Nach Frankreich, Österreich und anderen europäischen Ländern verbietet auch die Schweiz muslimischen Frauen künftig die Verschleierung mit Nikab oder Burka in der Öffentlichkeit. Bei einer Volksabstimmung sprachen sich die Schweizer ganz knapp für das Verbot aus: Die Ja-Stimmen lagen bei 51,21 Prozent, wie das Schlussresultat am Sonntagabend zeigte. An der Abstimmung hatte aber nur gut die Hälfte der Schweizer überhaupt teilgenommen. Die Stimmbeteiligung lag bei 51,4 Prozent. Die Regierung hatte für eine Ablehnung geworben.
Auch Demonstranten dürfen ihr Gesicht nicht mehr verstecken
Von den 26 Kantonen stimmten die eher konservativen teils mit mehr als 60 Prozent für das Verbot, etwa der Tessin oder Schwyz. Sechs Kantone lehnten das Verbot ab. Es muss nun in die Verfassung aufgenommen werden und gilt auf der Straße, in Restaurants und Geschäften. Nur für Gotteshäuser gibt es eine Ausnahme. Auf lokaler Ebene gibt es solche Verbote bereits in den Kantonen St. Gallen und Tessin.
Offiziell war in der Abstimmungsvorlage von einem Verhüllungsverbot die Rede. Auch Demonstranten dürfen ihr Gesicht künftig nicht mehr verstecken. Der Verein, der die Volksabstimmung mit einer Unterschriftensammlung durchsetzte, macht aber keinen Hehl daraus, dass der Vorstoß auf die muslimische Verschleierung zielte.
Gegner des Burka-Verbots sehen darin Stimmungsmache gegen Muslime
Der radikale Islam müsse in die Schranken verwiesen werden, sagte Anian Liebrand von der rechtskonservativen SVP am Sonntag in Fernsehen. Er ist Geschäftsführer des Egerkinger Komitees, das die Unterschriften zur Durchsetzung der Abstimmung gesammelt hatte. Dieser Verein hatte 2009 auf gleichem Weg durchgesetzt, dass keine neuen Minarette in der Schweiz gebaut werden dürfen. "Es geht nur gegen die Radikalen", sagte SVP-Nationalrat Mike Egger.
Die Gegner des Verbots warfen dem Verein vor, nur Stimmung gegen Muslime machen zu wollen. Mit dem Verbot werde die Gleichberechtigung der Frauen nicht gefördert. In einer freiheitlichen Gesellschaft dürfe es derartige Kleidervorschriften nicht geben. Feministinnen kritisierten, dass auf dem Rücken von Frauen Politik gemacht werde, denn sie müssten künftig mit Bußgeldern rechnen.
Der Anteil der Muslime in der Schweiz lag 2018 bei 5,3 Prozent. Die Zahl der Nikabträgerinnen wird auf rund 30 geschätzt. Eine Burka ist ein Überwurf, der Frauen ganz verhüllt und nur ein Gitterfenster zum Sehen offen lässt. Das Gewand mit Schlitz für die Augen heißt Nikab.
Die Burka ist kein Symbol der Unterdrückung
Die französische Soziologin Agnès De Féo beschäftigt sich seit 15 Jahren mit dem Thema. Nach ihren Angaben sind Frauen in Europa, die sich verhüllen, vielfach erst als Teenager oder Erwachsene zum Islam übergetreten. Sie seien in aller Regel nicht unterdrückt, sondern sehr forsch und wollten mit dem Gewand gegen das gängige Mode- und Schönheitsideal protestieren, sagte sie der "NZZ". In Frankreich habe der Nikab durch das dortige Verhüllungsverbot als Zeichen des Protests an Bedeutung gewonnen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte 2014, dass das Verhüllungsverbot weder gegen die Meinungs- noch gegen die Religionsfreiheit verstoße.
Sehr deutlich lehnten die Schweizer bei der Volksabstimmung zudem einen von der Regierung geplanten elektronischer Personalausweis (e-ID) ab, mit 65,36 Prozent. Das Projekt war umstritten, weil private Unternehmen den Ausweis ausstellen sollten. Dagegen wurde ein Freihandelskommen mit Indonesien mit 51,66 Prozent der Stimmen angenommen. Damit sinken Zölle auf eine bestimmte Menge nachhaltig produzierten Palmöls. Gegner argumentierten vergeblich, das heize die Palmölproduktion an und zerstöre dadurch mehr Regenwald. (dpa)
Das könnte Sie auch interessieren:
- Flüchtlingsfamilie lebt in Burgau in einem Zimmer: Vom Problem des Asyls und des Wohnens
- USA: Saudischer Kronprinz soll Kashoggi-Tötung genehmigt haben
- Papst auf Nahost-Reise: Franziskus trifft Großajatollah im Irak
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier