Nach den verheerenden Waldbränden der vergangenen zwei Tage hat sich die Lage in Griechenland leicht entspannt. Feuerwehrkräfte konnten bis zum frühen Mittwochmorgen fast alle Brände unter Kontrolle bringen. Lediglich in einer Region rund 70 Kilometer westlich von Athen gab es noch ein Feuer auf einem Berg, wie der griechische Minister für Bürgerschutz, Nikos Toskas, im griechischen Fernsehen (ERT) mitteilte.
Unterdessen ist die Zahl der Todesopfer auf 79 gestiegen. Die Suche nach weiteren möglichen Todesopfern werde fortgesetzt, teilte Feuerwehrsprecherin Stavroula Maliri am Mittwoch mit. Nach Angaben der Regierung waren außerdem rund 190 Menschen verletzt worden.
Zahl der Toten kann noch steigen
Bürgermeister der Region befürchteten, dass die Zahl der Toten sogar dreistellig werden könnte, da noch zahlreiche Menschen vermisst werden. Insbesondere im Ferienort Mati und in Kokkino Limanaki, einem Viertel der rund 40 Kilometer von Athen entfernten Hafenstadt Rafina, wurden noch weitere Opfer befürchtet. Verwandte der Vermissten richteten ein Internet-Portal mit Fotos der Menschen ein, deren Schicksal unbekannt ist.
Unterdessen ist Hilfe angelaufen: Im Westen Athens operieren rund 60 zyprische Feuerwehrleute, die am Dienstagabend als Teil der EU-Hilfe nach Griechenland gekommen waren.
Am Mittwochvormittag sollen auch zwei italienische Löschflugzeuge eingesetzt werden. Ein rumänisches Löschflugzeug sollte am Nachmittag dazustoßen.
"Wir sind bereit, falls es von der griechischen Seite beantragt werden sollte, weitere Hilfe zu leisten", erklärte am späten Dienstagabend der für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissar Christos Stylianidis im griechischen Fernsehen. Er war in Athen eingetroffen, um sich ein Bild von der Lage zu machen.
Stylianidis wertete die verheerenden Brände als Folge des Klimawandels. "Der Klimawandel ist keine "Fake News"", sagte Stylianidis. Das sei daran zu erkennen, dass dieses Jahr schwere Brände nicht nur im Süden, sondern auch im Norden Europas wie beispielsweise in Schweden toben
Waldbrände: Viele Kinder wurden verletzt
164 Erwachsene und 23 Kinder sind bisher bei den Waldbränden verletzt worden. Alle Kinder seien außer Lebensgefahr, sagte die Sprecherin. Allerdings gebe es noch eine bislang unbekannte Zahl vom Vermissten.
Die Feuerwehr rief alle Bürger auf, sich bei den Behörden zu melden, sofern Bekannte oder Verwandte vermisst werden. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach telefonisch mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras und sicherte ihm Hilfe für sein Land zu, hieß es.
Fischer, die Küstenwache und Urlauber mit Schlauchbooten konnten mehr als 700 Menschen in Sicherheit bringen, die an Stränden und felsigen Küstenabschnitten Zuflucht vor den Flammen gesucht hatten. Die meisten Brände wurden in der Nacht unter Kontrolle gebracht, nachdem die Winde nachgelassen hatten. Tausende Menschen übernachteten im Freien, in Autos und Sporthallen, wie das Staatsfernsehen berichtete.
Region rund um die Hafenstadt Rafina besonders betroffen
Die schwersten Schäden entstanden anscheinend im Osten Athens in der Region der Hafenstadt Rafina. Deren Stadtteil Mati wurde fast vollständig zerstört. Das Fernsehen zeigte Bilder von ganzen Straßenzügen mit völlig niedergebrannten Häusern.
Tausende Menschen flohen aus der Region. Hunderte retteten sich vor den Flammen ins Meer. Stundenlang zogen Fischer und vorbeifahrende Schiffe Anfang der Woche die Menschen aus den Fluten.
Hunderte Häuser und Autos in Griechenland zerstört
Die Brände waren so groß, dass Rauchwolken über Athen hingen und die Sonne verdunkelten.
Mehrere Bürgermeister schilderten Reportern, dass allein im Osten Athens mehr als 200 Häuser und Hunderte Autos zerstört oder beschädigt worden seien.
"Es ist das sogenannte schlimmste Szenario eingetreten", sagte der Chef des griechischen Zivilschutzes, Giannis Kapakis, im Fernsehen. Die Flammen wüteten in einem dicht mit Pinien bewaldeten Gebiet, wo es überall Ferienhäuser gibt. Viele Einwohner flüchteten in Panik, mehrere Kinder-Zeltlager mussten evakuiert werden.
Strom, Telefon und Internet fielen in einigen Regionen aus. Wegen der starken Rauchbildung wurden die Autobahn und die Bahnstrecke zwischen Athen und Korinth gesperrt.
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras brach einen Besuch in Bosnien-Herzegovina vorzeitig ab und eilte nach Athen zurück. "Meine Gedanken sind bei den Menschen und den Einsatzkräften", sagte er dem griechischen Fernsehsender ERT. Er äußerte den Verdacht, dass Brandstifter hinter den Feuern stecken könnten.
Zurzeit herrschen in Griechenland Temperaturen um die 40 Grad. Zudem wehten in der betroffenen Region Windböen der Stärke sieben.
Waldbrände auch in Schweden
Auch in Schweden sind die großen Waldbrände weiter außer Kontrolle, viele kleinere Feuer aber konnten die Rettungskräfte inzwischen löschen. Am Montagnachmittag wüteten laut Notrufzentrale noch 25 Brände im ganzen Land - halb so viele wie am Wochenende.
Seit mehreren Tagen sind auch fünf deutsche Hubschrauber und ihre Besatzungen im Einsatz in Skandinavien. Weil die Schweden keine eigenen Löschflugzeuge haben und auf solche Großbrände nicht vorbereitet waren, hatten sie in der EU um Hilfe gebeten. Insgesamt seien sieben Flugzeuge, sieben Helikopter, 60 Fahrzeuge und 340 Feuerwehrleute aus Italien, Frankreich, Deutschland, Litauen, Dänemark, Portugal, Polen und Österreich geschickt worden, erklärte die EU-Kommission.
Die Löscharbeiten sind nicht ungefährlich. Am Sonntagabend mussten vier schwedische Feuerwehrleute per Helikopter gerettet werden, weil sie von einem plötzlich wachsenden Feuer eingeschlossen wurden. Dänische Helfer sagten dem dortigen Rundfunk, es sei ihnen bisher gelungen, zu verhindern, dass die Flammen auf ein Kraftwerk übergriffen. Doch die Gefahr sei noch nicht gebannt.
Zwei weitere Löschflugzeuge aus Portugal
Am Sonntag brannte es in ganz Schweden auf rund 25.000 Hektar Land - einer Fläche mehr als 70 Mal so groß wie der Central Park in New York. Allein die vier größten Brände in Mittelschweden wüten auf 20.000 Hektar. Die Rettungskräfte gehen davon aus, dass das Feuer erst in einigen Wochen wirklich unter Kontrolle sein wird. Bis die Brände vollständig gelöscht seien, könne es schon 2019 sein und Schnee liegen, sagte ein Sprecher des schwedischen Radios.
Am Dienstagmorgen wüteten noch rund 20 Brände im ganzen Land. Die meisten Retter arbeiten an den vier größten Feuern in Mittelschweden. Dort, in der Region Dalarna, hatten auch die 52 deutschen Feuerwehrleute am Dienstag ihren ersten vollen Einsatztag.
Ein Lichtblick sei derzeit, dass die Begrenzungen hielten. Die Feuer breiteten sich derzeit also kaum weiter aus, erklärte der Katastrophenschutz. Löschen kann man die größten Brände allerdings weiterhin nicht.
Am Mittwoch werden laut schwedischem Fernsehen zwei weitere Löschflugzeuge aus Portugal in der Region erwartet. Innenminister Morgan Johansson sagte, es sei unklar, ob Schweden wegen des schlimmen Waldbrands in Griechenland mit mindestens 50 Toten auf internationale Hilfe verzichten müsse. Die Ressourcen der EU müssten natürlich da zum Einsatz kommen, wo sie am meisten gebraucht würden.
Wetterdienst warnt vor extremen Temperaturen
In dieser Woche könnte sich die Lage sogar noch einmal zuspitzen. Der Wetterdienst warnt vor extrem hohen Temperaturen von deutlich über 30 Grad. Vor allem im Süden des Landes sei die Brandgefahr hoch. Der Katastrophenschutz schickte daher eine Mitteilung an alle Schweden: "Das Brandrisiko erreicht in dieser Woche extremes Niveau", erklärte die Behörde darin. "Die Lage ist extrem ernst. Wir fordern alle auf, Verantwortung zu übernehmen und den lokalen Feuerverboten Folge zu leisten." Zuletzt hätten immer noch einige Grills und Lagerfeuer entzündet, was derzeit sehr gefährlich sei. (dpa/AZ)