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Archäologie: Was es mit der „Stonehenge im Bodensee“ auf sich hat

Archäologie

Was es mit der „Stonehenge im Bodensee“ auf sich hat

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    Im Bodensee geben Jahrtausende alte Steinhügel Rätsel auf.
    Im Bodensee geben Jahrtausende alte Steinhügel Rätsel auf. Foto: Amt für Archäologie Thurgau

    Mysteriöse Steinhügel im Bodensee stellen Forscher seit Jahren vor ein Rätsel. Mit Tauchgängen vor Lindau machen Unterwasserarchäologen Anfang November den nächsten Schritt, um das Geheimnis der rund 5500 Jahre alten Hügel eines Tages lüften zu können. „Es spricht derzeit alles dafür, dass die Hügel von Menschenhand erschaffen wurden“, sagt der archäologische Forschungstaucher Tobias Pflederer. „Uns interessiert vor allem, ob sich eine Zeitspanne für ihre Nutzung datieren lässt.“

    Wie wurden die Hügel entdeckt?

    Bei einer Tiefenvermessung des Gewässers vor acht Jahren wurden rund 170 Steinerhebungen gut 200 Meter vom Ufer auf Schweizer Seeseite festgestellt. Sie verlaufen auf einer Länge von zehn Kilometern zwischen Romanshorn und Altnau – und zwar erstaunlicherweise parallel zum Ufer. Schweizer Medien berichteten schon bald plakativ vom „Stonehenge im Bodensee“ - in Anspielung an den wohl sagenumwobensten Steinkreis der Welt im Süden Englands. Doch auch auf der bayerischen Seite machte das Institut für Seenforschung Langenargen 25 Steinhügel auf dem Seegrund vor Lindau ausfindig. Sie liegen in einer Tiefe von drei bis fünf Metern und sind ebenfalls wie an einer Perlenschnur aneinandergereiht. Die Forschenden sehen einen Zusammenhang zwischen den Funden auf deutscher und Schweizer Seite: „Von der Konstruktionsweise sind die Hügel sehr ähnlich“, sagt Simone Benguerel vom Amt für Archäologie im Kanton Thurgau.

    Wie groß sind die Hügel?

    Auf der Schweizer Seeseite haben sie einen Durchmesser von bis zu 30 Metern. Sie sind bis zu 1,5 Meter hoch. Auf der bayerischen Seite fallen sie deutlich flacher aus. Rein optisch gleichen sie also eher Fladen als Hügel. „Sie bestehen aus Steinen in der Größe von Kürbissen oder Kokosnüssen“, beschreibt Benguerel. Sie aufzuschütten muss große Mühe gekostet haben: Allein auf Schweizer Seite gehen die Wissenschaftler von 78.000 Tonnen Gestein aus, die bewegt wurden.

    Was spricht dafür, dass die Hügel von Menschen geschaffen wurden?

    Georadar-Messungen im Jahr 2018 lieferten für die Schweizer Forschenden einen klaren Befund: Die Steine liegen deutlich über der Moräne, also jener Schuttablagerung, die von Gletschern bei ihrer Bewegung transportiert und abgelagert wird. Damit sei belegt, dass sie „nicht natürlich durch Gletscher entstanden, sondern von Menschenhand aufgeschüttet worden sind“, heißt es in einer Mitteilung des Amtes für Archäologie Thurgau. Weiteres Indiz: Bei Untersuchungen von Steinhaufen wurden Hölzer gefunden, die wie Pfähle zugespitzt waren. Bearbeitet vermutlich von Steinbeilen. Auf bayerischer Seite wurde zudem ein bearbeiteter Stein gefunden, der zum Versenken von Netzen diente.

    Welche Funktion hatten die Steinhügel?

    Das ist die große Frage. Bisher gibt es nur Hypothesen. So könnten sie als eine Art Fischaufzucht-Station („Wallburg“) genutzt worden sein. „Die Futterfische locken dabei größere Raubfische wie Waller an, die dann gefangen werden können“, erläutert Pflederer das Prinzip. Der Aufwand dafür wäre allerdings groß gewesen. Auch eine kultische Nutzung in der Jungsteinzeit kommt infrage. „Vorstellbar wären saisonal knapp aus dem Wasser ragende Plattformen als künstliche Inselchen entlang des Seeufers, auf denen rituelle Handlungen im Rahmen einer Bestattungszeremonie stattfanden. Dabei wäre der Übergang vom Land zum Wasser ein zentrales Element des Rituals gewesen“, schreibt der Schweizer Archäologe Urs Leuzinger. Allerdings wurden bislang keine Artefakte wie Schmuck, Gefäße oder Waffen gefunden. Die Bodensee-Hügel werden wohl weiter Rätsel aufgeben.

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