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Berlin: Wie leerstehende Kirchen umgenutzt werden

Kirchliche Immobilien

Mitmachmuseum, Büchertauschbörse, Kletterturm: Wie Kirchen umgenutzt werden

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    Die Halle der ehemaligen St.-Agnes-Kirche gilt als Herz der Galerie, in der verschiedene Ausstellungen, Fashion-Shows oder Podiumsdiskussionen stattfinden.
    Die Halle der ehemaligen St.-Agnes-Kirche gilt als Herz der Galerie, in der verschiedene Ausstellungen, Fashion-Shows oder Podiumsdiskussionen stattfinden. Foto: Anna Mohl

    Die ehemalige St.-Agnes-Kirche in Berlin-Kreuzberg wirkt von außen eher unscheinbar: grauer Beton, brutalistische Bauweise. Innen die Überraschung: eine Zwischendecke ist eingezogen worden, der Altarraum hat sich in ein Großraumbüro verwandelt. Kleine offene Ausstellungsräume zeigen Kunst. Das Herz bildet eine Halle, die als Ausstellungsraum, für Fashion-Shows oder Podiumsdiskussionen dient. Seit 2016 nutzt der bekannte Galerist Johann König die Kirche als Galerie. Unkompliziert war das nicht, aber das Projekt habe ihn gereizt, sagt König. „Es ist eine gewisse Aura, die solche Räume innehaben.“ Er würde gerne weitere sakrale Räumlichkeiten umwandeln.

    Dass die Kirchen Gebäude loswerden müssen, ist spätestens nach Bekanntgabe der neuen Austrittszahlen 2023 klar. Etwa 380.000 Menschen kehrten der evangelischen, mehr als 400.000 der katholischen Kirche den Rücken. Damit ist der Schwund zwar etwas zurückgegangen – im Jahr zuvor waren es noch gut 100.000 Austritte mehr –, dennoch ist die Richtung klar. Hinzu kommt die sinkende Zahl an Taufen, das steigende Alter der Gläubigen und immer weniger Besucher bei Gottesdiensten. Dem gegenüber steht die Zahl der kirchlichen Immobilien: Etwa 24.000 Kirchengebäude unterhält die katholische Kirche bundesweit und sie besitzt rund 60.000 denkmalgeschützte Immobilien in Deutschland. Die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) kommt nach eigenen Angaben auf etwa 23.000 Kirchen und andere Gottesdienststätten in Deutschland, besitzt bundesweit mehr als 74.000 Gebäude.

    Wenn auf eine Kirche nur zehn aktive Gläubige kommen, kann sich das nicht rentieren

    Vor allem im ländlichen Raum zeigt sich das Dilemma teils deutlich. Frank Röger vom kirchlichen Bauamt schildert die Herausforderungen. Er ist als Referatsleiter für die evangelische Kirche Berlin, Brandenburg und schlesische Oberlausitz tätig. In der Prignitz, einem Landstrich im Nordwesten Brandenburgs, betreut ein Pfarrer teilweise bis zu zwölf Kirchengemeinden mit bis zu 15 Gebäuden. Auf eine Kirche kommen dort im Durchschnitt 100 Mitglieder, in der Gemeinde aktiv sind davon vielleicht zehn – zu wenig, um langfristig eine Kirche zu erhalten. „Das wird so nicht funktionieren“, sagt Röger. Stefan Förner, Pressesprecher des katholischen Bistums Berlin, berichtet von Räumen, die teilweise nur einmal die Woche genutzt würden. „Das ist in vielfacher Hinsicht unverantwortlich“, sagt er. Instandhaltung und Energie verschlingen zu viel Geld.

    In den vergangenen 120 Jahren wurden etwa 650 katholische Kirchen stillgelegt. Ein Teil wurde verkauft, ein Teil abgerissen. Die evangelische Kirche hat mehr als 350 Gebäude umgenutzt oder vermietet, knapp 450 wurden seit 1990 verkauft oder abgerissen. Für beide Institutionen steht fest: Sie müssen sich weiter verkleinern. Doch das ist nicht so einfach. Zum einen liegt das an den Besitzregelungen: Die meisten Kirchen gehören den Gemeinden selbst. „So können wir nur versuchen, die Pfarreien bei dem Entscheidungsprozess zu unterstützen“, sagt Förner. Vom Bistum Berlin gibt dafür es ein Beratungskonzept, auch die deutsche Bischofskonferenz und die evangelische Kirche liefern Orientierungshilfen.

    Die ehemalige St.-Agnes Kirche von außen, zum Beten geht da niemand mehr hin.
    Die ehemalige St.-Agnes Kirche von außen, zum Beten geht da niemand mehr hin. Foto: Anna Mohl

    Dann ist da noch die Frage nach einem passenden Käufer. Vor allem in ländlichen Regionen, wo der Immobiliendruck nicht so hoch ist wie etwa in Berlin, wird das mitunter schwierig. Der erste Blick sei der ins Umfeld, hin zu anderen christlichen Gemeinden, sagt Förner. Grundsätzliche Ausschlusskriterien will er nicht nennen. „Vieles ist aushandelbar“, sagt er. Klar ist: Die Gebäude werden auch nach dem Verkauf weiterhin mit den Kirchen in Verbindung gebracht. „Es sieht aus wie eine Kirche, also gehört es der Kirche“, sagt Förner. Aus dieser Verantwortung werde man nie ganz herauskommen. „Da müssen wir uns schon kümmern.“

    Mitmachmuseum, Büchertauschbörse, Kletterturm: Was aus Kirchen werden kann

    Liegen Schäden aufgrund des hohen Alters der Kirchengebäude vor, ist guter Rat teuer. Kann eine Kirche nicht saniert werden, müsse über eine Stilllegung auf Zeit gesprochen werden, sagt Protestant Röger – im schlimmsten Fall werde ein Blechdach darauf errichtet. Er erlebt, dass die Öffentlichkeit auf solche Probleme oft erst aufmerksam wird, wenn es um den konkreten Zerfall geht. Schließlich seien Kirchengebäude oft die bedeutendsten Gebäude im Ort, Erkennungszeichen. Häufig komme es zu einem Aufschrei und Solidaritätsaktionen wie der Gründung eines kommunalen Fördervereins. Röger findet das gut – man müsse sich zusammentun, um diesen „bedeutenden kulturellen Schatz“ zu erhalten. Oft entstünden auch Ideen zur Mit- und Umnutzung. Beispiele gibt es bundesweit: Das Mitmachmuseum in Berlin, die Büchertauschbörse in Axien bei Wittenberg, die Kletterkirche in Mönchengladbach. Oder „the Chapel“ in Berlin, eine alte Kapelle, die der Konzeptionist Andor Poll in einen Veranstaltungsraum umgewandelt hat. In Umnutzungen sieht er auch Chancen. „Die Konzentration auf einen Punkt macht die Orte so interessant“, erklärt er. Die Reaktionen seien positiv. „Wenn die Alternative Abriss ist, ist jede Rettung willkommen“, sagt Poll.

    Die Badewanne ist eine Kunstinstallation in einem der offenen Ausstellungsräume der Kirche.
    Die Badewanne ist eine Kunstinstallation in einem der offenen Ausstellungsräume der Kirche. Foto: Anna Mohl

    Eine Trendwende ist in den kommenden Jahren nicht in Sicht. Die Bemühungen der Kirchen, ihre Gebäude zu erhalten, werden vor diesem Hintergrund immer schwieriger, vor allem die Dorfkirchen sind in Gefahr. Auch in nicht-christlichen Kreisen läuten die Alarm-Glocken: Seit kurzem gibt es ein sogenanntes „Kirchenmanifest“. Das Bündnis verschiedener Partner aus Baukultur, Forschung und Stiftungswesen fordert, Kirchenbauten für die Gesellschaft zu erhalten. „Staat und Gesellschaft können und dürfen sich ihrer historisch begründeten Verantwortung für dieses kulturelle Erbe nicht entziehen“, heißt es von den Initiatoren. Es ist ein Thema, das alle angeht, glauben auch Röger und Förner. „Ich denke, es trifft beide Kirchen gleichermaßen“, sagt Röger. Sein katholischer Kollege fügt hinzu: „Es ist schon eine gewisse Dringlichkeit. Der Bischof hat einen Brief an alle Gemeinden geschickt, in dem er sagt: Wir müssen jetzt handeln, wo wir noch handeln können. Damit wir dann nicht einmal zu Behandelten werden.“

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