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Wetter: Gewaltforscher: Hitze macht aggressiv

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Gewaltforscher: Hitze macht aggressiv

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    Hohe Temperaturen lassen den Blutdruck steigen – und sind für den Kreislauf purer Stress. Kein Wunder, dass auch die Psyche reagiert.
    Hohe Temperaturen lassen den Blutdruck steigen – und sind für den Kreislauf purer Stress. Kein Wunder, dass auch die Psyche reagiert. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Stellen Sie sich vor, Sie stehen bei 35 Grad im Schatten im Stau. Es ist die Hölle. Nach einigen Stunden fällt die Klimaanlage Ihres Wagens aus. Der Schweiß tropft Ihnen in den Nacken, doch Sie sehen schon das Ende der Tortur. Dann – rums – baut Ihr Vordermann einen Unfall. Wieder müssen Sie warten. „Wenn wir dann schon genervt sind, steigen wir in dem Moment aus dem Auto“, sagt Andreas Zick, Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. Es ist nur ein Beispiel für die These vieler Forscher: Hitze macht aggressiv.

    Selbst kleine Temperaturabweichungen erhöhen das Konfliktrisiko

    Zu diesem Schluss kommt auch eine neue US-Studie zu dem Thema. Die Forscher berichten in ihrem Beitrag für das Fachmagazin Sience, selbst kleine Abweichungen von der üblichen Temperatur oder Regenmenge erhöhen das Risiko von Konflikten. Sie fanden in solchen Situationen unter anderem einen Anstieg häuslicher Gewalt in Indien und Australien, mehr Körperverletzungen und Morde in den USA und Tansania und gewalttätige Polizeieinsätze in Holland.

    Es ist ein Feld, das vor allem Wissenschaftler in den USA seit den siebziger Jahren umtreibt. Schon damals hätten Sozialpsychologen aus Polizeistatistiken den „long, hot summer effect“ abgeleitet – den Effekt eines langen, heißen Sommers, berichtet Zick. „Es wurde beobachtet, dass es dann einen Anstieg von Gewalt gibt“, sagt er. Schließlich stiegen mit den Temperaturen auch die Möglichkeiten für Gewalttäter. „Hitze schafft Gelegenheit“, betont Zick. Ob am Badesee oder auf der Straße, je mehr Menschen unterwegs seien, desto mehr müssten wir miteinander auskommen.

    Hohe Temperaturen steigern die Gewaltbereitschaft

    Der Zusammenhang zwischen Hitze und Gewaltbereitschaft ist nicht neu. So haben Studien nachgewiesen, dass Fußballfans bei hohen Temperaturen gewaltbereiter seien. Professor Craig Anderson von der Universität in Iowa (USA) veröffentlicht seit Jahren zu dem Thema und fand unter anderem heraus, dass Klimaanlagen in Gefängnissen und Schulen Gewalttaten vorbeugen könnten. Auch Anthropologen und Ethnologen kennen das Thema.

    Selbst bekannte Angewohnheiten in südlichen Ländern, wie zum Beispiel die Siesta, lassen sich nach Zicks Ansicht darauf zurückführen. „Das ist auch ein Schutzmechanismus“, berichtet er. Doch nicht jeder wird bei hohen Temperaturen gleich zum Schläger, schränkt Zick ein. „Es gibt nicht diesen simplen Effekt: Wenn es heiß ist, steigt die Gewaltbereitschaft.“ Dazu müssten wir uns schon vorher über die Hitze ärgern – zum Beispiel im Stau. Und selbst dann neigen friedvolle Menschen nicht zu überraschenden Ausbrüchen. „Nur wenn das Schema im Kopf schon Gewalt zulässt, kann Hitze die Aggressivität steigern.“ Um Menschen, die zu Aggressivität neigen, könne man sich während einer Hitzewelle also tatsächlich Sorgen machen, betont Zick.

    Gefährlicher Mix könnte weltweit zu mehr Konflikten führen

    In Verbindung mit der Klimaerwärmung ist die Wechselwirkung von Wärme und Gewaltbereitschaft ein gefährlicher Mix, warnen die Forscher der neuen Studie. Denn sollten kommende Generationen sich nicht an die hohen Temperaturen anpassen, könnten diese bald zu mehr Konflikten rund um die Welt führen.

    Da hilft nur: Einen kühlen Kopf bewahren, rät Zick. Im wahrsten Sinne des Wortes: „Das kognitive Schema können wir selbst einstellen“, betont er. Dazu müssten wir unsere Stirn kühl halten, indem wir zum Beispiel den Kopf ein bisschen senken. „Dann sinkt auch die Aggressionsbereitschaft“, erklärt Zick. Wenn die Gefühle allerdings schon hochkochen, hilft besser gleich ein kühler Lappen – zum Beispiel im Stau. (mit dpa)

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