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Vierfach-Mord: In Alpen getötete Familie: Offenbar Sprengstoff im Haus gefunden

Vierfach-Mord

In Alpen getötete Familie: Offenbar Sprengstoff im Haus gefunden

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    Am Wochenende durchsuchte die britische Polizei das Fachwerkhaus der Familie in Claygate bei London.
    Am Wochenende durchsuchte die britische Polizei das Fachwerkhaus der Familie in Claygate bei London. Foto: Karel Prinsloo

    Im Haus der in den französischen  Alpen getöteten britischen Familie ist möglicherweise Sprengstoff gefunden worden. Das verlautete am Montag aus Kreisen der  britischen Ermittler. Nach einer dreitägigen Durchsuchungsaktion  des Hauses in Claygate südlich von London evakuierte die Polizei am  Morgen die Nachbarschaft, Sprengstoffexperten und bewaffnete  Polizisten trafen vor Ort ein.

    Das aus dem Irak stammende britische Ehepaar al-Hilli sowie die  Mutter der Frau und ein offenbar zufällig vorbeikommender Radfahrer  waren am vergangenen Mittwoch auf einem Waldparkplatz in  Ostfrankreich erschossen worden. Die Opfer wurden durch jeweils  zwei Kopfschüsse getötet. Die vierjährige Tochter Zeena überlebte  unverletzt, weil sie sich unter der Leiche der Mutter versteckte.  Ihre siebenjährige Schwester erlitt Schädelfrakturen und lag  tagelang im künstlichen Koma. Die Hintergründe des Vierfachmordes  sind noch völlig unklar.

    War es der Geheimdienst? Oder doch ein Verrückter? War es ein Familiendrama? Oder das blutige Ende eines Erbschaftsstreites? Vier Tage nach dem gewaltsamen Tod einer britischen Familie in den französischen Alpen tappen die Ermittler bei der Aufklärung des brutalen Verbrechens noch ziemlich im Dunkeln. Schon tauchen die ersten bohrenden Fragen auf: "Wird der Mörder der Eltern von insgesamt fünf Kindern niemals gefunden werden?"

    Tochter aus Koma erwacht

    Es gibt wenige Verbrechen, bei denen es so viele Spuren, aber so wenig Klarheit gibt. Die Ermittler können nur hoffen, dass die aus dem Koma erwachte siebenjährige Tochter des erschossenen Ehepaares etwas über die Tat aussagen kann. Das Mädchen hatte die Bluttat schwer verletzt überlebt und war zunächst in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt worden. Wann sie befragt werden kann ist noch unklar. Einmal hat sie starke Beruhigungsmittel bekommen, zum anderen müssen die Ermittler mit dem Kind äußert vorsichtig umgehen. Eine Befragung kann noch Tage dauern.

    Haus der Familie durchsucht

    Gegenwärtig versucht die Polizei, über die Familie der Opfer Linie in die Ermittlungen zu bringen. Die Spurensicherung der britischen Polizei nahm das luxuriöse Fachwerkhaus der Familie im idyllischen und von betuchter Klientel bewohnten Örtchen Claygate am Wochenende haarklein auseinander - und mit ihm das Leben der Familie.

    "Wir wollen so viel wie möglich über die Familie herausfinden", sagte Eric Maillaud von der französischen Staatsanwaltschaft. E-Mails wurden gesichtet, Kontobewegungen studiert, Rechnungen bewertet: Die Polizei versucht, über den Alltag der Opfer ein Motiv herauszuarbeiten. Möglicherweise führt der Beruf des Mannes zum Ziel. Er war als freiberuflicher Ingenieur für Unternehmen der Luft- und Raumfahrtbranche tätig. Hatte er vielleicht zu viel gewusst?

    Fahndung nach grünem Allradfahrzeug und Motorrad

    Der oder die Täter gingen jedenfalls genauso brutal wie offensichtlich professionell vor. Jedem der Opfer wurde mindestens zwei Mal in den Kopf geschossen, wie die Staatsanwaltschaft nach der Obduktion erklärte - das typische Vorgehen von Auftragskillern. Die "Sunday Times" schrieb am Sonntag unter Berufung auf französische Polizeikreise, die Ermittler gingen anhand von Schmauchspuren und ballistischen Untersuchungen von mindestens zwei Tätern aus. Offiziell fahndet die Polizei nach einem grünen Allradfahrzeug und einem Motorradfahrer. Beide wurden von Zeugen in der Nähe des Tatortes gesehen.

    Die getötete Familie al-Hilli, seit den 1970er Jahren in Großbritannien, führte in Claygate, etwa 25 Kilometer südwestlich von London gelegen, ein zumindest nach außen hin beschauliches Leben. Der getötete Vater Saad (50) war bekannt bei seinen Nachbarn. "Ein freundlicher Mann", wie alle unisono sagen. Er half, wenn etwas am Haus zu tun war und war als Tüftler bei kniffligen Fällen bekannt. Seine Familie ging ihm über alles. Einige aus dem Ort erinnerten sich, wie er immer seine Töchter in den Arm nahm, wenn er von der Arbeit nach Hause kam.

    Irak-Krieg, Geheimdienste, Rüstungsprojekte?

    Wie immer wenn die Polizei nichts genaues weiß, schießen die Theorien ins Kraut - auch in Claygate. Britische Boulevardzeitungen tischen seit Tagen eine wilde Story nach der anderen auf. So soll Saad al-Hilli einmal in den Irak-Krieg verstrickt sein, mal auf der Liste von Geheimdiensten stehen, als Ingenieur für geheime Rüstungsprojekte tätig sein oder sich mit Größen aus dem Regime von Ex-Diktatur Saddam Hussein überworfen haben. Das britische "People"-Magazin brachte sogar die These auf, al-Hilli sei an Forschungen in einem streng geheimen britischen Nuklear-Labor beteiligt gewesen.

    Nichts davon hat sich bisher als stichhaltig herausgestellt. So meldete sich am Freitag etwa der Bruder des Toten von selbst bei der Polizei und beteuerte, es habe in der Familie keinen Erbschaftsstreit gegeben. Zuvor hatten Medien spekuliert, die beiden Brüder stritten um das Erbe von Immobilien etwa in Spanien und im Irak. Vierfach-Mord: Polizei tappt im Dunkeln

    Hoffnungen ruhen auf den Kindern

    Dabei rücken die abenteuerlichen Theorien fast die Brutalität des Verbrechens in idyllischer Umgebung der französischen Alpen in den Hintergrund. Mindestens drei Schüsse haben der oder die Täter auf jedes der Opfer abgefeuert, zwei davon in den Kopf. Das Ehepaar al-Hilli, ein 45 Jahre alter Franzose - Vater dreier Kinder - sowie eine 77 Jahre alte Frau fanden den Tod. Die Mädchen Zeena (4) und Zainab (7) überlebten.

    Die kleine Zeena wurde am Sonntag von zwei Mitgliedern der Familie und einer britischen Sozialarbeiterin nach Hause geholt. Beide Kinder stehen unter Polizeischutz. Ihre Rolle bei den Ermittlungen ist tragend: Nicht nur, dass die Vierjährige ihre toten Eltern identifizieren musste - die Mädchen sind auch die einzigen, die den Täter gesehen haben könnten. Michael Donhauser, dpa/AZ

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