Frau Gerster, Sie haben fast 23 Jahre um 19 Uhr die ZDF-„heute“-Nachrichten moderiert. An diesem Mittwoch gehen Sie das letzte Mal auf Sendung. Wie fühlt sich das an?
Peter Gerster: Ein bisschen unwirklich. Ich kann es mir noch nicht richtig vorstellen.
Eigentlich sollte schon im November Schluss sein. Was hat Sie dazu bewogen, noch einmal zu verlängern?
Gerster: Die Arbeit macht mir ja viel Freude, deshalb habe ich der Bitte des ZDF gern entsprochen und ein halbes Jahr drangehängt, auch in der Hoffnung, noch das Ende der Pandemie verkünden zu dürfen, samt aller Einschränkungen. Hat leider nicht geklappt.
Was war die wichtigste Nachricht Ihrer Karriere?
Gerster: Schwer zu sagen. Es gibt viele Ereignisse, die sich mir eingeprägt haben, weil sie erschütternd waren: der Tsunami im Indischen Ozean, Fukushima, die schrecklichen Anschläge 2015 in Paris.
Bekannt wurden Sie über das ehemalige ZDF-Frauenjournal „ML Mona Lisa“, das Sie zehn Jahre bis 1999 moderiert haben. Warum sind Sie damals in die harte Nachrichtenbranche gewechselt?
Gerster: Nach zehn Jahren Frauenjournal war Zeit für etwas Neues. Ich war schon mal zu Anfang meiner Fernsehlaufbahn Nachrichtenredakteurin beim WDR, das Politische daran fand ich immer hoch spannend. Daher sagte ich sofort zu, als das Angebot aus Mainz kam.
Sie sind jetzt 66 Jahre alt. Wie wichtig ist das Thema, dass zu wenige Frauen über 50 im Fernsehen zu sehen sind, heutzutage noch?
Gerster: Da ich seit etwa zwei Jahrzehnten die älteste Moderatorin in der Primetime bin, ist das Thema nach wie vor aktuell. Ich hoffe aber, dass es Frauen nach mir leichter haben, vor der Kamera ebenso alt werden zu dürfen wie die Männer.
Sie haben wütende Reaktionen bekommen, seit Sie begonnen haben, in der „heute“-Sendung zu gendern. Sie machen dann nach manchen Substantiven eine Minipause und fügen „...Innen“ hinzu. Warum finden Sie das wichtig?
Gerster: Gendern bedeutet, Frauen auch sprachlich sichtbar zu machen, denn die Welt besteht ja nicht nur aus Männern. Dass sie bisher im sogenannten generischen Maskulinum – also im männlichen Plural – verschwanden, ist historisch gewachsen. Bis zum 20. Jahrhundert traten Frauen in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung, waren – bis auf dienende Funktionen wie Wäscherin, Näherin oder Hebamme – auch nicht berufstätig. Das generische Maskulinum ist heute veraltet, es bildet unsere Wirklichkeit nicht mehr ab, sondern diskriminiert Frauen.
Warum löst Gendern aber bei so vielen Menschen so viel Unmut aus?
Gerster: Wir sind nun mal alle mit derselben patriarchalen Sprache aufgewachsen, sie ist uns einfach vertraut. Wir haben uns jahrzehntelang nichts dabei gedacht, beispielsweise von „Lehrern“ zu sprechen, auch wenn es inzwischen mehr Lehrerinnen als Lehrer gibt. Ich verstehe den Unmut bei Älteren sogar, ich musste mich ja auch erst ans Gendern gewöhnen. Aber die Gesellschaft verändert sich gerade rasend schnell, und die Sprache verändert sich mit ihr. Das ist nichts „von oben“ Oktroyiertes, das ist ein natürlicher Prozess. Jüngere Menschen haben damit kein Problem.
Mit 30 Jahren wurde bei Ihnen ein gerade noch gutartiger Tumor in der Wirbelsäule entdeckt. Sie mussten sieben Wochen im Gipsbett liegen. Neun Jahre später dieselbe Prozedur noch einmal. Wie übersteht man so etwas?
Gerster: Unsere beiden Familien und auch Freunde haben sehr geholfen, vor allem, als beim zweiten Mal zwei kleine Kinder da waren. Die haben unsere Geschwister abwechselnd mitversorgt, meine Schwester zog zeitweise sogar zu mir ins Krankenzimmer. Das war großartig.
Ihren Mann Christian Nürnberger lernten Sie per Anzeige in der „Zeit“ kennen. Würden Sie die Methode der Paarbildung weiterempfehlen?
Gerster: Ein kleiner Text sagt – wenn er originell ist – jedenfalls mehr über einen Menschen aus als ein Foto, wie zum Beispiel bei Tinder. Und wenn man sich – wie wir – erst mal lange Briefe schreibt, bevor man sich persönlich kennenlernt, kann das eine ganz solide Ausgangsbasis sein. Hält nun seit immerhin 39 Jahren.
Wie hält eine Ehe, in der beide Partner beruflich so engagiert sind, diesen Belastungen stand?
Gerster: Das Geheimnis liegt darin, dass wir nicht nur beide politische Journalisten sind, sondern auch unerschöpflich miteinander reden, streiten und lachen können. Ich kann mir einfach keinen Menschen denken, mit dem ich lieber meine Zeit verbrächte.
Wie hat sich in dieser langen Zeit das Nachrichtengeschäft verändert?
Gerster: Es ist – durch die Digitalisierung – schneller geworden. Und anspruchsvoller. Denn seit es die sozialen Netzwerke gibt, in denen sich unkontrolliert Fake News verbreiten, genügt es nicht mehr, nur das zu tun, was immer schon unsere Aufgabe ist: so objektiv wie möglich zu berichten und das Berichtete einzuordnen. Jetzt achten wir noch stärker darauf, die Quellen zu prüfen und Fakten von Fakes zu trennen.
Mit 66 Jahren fängt laut Udo Jürgens bekanntlich das Leben erst an. Was haben Sie vor?
Gerster: Mit meinem Mann wieder ein Buch schreiben. Danach kommt ein Welpe ins Haus. Aber ob es ein Schnauzer oder Terrier oder wieder ein Mischling wird, ist noch nicht ausdiskutiert.
Vor kurzem ging ein anderes bekanntes Nachrichtengesicht: Jan Hofer verabschiedete sich bei der ARD-„Tagesschau“. Zuletzt war er bei RTL für „Let’s Dance“ im Einsatz. Wie sieht es mit Ihren Tanzkünsten aus?
Gerster: Ich tanze gern, aber das muss nicht in der Öffentlichkeit stattfinden.
Wenn Sie sich eine Nachricht wünschen dürften: Wie würde sie lauten?
Gerster: Als Schlagzeile für den „heute“-Überblick: Pandemie endgültig weltweit im Griff, das Leben wird wieder normal.
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