Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Zwickauer Terrorzelle: War Beate Zschäpes bei NSU-Morden beteiligt?

Zwickauer Terrorzelle

War Beate Zschäpes bei NSU-Morden beteiligt?

    • |
    Am 8. November 2011 stellte sich  Beate Zschäpe der Polizei in Jena.
    Am 8. November 2011 stellte sich Beate Zschäpe der Polizei in Jena. Foto: dpa

    Vielleicht kommt die mutmaßliche Terroristin Beate Zschäpe als Mittäterin der Neonazi-Mordserie lebenslang hinter Ginter. Generalbundesanwalt Harald Range sagte derFrankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, es gebe viele Beweismittel, die belegten, dass Zschäpe "an den Taten beteiligt war, zumindest durch logistische Hilfe". Derzeit sei noch nicht klar, ob Zschäpe "an einem oder mehreren Tatorten"  war.

    Zschäpe droht wortwörtlich lebenslange Freiheitsstrafe

    Range zufolge arbeitet die Bundesanwaltschaft "mit Hochdruck" daran, Zschäpe eine Beteiligung an den Morden ihrer mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und

    "Wenn wir ihr die Mittäterschaft zum Mord nachweisen können, ist eine lebenslange Freiheitsstrafe die Konsequenz. Bei so vielen Morden kann das auch wirklich heißen: lebenslang", unterstrich Range.

    Das Neonazi-Trio und seine mutmaßlichen Helfer

    UWE MUNDLOS: Der Professorensohn gilt als intellektueller Kopf der Terrorzelle. Am 4. November tötete sich der 38-Jährige selbst in einem Wohnmobil.

    UWE BÖHNHARDT: Der 34-Jährige soll ein Waffennarr gewesen sein, der schnell und gerne zuschlug. Auch er wurde am 4. November tot in dem ausgebrannten Wohnmobil gefunden, wohl von Mundlos erschossen.

    BEATE ZSCHÄPE: Die 37-Jährige ist als Mittäterin wegen Mordes angeklagt. Sie stammt aus zerrütteten Verhältnissen. Aufgefallen ist die erstmal als 17-Jährige bei mehreren Ladendiebstählen. In einem Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla lernte sie Uwe Mundlos kennen. Mit Uwe Böhnhardt hatte sie später eine Beziehung. Nachdem sie am 4. November 2011 die konspirative Wohnung der Gruppe in die Luft gesprengt hatte, fuhr Zschäpe tagelang mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland, bevor sie sich der Polizei stellte.

    RALF WOHLLEBEN: Der ehemalige NPD-Funktionär sitzt seit dem 29. November 2011 in Untersuchungshaft. Er soll dem Terrortrio 1998 beim Untertauchen finanziell geholfen, ihnen Geld und auch die spätere Tatwaffe zukommen lassen haben. Der 37-jährige Fachinformatiker ist inzwischen zwar nicht mehr NPD-Mitglied. Dass er noch als NPD-Funktionär die NSU unterstützt hat, gilt aber als wichtiges Argument für ein mögliches neues NPD-Verbotsverfahren.

    HOLGER G.: Der am 14. Mai 1974 in Jena geborene G. war der erste mutmaßliche NSU-Helfer, den die Polizei festnahm. G. soll seit Ende der 90er Jahre Kontakt mit dem aus Thüringen stammenden Trio gehabt haben. Den Dreien soll er seinen Führerschein, eine Krankenversichertenkarte und noch im Jahr 2011 einen Reisepass überlassen haben. So soll er ihnen ermöglicht haben, weiterhin verborgen zu agieren und rechtsextreme Gewalttaten zu verüben.

    CARSTEN S.: Der 32-Jährige soll zusammen mit Ralf Wohlleben die Tatwaffe zu den Morden beschafft haben. Nachdem S. umfassend ausgepackt hatte, ließ ihn die Bundesanwaltschaft im Mai nach viermonatiger Untersuchungshaft wieder frei. S. sagte sich nach Auffassung der Ermittler glaubhaft vom Rechtsextremismus los. Außerdem war er zur Tatzeit erst 19 Jahre alt, ihm könnte nach dem milderen Jugendstrafrecht der Prozess gemacht werden.

    ANDRE E.: Dem aus Sachsen stammenden 33-Jährigen wirft die Bundesanwaltschaft Beihilfe zum Sprengstoffanschlag des NSU in der Kölner Altstadt vor. E. soll eine enge Bindung zu dem Trio unterhalten haben. Im Jahr 2006 gab er Zschäpe als seine Ehefrau aus. Er soll den Wohnort der Drei verschleiert haben und ihnen seit dem Jahr 2009 Bahncards beschafft haben. Diese waren auf ihn und seine Frau ausgestellt, jedoch mit den Fotos von Zschäpe und Uwe Böhnhardt versehen.

    Zschäpe schweigt bislang zu ihrer Rolle in dem Neonazi-Trio, das nach seinem Abtauchen Ende der 1990er Jahre die Terror-Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gegründet haben soll. Dem NSU werden zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und eine Serie von Banküberfällen zur Last gelegt. Mundlos und Böhnhardt waren im November nach einem gescheiterten Banküberfall in Eisenach tot in einem Wohnmobil tot in einem Wohnmobil gefunden worden, Zschäpe stellte sich der Polizei.

    Mehr Rechte für Bundesanwaltschaft gefordert

    Vor dem Hintergrund der jahrelang unentdeckt gebliebenen Terrorzelle forderte Range zudem eine Ausweitung der Rechte seiner Behörde. Die Bundesanwaltschaft brauche "mehr und klare Initiativrechte, um in der Lage zu sein, selbst zu prüfen und zu bewerten, ob wir in einem konkreten Fall zuständig sind", sagte er der FAS.

    Range betonte, bei der NPD sei keine systematische Hilfe für den NSU zu erkennen. Bei einzelnen Unterstützern gebe es eine personelle Überschneidung. "Eine strukturierte Unterstützung aus der NPD gab es nach unseren bisherigen Erkenntnissen aber nicht."

    Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt: Hatte NSU mehr Unterstützer als bekannt?

    Laut Focus soll der NSU offenbar mehr Unterstützer gehabt haben als bisher bekannt. Darauf deuteten mehrere Ausweis-Dokumente  hin, die in der abgebrannten Wohnung von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in Zwickau sichergestellt worden seien. Dem Bericht zufolge fanden Polizisten im Brandschutt des Hauses die Personalausweise  von drei Männern aus Sachsen im Alter von 29, 35 und 37 Jahren. Böhnhardt und Mundlos könnten sich demnach die Papiere besorgt haben, um ihre wahre Identität zu verschleiern.

    Nach Informationen des Spiegel berichtete der als mutmaßlicher  NSU-Unterstützer inhaftierte Holger G. den Ermittlern von erheblichen Spannungen innerhalb des Trios. So habe sich die Zelle einen heftigen Streit in Chemnitz geliefert und sich vorübergehend getrennt.

    NSU: Nach Streit zog Uwe Mundlos aus

    Nach dem Streit, der beinahe handgreiflich geworden sei, habe Mundlos demnach zeitweise eine eigene Wohnung bezogen. Diese Aussage wird dem Magazin zufolge durch einen Mietvertrag für eine Wohnung in Zwickau untermauert, der auf die Aliaspersonalien von Mundlos ausgestellt war.

    G. soll laut Spiegel darüber hinaus zu Protokoll gegeben  haben, dass er von den untergetauchten Terroristen 10.000 Mark vermutlich aus Raubüberfällen zur "Aufbewahrung" erhalten habe. Die gleiche Summe habe auch der ebenfalls inhaftierte Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben von dem Trio erhalten. AZ/afp

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden