar der Staat äußert jetzt Zweifel an sich selbst: "Die Leute sind es leid, belästigt zu werden", sagte Bürgermeisterin Antonella Argenti aus Villa del Conte, wo das Fleximan-Bekennerschreiben gefunden wurde. Die Radarfallen seien "repressive Instrumente".

    Blitzer in Italien bald auch auf Venedigs Wasserstraßen?

    Die Lokalpolitikerin ist nicht die Einzige, die findet, man müsse der vox populi mehr Gehör schenken. Stefano Macron, Präsident der Provinz Treviso, behauptete: "Die Radarfallen funktionieren nicht, sie führen nicht zur Verringerung der Unfälle." Tatsächlich stehen in Italien besonders viele Radarfallen, insgesamt sollen es im ganzen Land 11.130 sein, drei Viertel davon in Norditalien. In Deutschland zählt man beispielsweise nur 4700 feste Blitzer. Natürlich hält sich hartnäckig das Gerücht, die Gemeinden füllten mit den Strafzetteln ihre Kassen. Gerechnet wird so: Wenn allein eine einzige Radarfalle im Veneto rund 40 Mal täglich knipst und pro Übertretung durchschnittlich 110 Euro Strafe fällig werden, können bis zu 130.000 Euro in die Gemeindekasse gespült werden – im Monat. 

    Nun aber muss die Frage geklärt werden, wer Fleximan ist. Ein verzweifelter Einzelkämpfer? Ein wildes Frauenkollektiv? Die Bürgermeister selbst? Die Verkehrspsychologin Annamaria Giannini von der römischen Sapienza-Universität hat schon mal ein Psychogramm von Fleximan gezeichnet. Der oder die Täter hätten vermutlich bereits zahlreiche Strafzettel bekommen und beschlossen, das Objekt, das die angebliche Ungerechtigkeit verursacht hat, physisch zu zerstören. "Es handelt sich um Personen mit ausgeprägten egozentrischen Tendenzen, mit einer subjektiven und einseitigen Sicht des Lebens, die sich zusätzlich dadurch legitimiert fühlen, dass sie im Internet als Helden bezeichnet werden." 

    Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Nur kommt gerade aus Rom die Nachricht, dass das Parlament sich anschickt, Radarkontrollen auch auf Venedigs Wasserstraßen einzuführen. Geblitzt werden soll fortan auch in der Lagune. Was das für Fleximan und seinen Aktionsplan im Veneto heißt? Weiß man nicht. Er, sie, es könnte schließlich wasserscheu sein.

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