Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Adel: Harrys Kampf gegen den britischen Boulevard

Adel

Harrys Kampf gegen den britischen Boulevard

    • |
    Prinz Harry trifft vor einer Anhörung vor dem Royal Courts Of Justice ein.
    Prinz Harry trifft vor einer Anhörung vor dem Royal Courts Of Justice ein. Foto: Victoria Jones/PA Wire, dpa

    Wie war das nun genau mit Harry und den Frauen? Warum scheiterte seine Beziehung zu Chelsy Davy? Und wie sehr belastete den Heranwachsenden nun wirklich der Unfalltod von Mutter Diana? Es sind äußerst private Fragen, auf die sich Prinz Harry einstellen muss, wenn er an diesem Dienstag im Londoner High Court den Zeugenstand betritt. Fragen, die der 38-Jährige eigentlich stets aus der Öffentlichkeit halten wollte - und nun freiwillig preisgibt.

    Im Bespitzelungsprozess gegen den Verlag der Zeitung "Daily Mirror" geht Harry "all in". Dass sich der Sohn von König Charles III. als erster Royal seit mehr als 130 Jahren einem Kreuzverhör stellt, zeigt, dass ihm seine Mission wichtiger ist als sein Ruf: Die britische Presselandschaft nachhaltig zu reformieren, ist sein erklärtes Lebensziel. Eigentlich war Harry bereits am Montag am Gericht erwartet worden. Sein Anwalt David Sherborne entschuldigte ihn aber überraschend - das gefiel dem Gericht offensichtlich nicht.

    Die Verhandlung birgt durchaus Risiken für Harry. Schließlich muss er auch der Gegenseite Rede und Antwort stehen - deren Anwalt Andrew Green kündigte an, den Royal anderthalb Tage zu befragen. "Das ist nicht so, als würde man Oprah Winfrey in einem Promi-Interview Fragen beantworten", sagte der PR-Experte Tim Maltin der BBC, auch mit Blick auf das berühmt-berüchtigte TV-Gespräch von Harry und Ehefrau Meghan im März 2021. "Es ist eine feindselige Begegnung mit einem hoch qualifizierten Experten in Kreuzverhören, der mit einer Reihe von Techniken ausgestattet ist, um die Glaubwürdigkeit zu untergraben."

    Jahrelang mit illegalen Methoden gearbeitet?

    Harry ist nicht der einzige Prominente, dessen Vorwürfe gegen den Verlag Mirror Group Newspapers (MGN) verhandelt wird. Die Kläger, die exemplarisch ausgewählt wurden, werfen den MGN-Blättern "Daily Mirror", "Sunday Mirror" und "People" vor, sie jahrelang mit illegalen Methoden wie dem Abhören von Handy-Mailboxnachrichten bespitzelt zu haben, und fordern Schadenersatz. Sie bezichtigen zudem die Führungsebene, von den Machenschaften gewusst und das Vorgehen vertuscht zu haben. Der Verlag weist dies zurück. Zudem argumentieren die Anwälte, die sechsjährige Klagefrist sei längst abgelaufen.

    Insgesamt nimmt das Gericht 33 Artikel über Harry aus gut einem Jahrzehnt zwischen 1999 und 2010 unter die Lupe. Ursprünglich hat er sogar 147 Berichte beanstandet. Anwalt Sherborne betonte, sein Mandant sei jahrelang eines der Individuen gewesen, über das MGN-Blätter die meisten Artikel verfasst hätten. Harry sei schon als Schuljunge Ziel illegaler Abhörmethoden gewesen - es habe keine Zeit in seinem Leben gegeben, zu der er vor Bespitzelungen sicher gewesen sei. Der Prozess läuft seit dem 10. Mai und soll Ende Juni beendet werden. Ein Urteil fällt vermutlich erst später im Jahr.

    "Niemals beschweren, niemals erklären" - so lautet eigentlich das Motto der Königsfamilie, wenn es um die Berichterstattung in den Boulevardmedien über sie geht. Doch Harry hat mit diesem Grundsatz gebrochen, zunächst in Interviews und Veröffentlichungen, bald auch vor Gericht. Seitdem werden Details bekannt, die die Royal Family vermutlich lieber verschwiegen hätte. Etwa, dass Harrys älterer Bruder Prinz William eine lukrative, außergerichtliche Abmachung mit dem Verlag News Group Newspapers ("Sun") getroffen haben soll.

    Letztes Kreuzverhör liegt lange zurück

    Aussagen vor Gericht meiden die Royals. 1891 stand mit dem späteren König Edward VII. zum letzten Mal ein Royal im Kreuzverhör - als Zeuge, es ging um Betrug beim Kartenspiel. 2002 bekannte sich Harrys Tante Prinzessin Anne schuldig, dass einer ihrer Hunde zwei Kinder gebissen hatte und zahlte eine Strafe. Harrys Onkel Prinz Andrew vermied in den USA jüngst einen Zivilprozess wegen sexuellen Missbrauchs - angeblich gegen eine außergerichtliche Millionensumme.

    Für Harry ist der Auftritt im Zeugenstand womöglich nur einer von mehreren. Gegen insgesamt drei Verlage hat er ähnliche Klagen eingereicht. Dank dieser Prozesse könnte der Umgang der Royals mit den Medien nun genauer beobachtet werden, sagte die Expertin Pauline Maclaran von der Londoner Universität Royal Holloway der BBC. Der Historiker Ed Owens wies auf das globale Interesse an dem Fall hin. Viele Menschen fasziniere die Kombination aus Justizdrama und royaler Seifenoper, bei dem ein Mitglied der königlichen Familie die Verbindungen der Monarchie zur Klatschpresse offenlege.

    Harry macht keinen Hehl daraus, dass er die "tabloid press", wie die Boulevardpresse in Großbritannien genannt wird, für den Unfalltod seiner Mutter 1997 verantwortlich macht. Seit Dianas Tod sei er von Journalisten und Paparazzi unerbittlich verfolgt, gedemütigt und in seinen Beziehungen zu Frauen sabotiert worden, legte er in der im Januar veröffentlichen Biografie "Reserve" dar.

    Erst kürzlich gingen Harry und Meghan an die Öffentlichkeit mit dem Vorwurf, sie seien von Fotografen geradezu filmreif durch New York gehetzt worden. Die Darstellung, deren Dramatik nicht unabhängig bestätigt wurde, erinnerte an Dianas Todesfahrt in Paris. Sie wurde damals ebenfalls von Paparazzi verfolgt.

    Ob Harry den Aufenthalt in London auch für eine Annäherung mit der Familie nutzen wird, ist ungewiss. Das Verhältnis zu den übrigen Royals gilt inzwischen als äußerst angespannt. Dass er erneut mit privaten Details in die Öffentlichkeit geht, dürfte im Palast nicht gerade auf Begeisterung stoßen. Vater Charles jedenfalls dürfte von dem Trubel um Harrys Zeugenaussage in London womöglich nicht viel mitbekommen: Er macht derzeit alleine Urlaub in Rumänien, wo er mehrere Ferienhäuser in abgeschiedenen Gegenden Siebenbürgens besitzt - angeblich ohne Zugang zu Radio, Fernsehen oder Internet.

    (Von Benedikt von Imhoff und Christoph Meyer, dpa)

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden