Frau Schudt, lassen Sie uns über Weihnachten reden. Die einen können dieses Fest überhaupt nicht ausstehen, die anderen lieben es. Wie ist das bei Ihnen?
Anna Schudt: Also – wir lieben es. Ich finde, mit Kindern ist Weihnachten schön.
Und wie feiern Sie heuer? Im großen Kreis oder im kleinen?
Schudt: Bei uns kommt die ganze Familie zusammen. Dann wird ein Baum aufgestellt, den wir gemeinsam schmücken. Hinterher wird gekocht, gegessen und gequatscht. Und das genießen wir.
Vielen Familien gelingt das nicht. Nie im Jahr ist die Streitquote statistisch gesehen höher als an Weihnachten.
Schudt: Das kann sein. Wir streiten daheim glücklicherweise eher selten. Wir haben nämlich die Regel eingeführt, nicht über Politik zu reden. Das hilft. Außerdem setzen wir die Erwartungen an diesen Tag nicht so hoch und gehen auch mal auseinander, bevor wir uns gegenseitig stressen. Ich meine, wir sind da insgesamt gut aufgestellt.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, das Thema Politik an Weihnachten auszugrenzen?
Schudt: Das war während der Coronazeit. Unsere Idee lautete: Wir sprechen nicht über Corona und nicht über Politik – und dann geht’s gut. So war es dann auch.
Was fasziniert Sie an Weihnachten? Mögen Sie es kitschig?
Schudt: Was bedeutet kitschig?
Viel Schmuck, Lichter, Lametta, Zierrat, Glitzer.
Schudt: Ja, Kerzen, Tingeltangel, Lichterketten und Weihnachtsschmuck finde ich herrlich. Dadurch wird es ja erst weihnachtlich. Wir neigen tatsächlich eher zur Übertreibung.
In Ihrem aktuellen ZDF-Film „Nelly und das Weihnachtswunder“ spielen Sie die Paketbotin und Tankwartin Nelly, die Single ist und mit Weihnachten mal so gar nichts anfangen kann. Dann aber erlebt sie den Heiligabend ihres Lebens. Würden Sie sich so einen rasanten Abend mit Findelkind, Verfolgungsjagd und Happy End auch wünschen?
Schudt: Die Frau ist ja sehr beladen. Sie mag Weihnachten nicht, weil ihr ungelebtes Leben auf ihr lastet. Sie hat keine Familie, wenig Freunde und wenig Freude. Wenn man so ein Schicksal hat, ist so ein rasanter Abend ein traumhaftes Weihnachten. Denn im Film ergibt sich ja auch eine zufällige Familienkonstellation, die an einem eigentlich kargen Ort endet, einer Tankstelle. Diese ist aber herrlich geschmückt, viele Menschen sind da und es ist lustig. So etwas würde ich mir schon auch wünschen an Nellys Stelle.
Nelly verfolgt in dem Film einen Autodieb und stößt auf einen kleinen, stummen Jungen, der auf magische Weise Weihnachtszauber verbreitet. Was entspricht mehr Ihrem Charakter, ein kühler „Tatort“ oder so eine Komödie?
Schudt: Ich bin für Abwechslung, mag alles gern und habe ja zehn Jahre Krimis gedreht. Aber das reicht erst einmal. Ich habe vorerst genug von Leichen und dem Suchen nach Mördern. Diese Weihnachtsgeschichte hat mir gefallen, weil sie eine schöne Adaption der heiligen Familiengeschichte ist. Ich mag diese Form des Erzählens, dass da jemand Weihnachten nicht mag, um dann am Ende doch einen inneren Frieden zu finden.
Während Millionen andere von einem Geschäft zum nächsten hetzen, genießen Sie die Adventszeit – inklusive Plätzchen backen und Weihnachtssterne basteln, konnte man vor einigen Jahren lesen. Ist das noch so?
Schudt: Wenn es mir gelingt, dann mache ich das schon. Aber ich habe in der Weihnachtszeit auch meistens viel zu tun, was schade ist. Dann hetze ich ebenso herum wie alle. Aber ich habe öfter mal Tage zwischendrin frei und kann dann durchatmen.
Was war ihr abenteuerlichstes Weihnachtsfest?
Schudt: Ehrlich gesagt hatte ich bisher kein abenteuerliches Weihnachtsfest. Das Blödeste im letzten Jahr war, als ich mich mit meinem ältesten Sohn Film guckend eingeschlossen hatte, weil wir beide Corona hatten. Alle anderen haben im Nebenzimmer gefeiert. Das war seltsam.
Verbrachten Sie Weihnachten auch schon in einem ganz anderen Teil der Erde? Oder vielleicht auch ganz alleine?
Schudt: Nein, auch das nicht. Ich hatte mehr oder weniger meistens kleine Kinder um mich herum, deswegen habe ich Weihnachten bisher immer zu Hause verbracht.
Beschenken Sie sich daheim, gibt es etwas Besonderes zum Essen, gehen Sie in die Kirche?
Schudt: Wir sind tatsächlich große Schenker, obwohl wir immer sagen, dass wir uns kaum etwas schenken. Am Ende ist es dann doch eine große Geschenke-Schlacht. Aber am wichtigsten ist, dass wir uns Briefe schreiben.
Welche Briefe?
Schudt: Briefe, in denen wir das Jahr Revue passieren lassen, was man schön fand miteinander und aneinander, und es sind auch die Wünsche fürs nächste Jahr formuliert. Die werden vorgelesen, bevor alles losgeht. Manchmal macht mein Mann auch eine kleine Weihnachtslesung, und es wird gesungen und musiziert. Dann kochen wir. Es ist nicht besonders außergewöhnlich bei uns, wir sind etwas chaotisch und planen das nicht stringent durch.
Und Sie gehen in die Kirche?
Schudt: Ja, auch wenn es das einzige Mal im Jahr ist. Es gehört einfach dazu und gibt dem Fest noch einmal eine andere Dimension. Man trifft dort das ganze Dorf, wünscht sich frohe Weihnachten und es bimmelt wunderbar. Es ist schön, dass alle da sind, und es ist auch ein guter Moment, um dankbar zu sein.
Sie sind ein Familienmensch, aber eben auch stark engagiert im Beruf. Während andere über so eine Doppelrolle stöhnen, lieben Sie eigenen Angaben zufolge die Herausforderung? Stimmt das?
Schudt: Die größte Herausforderung besteht in der Organisation. Aber das ist machbar. Denn Familie ist für mich der Grundstein in meinem Leben. Das ist die Base, der Grundbeat meines Lebens. Und wir sind glücklich. Der Beruf läuft auch gut, da würde ich also nicht von „Herausforderung“ sprechen. Andere Menschen müssen sehr viel mehr und härter als ich arbeiten und haben auch eine Familie zu wuppen. Deswegen sehe ich das, was ich hier leben darf, als höchst privilegiert an.
Was bedeutet Ihnen die Theaterbühne, auch im Vergleich zum Spiel vor der Kamera?
Schudt: Ich habe ja seit vielen Jahren kein Theater gespielt, obwohl ich eine große Sehnsucht danach hatte. Denn die Bühne ist meine Heimat. Ich wollte immer auf die Bühne und war anfangs zehn Jahre am Theater. Erst als mein Sohn zur Schule kam, wollte ich nicht alle Ferien und Feiertage Theater spielen, sondern auch Zeit für ihn haben. Darum brach ich mein Festengagement ab. Aber die Bühne ist schon ein spezielles Medium. Man teilt eine gemeinsame Erfahrung mit dem Ensemble und dem Publikum. Das gibt es beim Drehen so nicht. Und vom Austausch mit Publikum nehme ich viel mit. Das ist toll.
Sie sind in diesem Jahr 50 geworden: Hatten Sie sich etwas Besonderes vorgenommen oder lief das Leben über diesen Meilenstein einfach so hinweg?
Schudt: Erst einmal habe ich wahnsinnig groß gefeiert und das halbe Jahrhundert richtig zelebriert. Alle meine Liebsten waren eingeladen – und das war herrlich. Ich habe auch nichts gegen das Älterwerden, denn viele Dinge verlieren an Wichtigkeit. Die Prioritäten ändern sich, man sieht die Welt gelassener. Ich finde Älterwerden ist ein aufregender Prozess. Man muss sich anders um sich und sein Umfeld kümmern. Und das geht auch, weil der Fokus sich verändert. Mit 50 ist es für mich so, dass ich viel gemacht und geschafft habe und gesund bin. Die ganzen Altersknibbeleien mit dem Körper sind noch nicht da. Im Moment ist es ein Gefühl, wie auf dem Gipfel zu stehen. Ich sehe alles, ich höre und spüre alles. Ich muss aber nicht mehr hochrennen wie ein Idiot.
Und wie geht es bei Ihnen beruflich weiter?
Schudt: Das nächste Jahr ist schon ziemlich voll, wenn alles klappt. Ich spiele Theater an der Schaubühne in Berlin, es gibt eine zweite Staffel der Hebammenserie „Push“, ich mache einen Kinofilm und bin bei einer Netflix-Serie dabei. Dazu kommen Lesungen. Kurzum: Es ist einiges los.
Zur Person
Anna Schudt, 1974 in Konstanz geboren, ist eine der bekanntesten Schauspielerinnen Deutschlands. Sie ist mit Moritz Führmann, einem Kollegen, verheiratet und Mutter von drei Kindern. „Nelly und das Weihnachtswunder“ läuft am Sonntag, 22. Dezember 2024, um 20.15 Uhr im ZDF.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden