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Atomkraftwerke reaktivieren: Ist das möglich? Debatte, Atomkraftwerke & Gründe

Energiekrise

Können Atomkraftwerke reaktiviert werden – und wäre das sinnvoll?

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    Das  Atomkraftwerk Isar 2 in Niederbayern. Könnte es auch nach dem Jahresende noch in Betrieb sein?
    Das Atomkraftwerk Isar 2 in Niederbayern. Könnte es auch nach dem Jahresende noch in Betrieb sein? Foto: Armin Weigel, dpa (Archivbild)

    Noch drei Atomkraftwerke sind in Deutschland am Netz. Drei, die es geschafft haben, trotz des schweren Reaktorunfalls im japanischen Fukushima vor elf Jahren noch zu laufen. Damals hatte die Bundesregierung einen Ausstieg aus der Kernkraft einzuleiten. Dieser soll Ende des Jahres 2022 abgeschlossen werden, wenn auch die AKWs Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 endgültig runterfahren sollen. Doch gerade jetzt wird über die Wiedergeburt der Atomkraft diskutiert.

    Krieg in der Ukraine als Auslöser für das Comeback der Kernkraft?

    Grund für die aktuelle Diskussion sind die Energiekrise und die Sorge um die Versorgungssicherheit. Durch den Krieg in der Ukraine werden die russischen Gasimporte in Zweifel gezogen. Die Unabhängigkeit von russischem Gas soll so schnell wie möglich erfolgen, schon jetzt liefert Russland deutlich weniger als vor dem Kriegsbeginn.

    Die Zustimmung für Atomenergie wächst unter diesen Umständen in Deutschland offenbar von Woche zu Woche. Derzeit ist sie bei rund 40 Prozent angekommen, wie eine Umfrage des Vergleichsportals Verivox nahelegt. Im Vergleich zu 2018 hat sich die Zustimmung damit in etwa verdoppelt. Daher stellt sich nun auch die Frage, ob eine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke überhaupt möglich wäre.

    Können Atomkraftwerke reaktiviert werden?

    Ein Atomkraftwerk ist ein komplexes System, so viel ist klar. Auch, dass es garantierte Sicherheit bräuchte, um eines ans Netz zu nehmen. Grundsätzlich scheint das aber möglich, wie einige Experten meinen. "Im Prinzip arbeitet ein Kernkraftwerk auch nicht anders als ein Kohlekraftwerk", erklärte Uwe Stoll dem RND: "Es wird Dampf erzeugt, der eine Turbine mit Generator antreibt, und die macht dann den Strom."

    Der wissenschaftlich-technische Geschäftsführer der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) stellt klar, dass bei der Kernspaltung "eine enorme Wärme" entsteht, die das Wasser erhitzt, das wiederum den Dampferzeuger erhitzt. Dieser wird bis zu 330 Grad heiß. "Die Energie von Wasserdampf wird schließlich genutzt, um an Stromgeneratoren gekoppelte Turbinen anzutreiben", verrät Stoll. Er glaubt, dass einem Comeback der Kernkraft in Deutschland wenig im Weg stehen würde: "Technisch kann man relativ unproblematisch ein Kernkraftwerk wieder in Betrieb nehmen."

    Allerdings gebe es auch einige Hürden. In den kürzlich abgeschalteten AKWs würde es an spaltbarem Material fehlen. Die Betreiber hatten sich bereits auf die Abschaltung eingestellt und daher den Brennstoff verbraucht. "Um passende Brennelemente herzustellen, braucht man zwölf bis 15 Monate – das ist ein langwieriger Prozess", klärt Stoll auf.

    Debatte um Atomkraft

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte, dass die Atomkraftwerke daher "nur unter höchsten Sicherheitsbedenken" ans Netz genommen werden könnten. Er glaubt auch, dass dies nur mit nicht gesicherten Brennstoffzulieferungen möglich wäre. "Und das wollen wir sicher nicht", schloss er. Habeck will daher die Kohle reaktivieren und Steinkohle zum verstromen nutzen.

    "Kohle zu reaktivieren macht sicher Sinn, ist aber klimaschädlich", reagierte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im RTL auf diese Sichtweise. Daher sei es nicht sinnvoll "angesichts einer drohenden Gaslücke eine zusätzliche Stromlücke zu produzieren, indem man die Atomkraft abschaltet". Die Atomkraft sollte dabei nicht "für die Dauer" sein. "Aber sie ist aus jetziger Sicht für das Klima besser, billiger und in dem Fall schnell aktivierbar."

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte jüngst erklärt, dass eine Verlängerung der Atomkraftwerke alleine schon deswegen nicht möglich sei, weil keine Brennstäbe vorhanden seien. Auch hier reagierte Söder und unterstellte Scholz "fachlichen Blödsinn". Er ist der Meinung, dass Brennstäbe überall auf der Welt besorgt werden könnten. Aber wie geht es nun weiter?

    Reaktivierung der Atomkraftwerke derzeit nicht geplant

    Derzeit scheint die Reaktivierung der Atomkraftwerke von der Bundesregierung nicht geplant zu sein. EnBW antwortete auf eine Anfrage von Focus Online: „Die Bundesregierung hat angesichts möglicher Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine eine Verlängerung der Laufzeiten der noch in Betrieb befindlichen deutschen Kernkraftwerke geprüft und Anfang März entschieden, derzeit keine Änderungen am geltenden Rahmen für den Betrieb der Kernkraftwerke vorzunehmen. Dieser gesetzliche Rahmen schließt eine Stromproduktion in deutschen Kernkraftwerken über den 31. Dezember 2022 hinaus eindeutig aus. Damit hat sich das Thema erledigt. Die EnBW bittet um Verständnis, dass sie sich deshalb an einer weiteren, rein hypothetischen Debatte derzeit nicht beteiligt."

    Hubert Aiwanger, Vorsitzender der Freien Wähler, hatte unserer Redaktion erklärt, dass er prüfen lasse, ob es möglich wäre, das zum Jahreswechsel abgeschaltete Atomkraftwerk Gundremmingen wieder hochzufahren. Das letzte Wort scheint angesichts der Debatte noch nicht gesprochen zu sein. Ein Comeback der Atomkraft in Deutschland wäre wohl möglich, wenn auch nicht sonderlich wahrscheinlich.

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