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Verbindung zu Dutroux?: Missbrauchs-Skandal erschüttert belgische Kirche

Verbindung zu Dutroux?

Missbrauchs-Skandal erschüttert belgische Kirche

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    Das Kreuz mit den Skandalen.
    Das Kreuz mit den Skandalen. Foto: DPA

    Belgiens Bischöfe geraten immer tiefer in den Strudel eines Missbrauchsskandals. Am Dienstag musste sich der 77-jährige Kardinal Godfried Danneels als Zeuge einem Verhör bei der Polizei stellen.

    Der Grund: Entgegen ersten Vermutungen waren bei einer Razzia im erzbischöflichen Palais und weiteren Gebäuden der belgischen Kirche Ende Juni doch brisante Unterlagen gefunden worden. Darunter sollen nicht nur Akten gewesen sein, die eigentlich in den Besitz der Justiz gehörten, sondern auch Dossiers über den Kindermörder Marc Dutroux sowie Fotos der beiden von ihm missbrauchten und ermordeten Mädchen Julie und Melissa. Der Sender RTBF wies allerdings darauf hin, dass die fraglichen Dokumente weit verbreitet gewesen und etwa auch an Journalisten gelangt seien.

    Danneels' Verhör dauerte am Dienstagnachmittag noch an. Laut Medienberichten soll es dabei unter anderem um Vorwürfe unterlassener Hilfeleistung gehen. Es gebe Hinweise, dass Missbrauchsvorwürfe vertuscht worden seien. Das Verhör solle klären, ob Danneels davon gewusst habe. Wenn dem so sei, könne ein Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung folgen.

    Damit spitzen sich die Ereignisse immer weiter zu. Zu einem offenen Konflikt war es vor knapp zwei Wochen gekommen. Da hatten Sicherheitsbehörden das Bischofspalais in Mechelen bei Brüssel durchsucht, die anwesenden Mitglieder der Bischofskonferenz eine Stunde lang festgehalten, ihnen ihre Handys abgenommen und in der naheliegenden Kathedrale Gräber verstorbener kirchlicher Würdenträger geöffnet. Der Vorgang war derart ungewöhnlich und ungeheuerlich, dass sich selbst Papst Benedikt XVI. tadelnd in Richtung der belgischen Behörden äußerte.

    Kurz darauf trat eine von den Bischöfen eingesetzte Untersuchungskommission zu den Missbrauchsfällen zurück. Deren Arbeit war nicht erst in den letzten Jahren ins Gerede gekommen. Rik Devillé, ein ehemaliger Priester und Vorsitzender der Arbeitsgruppe "Menschenrechte in der Kirche", bestätigt: "Wir haben schon in den 90er Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass Anzeigen wegen sexuellen Kindesmissbrauchs durch Amtsträger nicht nachgegangen wurde. Die Bischöfe haben sich den Opfern verschlossen." Gerade einmal etwa fünf Prozent der Anzeigen habe die Kirche überhaupt ernst genommen.

    Inzwischen spalten die Vorgänge das Land und seine Kirche. "In Belgien muss man nur den Namen Dutroux zitieren, wenn man jemanden fertigmachen will", heißt es in konservativen Kreisen. Dennoch können auch diese nicht erklären, was der verbrannte Rest von Justizakten in den Unterlagen des früheren Erzbischofs von Brüssel und Mechelen, Godfried Danneels, zu suchen habe. Geschweige denn Fotos der ausgegrabenen Mädchenleichen. Die Mädchen wurden von Dutroux Mitte der 90er Jahre sexuell missbraucht, dann monatelang in einem Kellerverlies gehalten und schließlich ermordet.

    "Für das Aufbewahren eines solchen Dossiers können wir derzeit keine plausible Erklärung finden", sagte am Dienstag ein Ermittler. Schlüsse daraus will derzeit keine offizielle Stelle ziehen. Dass in der Öffentlichkeit jetzt aber wieder Theorien auftauchen, denen zufolge Dutroux ein Netzwerk von einflussreichen Pädophilen mit seinen Opfern bedient habe, ist kaum zu verhindern.

    Bislang wagt allerdings niemand offen den Verdacht auszusprechen, die Bischöfe selbst könnten damit etwas zu tun haben. Mehrere Zeitungen spekulierten bereits, ob Danneels demnächst im Gefängnis sitzen könnte. Aus Brüssel berichtet Detlef Drewes

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