Es geht um Sex, Gewalt und Macht. Und es geht, immer wieder, um die Frage: Wer ist Täter – und wer Opfer?
„Recht und Gerechtigkeit“ hat Jörg Kachelmann sein Buch genannt, seit dieser Woche liegt es in den Buchläden (19,99 Euro, Heyne Verlag). Gut eineinhalb Jahre, nachdem ihn das Landgericht Mannheim freigesprochen hat vom Vorwurf der versuchten Vergewaltigung, rechnen der 54-jährige Wettermoderator und seine 26 Jahre alte Ehefrau Miriam darin mit Polizei und Justiz ab – und mit Frauen, die Männer fälschlicherweise der Vergewaltigung bezichtigen.
Kachelmann und seine Frau haben eine Mission
„Wir haben auch eine Mission“, schreiben Kachelmann und seine Frau schon im Vorwort, „nämlich mitzuhelfen, dass das, was mir passiert ist, am besten niemandem nach mir passiert und dass die, die unschuldig wegen einer Falschbeschuldigung im Knast sitzen, bald ein neues Verfahren mit einem Freispruch bekommen“. Und sie erklären: „Experten gehen davon aus, dass eine womöglich deutliche Mehrheit aller Vergewaltigungsanzeigen auf keiner realen Basis beruht – nicht selten liegen die Gründe dafür darin, dass Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte in Deutschland unkritisch alles glauben, was ihnen da erzählt wird.“
Tatsächlich, das verrät auch ein Blick in die Statistiken, kommt es immer wieder vor, dass Frauen Vergewaltigungen erfinden. Doch von einer „deutlichen Mehrheit“, auch das zeigen die Zahlen, kann keine Rede sein.
Jeder zweite Fall wird aus Mangel an Beweisen eingestellt
Unter dem Titel „Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in Bayern“ hat das Landeskriminalamt (LKA) im Jahr 2005 Daten zu diesem Thema sammeln lassen. Das Ergebnis: Der Anteil der belegbar falschen Anschuldigungen liegt bei 7,4 Prozent. In diesen Fällen, erklärt der Kriminologe Johannes Luff vom LKA, wurde das angebliche Vergewaltigungsopfer von der Polizei wegen des Vortäuschens einer Straftat angezeigt.
Mehr als jeder zweite angezeigte Fall (58,4 Prozent) muss aber aus Mangel an Beweisen eingestellt werden – weil Aussage gegen Aussage steht, das Opfer sich selbst widerspricht, die Ermittler den Tatbestand als nicht erfüllt ansehen oder der Täter unbekannt bleibt. „Daraus kann man aber nicht schließen, dass diese Frauen gelogen haben“, sagt Veit Schiemann vom Opferverband „Weißer Ring“. „Besonders bei Vergewaltigungen, bei denen es ja selten Zeugen gibt, ist die Beweisführung oft schwierig.“ In etwa jedem vierten Fall kommt es jedoch zu einer rechtskräftigen Verurteilung des Beschuldigten.
In den meisten Fällen kennen sich Täter und Opfer
In den meisten Fällen von Vergewaltigung und sexueller Nötigung kennen sich Täter und Opfer. „Dass jemand aus dem Gebüsch springt und überfallartig eine ihm fremde Frau angreift, das kommt extrem selten vor“, sagt der Kriminologe Luff. Stattdessen handele es sich bei den Tatverdächtigen in etwa 70Prozent der Fälle um Bekannte, Freunde, einstige oder aktuelle Lebenspartner.
Auch im Fall Kachelmann war es eine Ex-Freundin gewesen, die den Wettermoderator der Vergewaltigung beschuldigte. Nach einem Indizienprozess mit Fotos von Blutergüssen, DNA-Spuren auf einem Küchenmesser und widersprüchlichen Geschichten, die das angebliche Opfer den Ermittlern erzählte, wurde Kachelmann im Mai 2011 freigesprochen. Dem Richter zufolge urteilte das Gericht „in dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten. Die Verdachtsmomente, sagte er damals, hätten sich im Lauf der Verhandlung „abgeschwächt, aber nicht verflüchtigt“.