Spätestens nächstes Jahr sollte ihre Zeit eigentlich abgelaufen sein: 2018 hatte sich das Europäische Parlament darauf geeinigt, im Herbst 2021 ein letztes Mal an der Uhr zu drehen und die von vielen ungeliebte Zeitumstellung, die auch an diesem Wochenende ansteht, abzuschaffen. Doch im Europäischen Rat, wo die Mitgliedsstaaten über die nächsten Schritte abstimmen müssten, will sich keiner mehr mit dem Vorhaben befassen. Die EU hat die Zeitumstellung auf der Prioritätenliste deutlich abgestuft – durch die Corona-Krise dürfte sie noch weiter nach unten wandern.
Aktuell hat Kroatien den Vorsitz im Rat. Das Land sträubt sich jedoch dagegen, den Beschluss voranzutreiben. Auch in Deutschland, das ab dem zweiten Halbjahr den Ratsvorsitz übernimmt, gibt es offenbar keine Planungen dazu. Dabei waren es vor allem die Deutschen, die vom halbjährlichen Hin und Her genug hatten und vor zwei Jahren in einer von der EU-Kommission organisierten Umfrage eine Abschaffung gefordert hatten. An der Abstimmung, die auf die Initiative des damaligen Kommissions-Präsidenten Jean-Claude Juncker zurückging, hatten insgesamt 4,6 Millionen EU-Einwohner teilgenommen, mehr als zwei Drittel davon aus Deutschland.
Die Zeitumstellung hat für viele Auswirkungen auf die Gesundheit
Kritiker der Zeitumstellung beklagen vor allem die möglichen gesundheitlichen Folgen der Umstellung auf die Sommerzeit: Müdigkeit, Schlafprobleme, depressive Verstimmungen. In einer in diesem Frühjahr veröffentlichten Studie der amerikanischen University of Colorado werteten Forscher aus, dass durch einen Verzicht auf die Umstellung im Schnitt 28 tödliche Unfälle im Jahr vermieden werden könnten. In der Woche nach dem Wechsel liege das Risiko eines solchen Unfalls demnach um sechs Prozent höher als im ganzen Rest des Jahres.
Die Mitgliedsländer wurden von Junckers Vorstoß im Jahr 2018 relativ kalt erwischt. Bis heute ist in vielen Staaten nicht einmal geklärt, welche Zeit überhaupt künftig gelten soll: die mitteleuropäische Zeit, auch Winterzeit genannt, oder die mitteleuropäische Sommerzeit.
Warnung vor den folgen einer permanenten Umstellung
Aktuell werden bereits Stimmen laut, die ein Umschwenken der Europäischen Union fordern. So warnt etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie, kurz BDI, vor den Folgen einer permanenten Zeitumstellung. „Der EU-Vorschlag birgt erhebliche Risiken für die vernetzten wirtschaftlichen Abläufe auf unserem Kontinent“, betont BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. „Wenn jeder Staat seine individuelle Standardzeit festlegt, droht die einheitliche mitteleuropäische Zeitzone auseinanderzubrechen.“
Besonders der Bahn- und Flugverkehr über Grenzen hinweg würden deutlich erschwert. Lang appelliert an die Politik, mit den anderen EU-Staaten „eine stabilitätsfördernde Lösung“ zu finden.
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