Geschlechtergerechte Sprache: Wozu braucht es das überhaupt? Dazu folgender Auszug aus dem Buch "Alle Menschen werden Schwestern" der Linguistin Luise F. Pusch: „Männer werden immer richtig eingeordnet, Frauen fast nie, denn in unserer Sprache gilt die Regel: 99 Sängerinnen und 1 Sänger sind zusammen 100 Sänger. Futsch sind die 99 Frauen, nicht mehr auffindbar, verschwunden in der Männerschublade.“
Die Vormachtstellung der Männer in unserer Gesellschaft manifestiert sich auch in Struktur und Vokabular unserer Sprache - so lautet eine Grundthese feministischer Sprachkritik. Die männliche Dominanz in der Sprache festige die nachgeordnete Stellung der Frau. Verständlicher ausgedrückt: Frauen werden durch unsere Sprache unterdrückt.
Feministische Sprachkritiker beziehen sich dazu gern auf die Sapir-Whorf-Hypothese, die besagt, dass Sprache das Denken forme. Sie fordern deshalb, die Sprache zu verändern, um einen Bewusstseinswandel zu erzielen. Indem Frauen sprachlich gleichgestellt werden, soll auch die Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft vorangetrieben werden.
Klingt kompliziert, ist aber eigentlich gar nicht so schwierig. Die gängigsten Mittel, um Frauen in der Sprache sichtbarer zu machen, zeigen wir hier auf.
- Generisches Maskulinum
Linguisten sprechen vom 'generischen Maskulinum', wenn männliche Bezeichnungen verwendet werden, um eine Allgemeinheit oder gemischtgeschlechtliche Gruppen zu bezeichnen (siehe eingangs genanntes Sänger-Beispiel).
Ein weiteres Beispiel: "Ärzte wollen Leben retten." (männliche Ärzte ebenso wie weibliche)
Bei manchen Autoren findet sich zu Textbeginn der explizite Hinweis, dass das verwendete Maskulinum ein "generisches Maskulinum" sei. Das heißt, dass die männliche Bezeichnung die weibliche immer mit einschließt und lediglich der besseren Lesbarkeit halber verwendet wird. So hält unsere Redaktion es ebenso in den meisten Fällen.
- Generisches Femininum
Seit 2013 benutzt die Universität Leipzig das generisches Femininum, also generell die weibliche Form. Die Begründung damals war, dass die Schrägstrich-Schreibweise den Lesefluss störe. Fußnoten weisen darauf hin, dass die feminine Bezeichnung auch für männliche Personen gilt.
Beispiel: "Teilnehmerinnenliste" statt "Teilnehmerliste", der Titel "Professorin" gilt auch für Männer
- Doppelnennung
Wie die Doppelnennung funktioniert, erklärt sich quasi von selbst: Es werden explizit beide Geschlechtsvarianten genannt. Der Duden schreibt: "Die Doppelnennung ist die höflichste und eindeutigste Variante der sprachlichen Gleichstellung."
Beispiel: Lehrerinnen und Lehrer vermitteln ihren Schülerinnen und Schülern den Unterrichtsstoff.
In der Anrede ist diese Form vollkommen üblich: "Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen."
- Neutralisierung
Die Verwendung geschlechtsindifferenter Personenbezeichnungen wird Neutralisierung genannt. Hierbei gibt es verschiedene Möglichkeiten: Entweder kann eine sogenannte nicht-differenzierende Form verwendet werden.
Beispiel: "Autofahrende" statt "Autofahrer", "Teilnehmende" statt "Teilnehmer"
Alternativ können Begriffe verwendet werden, die zwar grammatikalisch ein Geschlecht besitzen, aber dennoch geschlechts-indifferent sind.
Beispiel: die Person, der Mensch, die Lehrkraft, das Kollegium, die Geschäftsleitung
- Umschreibung
Ein bisschen Kreativität ist in der gendergerechten Sprache durchaus erwünscht. So lassen sich Formulierungen, in denen nur die männliche Form verwendet werden würde, durch alternative, unmissverständliche Formulierungen umschreiben.
Beispiel: "Ansprechpartner ist..." wird zu "Auskunft gibt...", "Es gab 15 Teilnehmer" wird zu "Teilgenommen haben 15 Personen".
- Schrägstrichschreibweise
Durch Schreibweisen mit Schrägstrich werden die männliche und weibliche Form gleichzeitig genannt, allerdings in verkürzter Form.
Beispiel: Lehrer/innen, Schüler/innen
Der Verwendung der Schrägstrichvariante sind aus grammatischen Gründen jedoch häufig Grenzen gesetzt. Wortpaare, bei denen die feminine Form nicht nur durch Anhängen einer Endung an die maskuline gebildet wird, lassen sich nicht einfach durch den Schrägstrich verkürzen, erklärt die Duden-Redaktion.
Beispiel: In Fällen wie Kollege/Kollegin oder Arzt/Ärztin müssen beide Formen ganz ausgeschrieben werden.
- Klammerschreibweise
Ähnlich wie die Schrägstrichschreibweise funktioniert die Schreibweise mit Klammern. Sie wird verwendet, wenn die geschlechtsspezifische Form nicht am Wortende, sondern im Inneren erscheint. Die Klammerschreibweise kann aber auch am Wortende verwendet werden.
Beispiel: Kolleg(inn)en, Kindergärtner(innen)ausbildung; Lehrer(in), Schüler(in)
Die eingeklammerte Wortvariante muss laut Duden allerdings ebenso korrekt geschrieben werden wie das Gesamtwort. Arzt(in) oder Ärzt(in) funktioniert also nicht.
- Binnen-I
Wenn innerhalb eines Wortes das I als Großbuchstabe zwischen Kleinbuchstaben auftaucht, sprechen Linguisten vom Binnen-I. Der Buchstabe soll kenntlich machen, dass bei einem Wort sowohl die männliche als auch die weibliche Form gemeint ist, ohne beide Formen auszuschreiben oder das generische Maskulinum zu verwenden.
Beispiel: SchülerInnen, PianistInnen, PfarrerInnen
- Gendergap, Gendersternchen, Gender-X
Als Alternative zum Binnen-I kann auch das Gendergap verwendet werden.
Beispiel: Schüler_innen, Pianist_innen, Pfarrer_innen
Das Gendersternchen ist Anfang der Woche zum "Anglizismus des Jahres 2018" gekürt worden. Bekannt ist es auch als Gender-Star. Gemeint ist damit das Schriftzeichen * zwischen Wortstamm und weiblicher Nachsilbe. Der Stern soll es ermöglichen, alle Geschlechter zugleich anzusprechen.
Beispiel: Lehrer*in, Gärtner'in
Alternativ gibt es auch noch das Gender-x, um nicht nur Menschen anzusprechen, die sich als Mann oder Frau identifizieren, sondern alle Geschlechter.
Beispiel: "Lehrx" statt "Lehrerin" oder "Lehrer", "Professx" statt "Professorin" oder "Professor"
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