Im Tarifstreit zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) steht weiterer Streik im Januar unmittelbar bevor. Fahrgästen droht ab Mittwoch ein 64-Stunden-Streik auf den Schienen. Doch die Bahn hat angekündigt, gerichtlich gegen den angekündigten Arbeitskampf der GDL vorzugehen. Ein Eilantrag am Frankfurter Arbeitsgericht wurde bereits gestellt. Aber kann die Bahn den Streik mit diesem Eilantrag noch verhindern? Wir haben einen Juristen zu dem Thema befragt.
Übrigens: Während Tarifverhandlungen kann auch ein unbefristeter Streik drohen. Dafür müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
Bahn will GDL-Streik gerichtlich stoppen - geht das?
Die seit Wochen angespannte Situation zwischen der Deutschen Bahn und der GDL erreicht einen neuen Höhepunkt, weil das Arbeitsgericht in Frankfurt am Montag in erster Instanz über den angekündigten mehrtägigen Streik der GDL entscheiden wird. Sowohl die Deutsche Bahn als auch Wettbewerber Transdev haben beim Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung beantragt um den Arbeitskampf juristisch zu stoppen. Ein Urteil in erster Instanz ist jedoch nicht endgültig und es besteht für beide Seiten die Möglichkeit vor dem Landesarbeitsgericht Hessen in Berufung zu gehen.
GDL-Chef Claus Weselsky äußerte sich laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Montag optimistisch zu den juristischen Vorgängen. "Wir setzen darauf, dass das Recht auf unserer Seite ist. Wir haben rechtmäßig Forderungen erhoben, wir haben rechtmäßig alle Tarifverträge gekündigt und sind der festen Überzeugung, dass wir auch dieses Mal vor dem Arbeitsgericht Recht bekommen", sagte er in Frankfurt. "Die Durchführung eines dreitägigen Streiks ist bestimmt nicht unverhältnismäßig." Und geht es nach dem Juristen und Professor Dr. Christian Rolfs, ist es wohl sehr wahrscheinlich, dass Weselsky und seine GDL in dieser Angelegenheit Recht bekommen könnten.
Rolfs ist seit dem Jahr 2022 die Leiter des Instituts für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Köln und das Arbeitsrecht zählt zu seinen Forschungsschwerpunkten. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagt er, dass rechtlich alle Voraussetzungen erfüllt seien, damit die GDL in Streik treten könne: Die Friedenspflicht sei mit dem Ende des Tarifvertrags ausgelaufen, und die GDL verfolge ein "zulässiges Ziel" - also einen Tarifvertrag mit einem rechtmäßigen Inhalt. "Ich sehe nicht, dass die GDL sittenwidrige Forderungen gestellt hat – wenngleich manche Forderung im Rahmen der Tarifverhandlung möglicherweise als hoch erscheinen mag. Das ist an sich aber nichts unzulässiges", sagt der Jurist im Gespräch. Damit ein Streik gerichtlich nicht verboten werden kann, müsste aber noch ein weiteres Kriterium erfüllt sein und zwar die Verhältnismäßigkeit. Und genau diese ziehe die Bahn mit ihrem Antrag in Zweifel, erklärt Rolfs.
"Die Bahn kann hier argumentieren, dass sie und die GDL in ihren Verhandlungen möglicherweise gar nicht mehr so weit auseinander liegen. In Anbetracht dessen wären drei Tage Streik unverhältnismäßig lang für die Bahn", so Rolfs. Der Punkt "Verhältnismäßigkeit" hatte in jüngerer Vergangenheit schon einmal einem Streik einen Strich durch die Rechnung gemacht. Als im vergangenen Jahr der öffentliche Dienst streiken wollte und in diesem Zuge auch der Hamburger Elbtunnel von einer Sperrung betroffen gewesen wäre, schaltete sich das Arbeitsgericht in Hamburg ein und entschied: Tunnel und Straßen müssen offen bleiben. "Generell spielt der Faktor Verhältnismäßigkeit eine größere Rolle wenn es um Krankenhäuser, Pflegeheime oder beispielsweise die Energieversorgung geht, damit diese Bereich nicht wegen eines Streiks zusammenbrechen", erklärt Rolfs.
Eilantrag vor Gericht - So argumentiert die Bahn gegen den GDL-Streik
Martin Seiler, Personalvorstand bei der Deutschen Bahn, ließ am Montag aber nicht lange mit einem Kommentar zu der Situation auf sich warten und brachte noch ein weiteres Argument im juristischen Streit ins Spiel: "Dieser Streik ist nicht nur absolut überflüssig, sondern wir halten ihn auch rechtlich für nicht zulässig. Denn die Lokführergewerkschaft hat ihre Tariffähigkeit durch die Gründung ihrer Leiharbeiter-Genossenschaft verloren."
Tatsächlich wird dieser Punkt derzeit bereits vor dem Landesarbeitsgericht Hessen verhandelt. Die Genossenschaft "Fair Train" hatte die GDL im Sommer 2023 gegründet. Ziel der Firma ist es laut Weselsky, Lokführer von der Bahn abzuwerben und sie dann zu eigenen Tarifbedingungen an Eisenbahnunternehmen zu verleihen. Die Bahn sieht in der Genossenschaft einen Interessenkonflikt und spricht der GDL die Tariffähigkeit ab. Dazu sagt Rolfs allerdings: "Die Bahn sagt damit: 'Die GDL ist doch jetzt ein Arbeitgeber und hat damit ihre Eigenschaft als Gewerkschaft verloren.' Und dazu zählt eben auch das Recht eine Tarifverhandlung zu führen und in deren Rahmen zu streiken." Mehr als ein "netter Versuch" im aktuellen Eilantrag sei dieses Argument aber nicht, da das Landesgericht in Hessen in dieser Sache voraussichtlich erst 2025 eine Entscheidung treffen könne.
Alles in allem hält Rolfs es für unwahrscheinlich, dass die Bahn mit ihrem Eilantrag vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt Erfolg hat. "Es würde mich tatsächlich sehr wundern, wenn das klappen würde. Die Gerichte sind in dieser Sache sehr zurückhaltend und das ist auch richtig so. Sonst würden sie das Streikrecht entwerten und wir sind am Ende bei einer staatlichen Lohnfindung. Und das hatten wir zuletzt in der DDR."