Bis zu 32 Zentimeter Neuschnee, Windböen von bis zu 80 Kilometern pro Stunde und meterhohe Verwehungen: Der erwartete Schneesturm hat vor allem die Mitte Deutschlands getroffen - und er war am Sonntag noch nicht ausgestanden. Im Fernverkehr der Bahn kam es zu größeren Einschränkungen.
Schneeberge in Ostwestfalen, Eisregen im Ruhrgebiet: Der heftige Wintereinbruch brachte die Räumdienste an ihre Grenzen. Die Polizei musste spiegelglatte Autobahnen sperren, es gab Hunderte Unfälle, bei der Bahn fielen Züge wegen vereister Oberleitungen aus. Busse standen vielerorts still. In Städten wie Bielefeld waren zahlreiche Straßen nicht passierbar. Autos blieben in tiefen Schneewehen stecken. In Hagen stürzte wegen der großen Schneemassen ein Zirkuszelt ein. 13 Tiere wurden gerettet. Die sieben Pferde, zwei Kamele, zwei Ziegen sowie zwei Lamas, die sich in dem Zelt befanden, blieben laut Polizei unverletzt.
Bundesliga: Partie zwischen Arminia Bielefeld und Werder Bremen muss verschoben werden
Auch die Fußball-Bundesliga blieb nicht verschont: Das Bundesliga-Heimspiel von Arminia Bielefeld gegen Werder Bremen am Sonntagabend ist wegen des massiven Wintereinbruchs in der Region abgesagt worden. Die ordnungsgemäße Durchführung des Spiels sei nicht gewährleistet, teilte die Deutsche Fußball Liga mit. Die Entscheidung sei wegen der "starken und anhaltenden Schneefälle in Verbindung mit Frost" im Einvernehmen mit dem Schiedsrichter getroffen worden.
Für die Begegnung in der Fußball-Bundesliga muss nun ein neuer Termin gefunden werden. Dieser solle zeitnah bekanntgegeben werden, teilte die DFL mit. Nach Angaben von Arminias Medienchef Daniel Mucha hatte der Club zuvor noch alles versucht, um den Platz bespielbar zu machen. Mitarbeiter sollten den Rasen vom Schnee befreien. Zuvor war bereits das Heimspiel des SC Paderborn gegen den 1. FC Heidenheim in der 2. Bundesliga wegen der starken Schneefälle abgesagt worden.
Ostwestfalen ist von dem Wintereinbruch, der am Samstagabend begonnen hatte, besonders betroffen. In der Nacht hatte es dort teils bis zu 30 Zentimeter Schnee gegeben. Am Sonntag schneite es weiter. Auch die Autobahn A2 von Dortmund in Richtung Hannover wurde zwischen Bielefeld-Süd und Bielefeld-Ost wegen des massiven Schneefalls am Sonntagmorgen zeitweise gesperrt. Der Winterdienst war am Bielefelder Berg nicht mehr mit dem Räumen der Fahrbahn hinterhergekommen. Nach rund zwei Stunden wurde die Strecke wieder für den Verkehr freigegeben. Auch im Bielefelder Stadtgebiet waren zahlreiche Straßen nicht passierbar. Autos seien in tiefen Schneewehen steckengeblieben, berichtete ein dpa-Fotograf.
Wintereinbruch sorgt vor allem in NRW für Chaos auf den Straßen
In ganz NRW zählte die Polizei seit Samstagnachmittag 222 Unfälle aufgrund des Wetters, wie ein Sprecher der Landesleitstelle der Polizei am frühen Sonntagmorgen sagte. Dabei seien zwei Menschen schwer und 26 leicht verletzt worden. Der Sachschaden belaufe sich auf etwa eine Million Euro. In NRW stellten mehrere Städte und Kreise außerdem den Busverkehr komplett ein - etwa Münster und Dortmund. Auf den Autobahnen in den Regierungsbezirken Münster und Detmold ordneten die Behörden ein Fahrverbot für Lastwagen ab 7,5 Tonnen an. Es gelte vorerst bis 12.00 Uhr, sagte ein Sprecher der Landesleitstelle der Polizei am Sonntagmorgen.
Auf vielen Autobahnen vor allem im Münsterland, in Ostwestfalen und im Ruhrgebiet kam es nach Angaben der Verkehrszentrale NRW zu Staus und Verzögerungen - Autos konnten vielerorts nur sehr langsam fahren. "Wo der Räumdienst war, türmt sich kurze Zeit später wieder der Schnee", berichtete eine dpa-Reporterin aus dem Kreis Minden-Lübbecke im äußersten Nord-Osten Nordrhein-Westfalens.
Die Winterdienste waren in Nordrhein-Westfalen auf einen der größten Einsätze seit Jahren eingestellt. Behörden hatten appelliert, dass Autofahrer, wenn überhaupt nötig, nur mit vollem Tank, Winterreifen und Decken zum Wärmen loszufahren sollten.
Osthessen: Sattelzüge können Steigung nicht überwinden
Auf den Autobahnen in Osthessen ist der Verkehr in der Nacht zum Sonntag zeitweise zum Erliegen gekommen. Mehr als 55 Sattelzüge hätten aufgrund der glatten Fahrbahn und ihres Gewichts die Steigungen nicht überwinden können, teilte die Polizei in Bad Hersfeld am Sonntag mit.
In der Steigungsstrecke im Knüllwald zum 448,1 Meter hohen Pommer in Richtung Kassel sei der Verkehr von Mitternacht bis vier Uhr morgens komplett zum Erliegen gekommen. 35 Sattelzüge hatten sich auf allen drei Fahrspuren aufgrund der Schneeglätte festgefahren. Mehrere Streifen der Autobahnpolizei und Streufahrzeuge konnten den Verkehr nach vier Stunden wieder zum Fließen bringen. In der Gegenrichtung war die Steigungsstrecke zum Pommer für etwa zwei Stunden blockiert - zehn Sattelzüge hatten sich festgefahren.
Etwa zehn Sattelzüge waren zuvor an der Autobahn 7 nahe Kirchheim liegen geblieben. Die anderen Fahrbahnen hätten weiter befahren werden können. Die Steigung nach Friedewald auf der Autobahn 4 konnten ebenfalls mehrere Sattelzüge nicht überwinden. Sie blockierten die Autobahn aber nicht vollständig.
Schneechaos sorgt für Probleme bei der Bahn
Nicht nur auf den Straßen, sonder auch im Fernverkehr der Bahn kam es zu Beeinträchtigungen. Zwischen Hamburg und Nordrhein-Westfalen sowie zwischen Hamburg und Hannover verkehrten keine Züge - zwischen Hamburg und Berlin komme es zu Einschränkungen, teilte die Deutsche Bahn auf ihrer Internetseite mit. Ebenfalls nicht vom Fernverkehr angefahren werde die Region Leipzig/Halle. "Besonders starker Wind und Schneeverwehungen machen den Einsatzkräften zu schaffen", hieß es. Der Fernverkehr zwischen Deutschland und den Niederlanden wurde eingestellt.
In NRW und Niedersachsen gab es auch Probleme im Regionalverkehr - ebenso in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Die Situation an den Bahnhöfen sei aber ruhig. Die meisten Menschen hätten sich an die Empfehlung des Deutschen Wetterdienstes gehalten und seien zuhause geblieben. In NRW stellten mehrere Städte und Kreise den Busverkehr komplett ein - etwa Münster und Dortmund.
Deutscher Wetterdienst: Schneesturm ist noch nicht vorbei
Der Deutsche Wetterdienst in Offenbach betonte am Morgen, der Schneesturm sei noch nicht vorbei. "Hotspots sind der Niederrhein, das Münsterland, Ostwestfalen, das nördliche Thüringen, das südöstliche Niedersachsen und das südliche Sachsen-Anhalt", sagte Meteorologe Simon Trippler.
Mit fünf bis zehn Zentimetern Schnee, lokal auch bis zu 20 Zentimetern müsse im Laufe des Sonntags noch gerechnet werden. Der Wind halte auch weiterhin an mit Sturmböen von bis zu 70 Kilometern pro Stunde. "Das ist auf keinen Fall durchgestanden. Damit müssen wir bis heute Abend warten."
Der Norden von Nordrhein-Westfalen, das südliche Niedersachsen, das nördliche Thüringen und Sachsen-Anhalt seien in den nächsten Stunden besonders betroffen. In der Nacht werde es im Norden Bayerns, im Süden Thüringens und in Südwest-Sachsen schneien. Die Meteorologen rechnen mit 10 bis 25 Zentimetern Neuschnee in zwölf Stunden. "Aber ohne dicke Winde."
Wintereinbruch: Obdachlose besonders schutzlos
Besonders schutzlos der Kälte ausgesetzt sind Menschen ohne festen Wohnsitz. In der eiskalten Winternacht haben Einsatzkräfte etwa in Nordrhein-Westfalen zahlreiche Obdachlose angesprochen und in warme Unterkünfte gebracht. Bei ihren Streifengängen hätten die Kollegen besonders auf Menschen geachtet, die die Nacht trotz des heftigen Wintereinbruchs im Freien verbracht hätten, teilte die Polizei Hagen am Sonntagmorgen mit. Sie seien dann geweckt worden und hätten Hilfe angeboten bekommen.
Auch in Berlin wurde ein großes Obdachlosen-Camp geräumt, was allerdings auch auf Kritik stieß. Linke Gruppen hatten am Samstag zum Protest aufgerufen und gefordert, dass die ehemaligen Bewohner des Camps dorthin zurückkehren dürfen.
Deutschland geteilt: Deutlich mildere Temperaturen im Süden
Ganz anders zeigte sich das Wetter am Samstag hingegen im Süden, wo die Menschen deutlich mildere Temperaturen erwarten. Der Grund: Während über der Mitte Deutschlands Kaltluft arktischen Ursprungs liegt, lenken Tiefdruckgebiete über Westeuropa laut DWD sehr milde Luft nach Bayern und Baden-Württemberg.
Ein DWD-Sprecher verwies dabei kürzlich auf den sogenannten Polarwirbel-Split. Normalerweise bewegt sich dieser Luftwirbel kreisförmig direkt über der Region des Nordpols - daher auch der Name. Der Wirbel verstärkt sich regelmäßig im Winter, wenn kein Sonnenlicht die Atmosphäre dort erwärmen kann und diese sich zunehmend abkühlt, was zu einem Druckabfall in der Höhe führt. Kommt es zu einem "Ausbruch", teilt sich der Wirbel und kann sich verlagern. "So einen Ausbruch gibt es immer wieder mal - aber diesmal erwischt es uns voll", sagte der Experte.
In Teilen Nordrhein-Westfalens, Niedersachsens und Sachsen-Anhalts galt am Samstag die Höchste Warnstufe des DWD. Am Alpenrand gab es Warnungen vor schweren Sturmböen, im Norden und der Mitte vor Sturm- und Windböen. Im Vorfeld hatten Meteorologen von einem "denkwürdigen Ereignis mit Seltenheitswert" - und Vergleiche zum Winter 1978/79 gezogen, als bei einer Schneekatastrophe in Norddeutschland das Verkehrs-, Versorgungs- und Kommunikationsnetz zusammenbrach. (dpa/AZ)
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