Sie regieren als knallharte Diktatorinnen mit brutaler Hand, eliminieren als Drogenbaroninnen Gegner gleich reihenweise oder machen als Auftragskillerinnen Jagd auf ihre Opfer: Böse Frauen erobern den Bildschirm. Vor allem Streaming macht's möglich: Während im Fernsehen früher fast nur Männer als Mörder, Räuber oder Betrüger agieren durften, machen sich in modernen Serien auf Netflix und Co. auch Frauen die Hände schmutzig und sorgen gewissermaßen für Gleichberechtigung. Toxische Männlichkeit war gestern, endlich dürfen sich auch Frauen von ihrer schlechten Seite präsentieren – böse Mädchen kommen beim Publikum gut an.
Dabei zeigen sich nicht nur Hollywoodstars wie Kate Winslet, Sofia Vergara oder Julianne Moore in aktuellen US-Serien wie „The Regime“ (Sky), „Griselda“ (Netflix) oder „Mary & George“ (Sky Atlantic) von ihrer fiesen Seite, auch deutsche Schauspielerinnen haben kein Problem damit, in Serien über Leichen zu gehen. „Es hat mir großen Spaß gemacht“, sagt etwa Martina Gedeck über ihre Rolle in der dystopischen Sky-Serie „Helgoland 513“, in der sie die Anführerin einer Gruppe von Pandemie-Überlebenden spielt, die über Leben und Tod entscheidet. Und Anna Maria Mühe, die in der Netflix-Serie „Totenfrau“ eine Bestatterin auf blutigem Rachefeldzug ist, sagt: „Gerade das war für mich als Schauspielerin das Spannende: nicht nur die sympathischen Seiten einer Mutter zu zeigen, sondern auch die dunklen Seiten einer Frau, die wirklich wissen will, wer für den Tod ihres Mannes verantwortlich ist.“
Auch Désirée Nosbusch als eiskalter Bankerin in der von Arte und ZDF produzierten Serie „Bad Banks“ ist anzumerken, wie viel Spaß sie daran hat, dem Zuschauer mal eine andere Facette zu zeigen.
In der von 2013 bis 2018 laufenden und vielfach preisgekrönten Netflix-Serie „House of Cards“ ließ sich der Wandel im Rollenverständnis sogar exemplarisch verfolgen: Die von Robin Wright hinreißend gespielte Politikergattin Claire Underwood ist in den ersten Staffeln lediglich Mitwisserin und gelegentliche Handlangerin bei den Untaten ihres von Kevin Spacey gespielten Gatten, der sich mit Mord und anderen unlauteren Mitteln den Weg ins Amt des amerikanischen Präsidenten freiräumt. Als Hauptdarsteller Spacey aus der Serie ausschied und seine Figur den Serientod starb, zeigte Claire Underwood als Präsidentin in der sechsten und letzten Staffel sämtlichen männlichen Widersachern, wie Emanzipation im fiktiven Weißen Haus funktioniert.
„Game of Thrones“ ist das berühmteste Beispiel
Zeitgleich zeigten auch zwei Protagonistinnen in der weltweit gefeierten HBO-Fantasysaga „Game of Thrones“, dass Frauen keine Berührungsängste mehr mit Macht haben und in Serien zur Not über Leichen gehen: Lena Headey überzeugte als machtbewusste Adelige Cersei Lannister und die wahnsinnig gewordene „Drachenkönigin“ Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) ließ am Ende der Saga gar Feuer vom Himmel regnen und verwüstete eine ganze Stadt.
Von derlei Exzessen war die Urmutter aller Serien-Schurkinnen noch weit entfernt: Joan Collins spielte in den Achtzigerjahren in der Familiensaga „Denver Clan“ das selbstsüchtige und zuweilen teuflische Luxusweib Alexis. Eine derart fiese Serienheldin war damals noch etwas Besonderes, Joan Collins machte das Beste daraus und brachte es als „Denver-Biest“ zu Weltruhm. Im vergangenen Jahr feierte die britische Schauspielerin, die bis heute gerne ihren bissigen Humor aufblitzen lässt, ihren 90. Geburtstag.
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