Ganz im Süden des Königreichs Bhutan, direkt an der Grenze zu Indien, liegt Gelephu. Mit rund 10.000 Einwohnern ist die Stadt die viertgrößte des Landes und eigentlich nicht weiter auffällig – wären da nicht ganz besondere Pläne der Regierung. Die will das Städtchen im Himalaya zu einer Millionenmetropole entwickeln. Damit verfolgt das Land zwei Ziele: die Massenarbeitslosigkeit senken und das „Bruttonationalglück“ steigern.
Hohe Arbeitslosigkeit führt zu Abwanderung junger Menschen
Mit einer Fläche von knapp 38.000 Quadratkilometern ist Bhutan nur etwa halb so groß wie Bayern, mit 800.000 Einwohnern zudem deutlich dünner besiedelt. Es gibt dort wenige Jobs, die Arbeitslosigkeit stieg zwischen 2004 und 2019 laut Berichten von Amnesty International von 5,5 auf 15,7 Prozent.
Vor allem junge Menschen entscheiden sich häufig für einen Umzug ins Ausland, etwa in die benachbarten Weltmächte Indien und China. „Wenn wir nicht die richtige Lösung finden, könnte unsere Bevölkerung schrumpfen, bis wir mehr Geschäfte als Kunden, mehr Restaurants als Gäste, mehr Häuser als Mieter haben“, erklärte König Jigme Khesar Namgyel Wangchuck. „Ich möchte wissen, ob Sie schon von der Entwicklung einer neuen Stadt in Gelephu gehört haben?“, fragte er in seiner Rede zum Nationalfeiertag im vergangenen Dezember die 30.000 Anwesenden. Tatsächlich dürften die meisten von ihnen schon einmal davon gehört haben, denn die Pläne für die Stadt gibt es seit längerem – und sie haben es in sich.
Gelephu als Bhutans „Tor zur Welt“
Mit Gelephu will das kleine Land laut seinem König „ein Tor zur Welt“ und zu den internationalen Märkten aufstoßen. Dafür soll auf 2.500 Quadratkilometern eine Wirtschaftszone mit eigenen Gesetzen, einem autonomen Justizsystem und großen Unternehmen aus verschiedenen Branchen entstehen. Mit einem internationalen Flughafen sowie Straßen und direkten Zugverbindungen nach Indien soll die Stadt zu einem wichtigen Knotenpunkt zwischen Süd- und Südostasien werden.
Mit diesem neuen Wirtschaftszentrum will das Königreich die Abwanderung junger Menschen stoppen und gleichzeitig abgewanderte Bhutaner und Bhutanerinnen zu einer Rückkehr bewegen. „Auch wenn Ihr aktuell weit weg von zu Hause seid, weiß ich, dass Eure Herzen mit uns in Bhutan sind. Das Gelephu-Projekt soll Eure Rückkehr ermöglichen“, sagte König Jigme. Für seine Pläne wird er zudem zwingend Ausländer brauchen: Knapp eine Million Menschen sollen einmal in Gelephu leben, also etwa 200.000 mehr, als aktuell im ganzen Land.
Neues Zentrum für Wirtschaft und Buddhismus
Die Pläne für Gelephu erinnern an die für Metropolen, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien mitten in der Wüste aus dem Boden gestampft werden. Doch Bhutan gehe es nicht nur um die Wirtschaft und das Geld, heißt es. Gelepuh trägt schließlich nicht von ungefähr den Beinamen „Mindfulness City“: „Stadt der Achtsamkeit“.
Für möglichst viel Achtsamkeit hat Bhutan ein dänisches Architekturbüro engagiert. Das Team soll eine Stadt entwickeln, die voll und ganz im Einklang mit der in weiten Teilen noch unberührten Natur und der Tierwelt im Himalaya steht. „Bhutan ist bereit, der Welt zu zeigen, wie ein nachhaltiges menschliches Leben auf der Erde möglich ist“, formuliert Architekt Bjarke Ingels in einem Ankündigungsvideo das große Ziel. Unter anderem soll die Stadt vollständig auf erneuerbare Energien setzen.
Gelephu dient dem Bruttonationalglück
Darüber hinaus sind in Gelephu eine Reihe von Gemeinschaftsräumen geplant, in denen sich Menschen austauschen oder gemeinsam meditieren können. So solle sich die Stadt in ein Zentrum für nachhaltiges, spirituelles Leben und für Buddhismus entwickeln. All diese Maßnahmen stehen in Einklang mit Bhutans oberstem Nationalziel: dem Bruttonationalglück. Anstatt immer mehr Wirtschaftsleistung zu erbringen, hat es sich das Königreich ja zur Aufgabe gemacht, das Glück in der Bevölkerung zu steigern. Regelmäßig wird dieses Bruttonationalglück über einen Fragebogen ermittelt.
Um Gelephu Wirklichkeit werden zu lassen, will Bhutan Geld von ausländischen Investoren einsammeln. Dazu hat die Regierung ein eigenes Programm für Fördergelder auf den Weg gebracht. Es richtet sich gezielt auch an Bhutanerinnen und Bhutaner, die im Ausland leben. Wie ernst es dem Land ist, zeigt diese Ankündigung: Die Eröffnung des internationalen Flughafens Gelephu ist bereits in weniger als zwei Jahren vorgesehen.
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