Erst vor einer Woche sah alles danach aus, als ob sich die Ampel-Koalitionäre bei der hart umkämpften Kindergrundsicherung einigen würden. Nun könnte das Reformvorhaben erneut zum Erlahmen kommen. Das Gesetzgebungsverfahren werde auf jeden Fall "noch einige Zeit dauern", sagte FDP-Vize Johannes Vogel im Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und bremste damit die Reform von Familienministerin Lisa Paus (SPD) erneut aus.
Doch was besagt überhaupt die Reform zur neuen Kindergrundsicherung, auf was konnten sich die Ampel-Parteien bisher einigen, und was fordern nun die Liberalen?
Was ist die Kindergrundsicherung?
Die Kindergrundsicherung soll helfen, die Kinderarmut in Deutschland zu bekämpfen, wie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mitteilt. Zudem soll die Kindergrundsicherung das System der staatlichen Leistungen für Kinder und Familien vereinfachen und transparenter gestalten. Dazu soll sie die bestehenden Leistungen wie das Kindergeld, den Kinderzuschlag, das Bürgergeld für Kinder und Teile des Bildungs- und Teilhabepakets bündeln und vereinheitlichen. Auch der Zugang soll durch eine gemeinsame Anlaufstelle vereinfacht werden.
Eltern sollen sich die Unterstützung nicht mehr holen müssen, denn der Staat hat laut Familienministerin Lisa Paus eine "Bringschuld". Außerdem werde das Kindergeld künftig "Kindergarantiebeitrag" heißen.
Kindergrundsicherung: Einigung trotz Bedenken der FDP
Nach langem Streit zwischen Familienministerin Lisa Paus und Finanzminister Christian Lindner (FDP) über die Finanzierung der Reform zur Kindergrundsicherung hatte das Bundeskabinett in der vergangenen Woche einen Gesetzentwurf beschlossen und auf den Weg gebracht. Verabschiedet werden sollte das Gesetz Anfang kommenden Jahres.
Zuvor beharrte die FDP darauf, nach den teuren Corona- und Inflations-Entlastungspaketen die Staatsausgaben wieder zu begrenzen. Erfolgte Erhöhungen bei Bürgergeld, Kindergeld und Kinderzuschlag hätten diese weiter belastet. Finanzminister Christian Lindner hatte zudem Bedenken geäußert, dass höhere Sozialleistungen sich negativ auf Arbeitsanreize auswirken könnten und ob mehr Geld auf das Konto von armen Familien bei den Kindern tatsächlich ankommt.
FDP blockiert Kindergrundsicherung: Liberale fordern mehr Arbeitsanreize
Nun droht erneut die Erlahmung der Reformpläne. Es gebe "noch viele offene Fragen" sagte Johannes Vogel, erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, der FAZ. Dabei gehe es darum, ob "Bürokratie wirksam abgebaut wird" und "die neue Administration und Behördenaufteilung so wirklich funktioniert".
Vogel forderte im Interview mit der FAZ zudem als Bedingung für eine Zustimmung der FDP zum Projekt, dass die Kindergrundsicherung in ein Gesamtkonzept zur Stärkung von Arbeitsanreizen im Sozialstaat eingebettet werde. Ferner unterstrich der FDP-Vize die Bedeutung einer Forschungskommission, die an einem Reformkonzept für stärkere Arbeitsanreize arbeite und auf die sich die Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag geeinigt hätten.
"Wir können die Kindergrundsicherung erst dann im Bundestag beschließen, wenn auch die Ergebnisse dieses Forschungsauftrages vorliegen und eingearbeitet sind", so Vogel. Viel weiß die Öffentlichkeit allerdings nicht von der Kommission. Laut FAZ sei das Münchner Ifo-Institut beteiligt und eine Projektlaufzeit bis Dezember dieses Jahres terminiert.
Kritik an Kindergrundsicherung: FDP nicht allein
Bedenken zu organisatorischen Schwierigkeiten der neuen Kindergrundsicherung äußert derweil nicht nur die FDP, sondern auch die Bundesagentur für Arbeit, vor allem die kommunalen Spitzenverbände, die für die Jobcenter im Bürgergeldsystem mit zuständig sind.
Der Deutsche Landkreistag warnte sogar vor einem "Verwaltungsdesaster" durch neue Doppelstrukturen von Jobcentern und Familienkassen.