Edo Varini war vor wenigen Tagen mit zwei Kumpels und einem Schlauchboot beim Angeln im Meer. Auf seinem in den sozialen Netzwerken geposteten Video sieht man, wie die Gruppe bei langsamem Tempo durch die Adria navigiert und aus einem angeekelten Staunen nicht mehr herauskommt. „Che schifo, wie eklig!“, stößt einer der Angler aus. „Und was für ein Gestank!“ Das Schlauchboot bahnt sich seinen Weg durch eine Oberfläche, die wie eine Schneedecke oder ein Wüstenstreifen aussieht. Es handelt sich um das, was als „mucillagine“ derzeit die Badegäste an der Adria besonders nervt: der übel riechende, weißlich, manchmal auch ins gelb-bräunliche changierende Algenschleim.
Nicht nur Italien, auch Kroatien ist aktuell vom Algenschleim betroffen
Schon im Juni und Juli wurde das Phänomen an der Riviera romagnola, der Küste bei Rimini sowie weiter südlich bei Ancona in den Marken beobachtet. Wind, Regen, Wellengang lassen die Plage dann wieder abebben oder zumindest von den Stränden der Urlauber-Hochburgen verschwinden. Auch in diesen Tagen hoffen die Badegäste und Hotel- und Strandbadbetreiber wieder auf Besserung, eine Kaltfront aus dem Norden soll einen Wetterwechsel bringen.
Die ersten Schleimteppiche in diesem Jahr wurden bei Triest gesehen, inzwischen ist auch Istrien in Kroatien betroffen. „Wenn ihr einen Ausflug nach Istrien plant, überlegt es euch gut“, schrieb ein Instagram-User: „Überall mucillagine!“ Er postete ein idyllisches Küsten-Foto – mit einem zehn Meter breiten Algenteppich.
Algenschleim an der Adria in Italien ist seit Jahrhunderten bekannt
Der gesundheitlich angeblich nicht schädliche Algenschleim ist kein neues Phänomen. Manche an der Adria erinnern sich noch an die Schleimplage Ende der 1980er Jahre. Erste Berichte über jenes „schmutzige Meer“ reichen ins Jahr 1729 zurück, wissenschaftlich beschrieben wurde das Phänomen erstmals im Jahr 1872. Schon damals vermutete man, dass die Schleimabsonderung gewisser Kieselalgen für den Schaumteppich verantwortlich sei. Heute ist klar, dass die gallertartige Substanz von allen möglichen Arten von Phytoplankton unter Wasser ausgeschieden wird. Die nördliche Adria ist besonders anfällig für das Phänomen. Die niedrige Wassertiefe und die sich dadurch auch unter Wasser bildenden hohen Temperaturen begünstigen den Aufstieg der Masse an die Oberfläche. In diesen Tagen liegt die Wassertemperatur konstant bei 30 Grad Celsius. „Im Vergleich zu den Messwerten zwischen 1991 und 2020 sind die heutigen Temperaturen außerordentlich“, sagt Klimaforscher Massimo Fazzini von der Universität Camerino.
Offenbar spielen Hitze und Erderwärmung aber nur indirekt eine Rolle bei der Algenplage. Forschern zufolge sind eher die starken Regenfälle der vergangenen Monate verantwortlich. „Der nördliche Teil der Adria ist derzeit durch einen niedrigen Salzgehalt gekennzeichnet, der auf die Zufuhr von Süßwasser aus den Flüssen zurückzuführen ist“, erklärte die Meeresbiologin Cristina Mazziotti von der Regionalbehörde für Meeresüberwachung dem Corriere di Bologna. „Dadurch gelangen viele Nährstoffe in das Meer, die die Entwicklung von Algen wie Kieselalgen begünstigen.“ Davon geht man auch beim Umweltverband Legambiente aus. „Das Phänomen ist auch auf eine übermäßige Präsenz von Nährstoffen aus der Landwirtschaft und der Intensivtierhaltung in der Po-Ebene zurückzuführen“, sagt Sprecher Stefano Raimondi.
In Rimini plant man Gegenmaßnahmen. Bürgermeister Jamil Sadegholvaad fordert die Erlaubnis, dass die Strandbäder auch Schwimmbecken für die frustrierten Touristen aufstellen können, bislang ist das nicht gestattet. Ein anderer Vorschlag lautet, einen künstlichen Seegang zu erzeugen, der den Schleim in Richtung Meer abtreiben würde. Vielleicht ist es auch einfach das Beste, aufs nächste Unwetter zu warten. Es kommt bestimmt.
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