Die spanische Polizei wirft hat dem Lokführer des Unglückzugs fahrlässige Tötung vor. Wegen dieser Anschuldigung befinde sich der Mann seit Donnerstagabend in Polizeigewahrsam, sagte der spanische Innenminister Jorge Fernández Díaz am Samstag auf einer Pressekonferenz in Santiago de Compostela. Der Lokführer, der nach Angaben des Bahnunternehmens die Unglücksstrecke gut kannte, wurde aus dem Krankenhaus in ein Polizeirevier gebracht.
"Es gibt Grund zu der Annahme, dass er für das, was geschehen ist, verantwortlich sein könnte", sagte Díaz über den 52-jährigen Bahnangestellten. Ob das tatsächlich der Fall sei, müssten nun die Ermittler und ein Richter herausfinden. Der Lokführer sei am Samstag aus der Klinik in ein Polizeirevier gebracht worden und werde am Sonntag einem Richter vorgeführt. In Spanien muss ein Verdächtiger nach spätestens 72 Stunden Gewahrsam von einem Richter angehört werden.
Lokführer verweigert Aussage
Der Lokführer, den spanische Medien als Francisco José Garzón Amo identifizierten, war am Freitag erstmals von der Polizei vernommen worden. Er weigerte sich aber, die Fragen der Ermittler zu beantworten.
Die staatliche Bahngesellschaft Renfe gab an, der Mann habe seit 30 Jahren für sie gearbeitet, darunter 13 Jahre als Lokführer. Die Strecke, auf der sich das Unglück ereignete, habe der Mann gut gekannt, sagte Renfe-Präsident Julio Gómez-Pomar im Fernsehsender Antena 3. Er sei dort zuvor 60 Mal entlang gefahren.
Viel zu schnell unterwegs
Der Schnellzug war am Mittwochabend in einer Kurve in der Nähe des Wallfahrtsortes Santiago de Compostela entgleist und gegen eine Betonmauer geprallt. Mindestens 78 Menschen kamen ums Leben, rund 180 weitere wurden verletzt. Der Lokführer erlitt leichte Verletzungen. Als wahrscheinliche Ursache für die Katastrophe gilt drastisch überhöhtes Tempo.
Überwachungskamera filmt Zug-Katastrophe Noch während er im Triebwagen eingeschlossen war, soll der Lokführer laut der Zeitung "El País" über Funk mitgeteilt haben, dass er mit 190 Kilometern pro Stunde ins Unglück gefahren sei. Erlaubt sind dort 80 Stundenkilometer. Zudem soll der Mann auf seiner mittlerweile gesperrten Facebook-Seite früher mit dem hohen Tempo seiner Zugfahrten geprahlt haben.
Neben einem möglichen Fehlverhalten des Lokführers untersuchen die Ermittler laut "El País" auch mögliche Mängel am Bremssystem. Das automatische Überwachungssystem der Bahn habe zwar wegen überhöhter Geschwindigkeit Alarm geschlagen, und der Lokführer habe danach auch gebremst, dies aber viel zu spät. Ein technisches Versagen am Zug hatte Renfe ausgeschlossen.
Noch immer nicht alle Opfer identifiziert
Laut der Lokführer-Gewerkschaft ist der größte Teil der betroffenen Strecke durch Galicien zwar mit einem automatischen Geschwindigkeitskontrollsystem ausgerüstet. Allerdings ende dieses System genau vier Kilometer vor Santiago.
Die Behörden arbeiteten am Samstag weiter daran, die letzten drei Todesopfer der Katastrophe zu identifizieren. Bislang wurden unter den Toten sieben Ausländer identifiziert - sie stammten nach Angaben aus Justizkreisen aus den USA, Algerien, Mexiko, Brasilien, Venezuela, Italien und der Dominikanischen Republik. Am Samstag wurden noch 71 Verletzte in Krankenhäusern behandelt. AFP