Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Vatikan steht hinter Entschuldigung für Missbrauch

Panorama

Vatikan steht hinter Entschuldigung für Missbrauch

    • |
    Vatikan steht hinter Entschuldigung für Missbrauch
    Vatikan steht hinter Entschuldigung für Missbrauch Foto: DPA

    Rom sehe die Bitte um Entschuldigung, wie sie der deutsche Jesuiten-Chef Stefan Dartmann vorgebracht hat, als "umfassend" an, erklärte Vatikan-Sprecher Pater Ciro Benedettini am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa. Er werde sich daher nicht noch in einer eigenen Stellungnahme äußern, sei aber in "völliger Übereinstimmung" mit dem, was Dartmann gesagt habe. Dieser hatte sich am Montag im Namen des Ordens bei den "Opfern von Übergriffen unserer ehemaligen Mitbrüder" entschuldigt.

    Vatikan-Sprecher Federico Lombardi sagte dem Berliner "Tagesspiegel" (Mittwoch), Rom unterstütze die Aufklärung der Missbrauchsfälle. Dafür seien jedoch die katholischen Autoritäten in dem jeweiligen Land zuständig. "Es gibt Gremien in Deutschland, die genau das jetzt tun müssen", sagte der Pater, der selbst Jesuit ist. "Spezielle Informationen über Vorfälle wie diese haben wir nicht, der Skandal ist uns durch die Medien bekannt."

    Zwei frühere Lehrer und Jesuiten-Pater haben in den 1970er und 1980er Jahren etwa 20 Schüler am Berliner Canisius-Gymnasium sexuell missbraucht. Außerdem sollen sie für weitere Missbrauchsfälle an Schulen in Hamburg und im Schwarzwald sowie in kirchlichen Einrichtungen in Göttingen, Hildesheim, Chile und Spanien verantwortlich sein.

    Weitere Fälle befürchtet

    An einem ehemaligen Jesuiten-Gymnasium in Hamburg wird befürchtet, dass es mehr als die drei bisher bekannten Fälle gibt. Eines der Opfer habe "entsprechende Hinweise gegeben", sagte der Schulleiter der Sankt-Ansgar-Schule, Friedrich Stolze. Besonders betroffen gemacht habe ihn der Fall einer Mutter, die ihm gesagt habe, dass ihr Sohn noch heute unter seelischen Folgen des Missbrauchs leide.

    Die Schüler wurden Opfer eines heute 65-jährigen Jesuitenpaters, der von 1979 bis 1982 an der Schule unterrichtet hatte. Der Mann gestand der Kirche 1991, auch Schüler des Canisius-Kollegs in Berlin missbraucht zu haben. Der frühere Lehrer beantragte damals seinen Austritt aus dem Orden. Er wandte sich damals außerdem direkt an den Vatikan. Der Mann lebt inzwischen in Chile. Bis Ende 2009 arbeitete er in Santiago de Chile beim Kolpingwerk, einem katholischen Sozialverband mit Sitz in Köln.

    Stolze kritisierte, dass der geständige Pater 1979 von Berlin nach Hamburg versetzt wurde, ohne dass die Hamburger über einen möglichen Verdacht informiert worden seien. "Was ich nicht nachvollziehen kann: Wenn in Berlin was bekanntgewesen ist, dass dann die Person an eine andere Schule versetzt wird."

    Die chilenischen Jesuiten haben in Deutschland und in Rom Angaben zum möglichen sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Wolfgang S. auch in dem südamerikanischen Land angefordert. "Wir haben schon die Jesuiten in Deutschland und bei der Generalskurie in Rom um Informationen gebeten", sagte der Jesuiten-Oberer für Chile, der Priester Eugenio Valenzuela, am Dienstag.

    Ermittlungsverfahren in Baden-Württemberg

    In Sankt Blasien (Baden-Württemberg) leitete die Staatsanwaltschaft am Jesuiten-Kolleg ein Ermittlungsverfahren ein. Dort arbeitete der geständige Jesuit von 1982 bis 1984. Zwei Opfer meldeten sich bereits. Die Schulleitung rechnet mit weiteren Fällen. Ob strafrechtlich gegen den früheren Pater vorgegangen werden kann, ist unklar, sagte Oberstaatsanwältin Iris Janke. Sexueller Missbrauch verjährt 10 Jahre nach der Volljährigkeit des Opfers, in besonders schwerem Fall nach 20 Jahren.

    Das Bistum Hildesheim räumte Fehler im Umgang mit dem zweiten beschuldigten Pater ein. Auch er kam von der Berliner Schule. Der Mann habe nach Bekanntwerden der Vorwürfe 1993 nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen, das Verbot sei aber nicht konsequent durchgehalten worden, teilte das Bistum mit. 1997 sei der Pater nach dem Vorwurf weiterer sexueller Belästigungen versetzt worden.

    Das Bistum sei zweimal über Fälle sexueller Belästigung informiert worden. Diese seien damals nicht weiter verfolgt worden, sagte Generalvikar Werner Schreer am Dienstag. "Das war ein Fehler." Weitere Fälle liegen dem Bistum derzeit nicht vor. Schreer rief mögliche weitere Opfer dazu auf, sich zu melden. Der damalige Bischof Josef Homeyer erklärte: "Aus heutiger Sicht haben wir die Vorwürfe zu wenig ernst genommen und die Tragweite der weiteren Entwicklungen eindeutig unterschätzt. Ich bedaure dies zutiefst." Inzwischen lebt der frühere Jesuitenpater wieder in Berlin. Nach Zeitungsberichten soll er die Stadt verlassen haben.

    An einem Bonner Jesuiten-Gymnasium beraten die Lehrer, ob die "Präventivmaßnahmen in der Sache ausreichen". Der Rektor des Aloisiuskollegs in Bonn-Bad Godesberg, Theo Schneider, sagte der dpa: "Natürlich diskutieren wir im Kollegium diesen Fall mit den Schülern und der Elternschaft. Bislang sehen wir aber keine Verpflichtung, bei unseren ehemaligen Schülern nachzufragen."

    Katholischer Arbeitskreis zeigte sich erschüttert

    Der Arbeitskreis Engagierter Katholiken in der CDU (AEK) zeigte sich erschüttert und forderte die Abschaffung der Verjährungsfrist in solchen Fällen. Der Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky sieht aber keine Notwendigkeit, aus den Vorfällen am Canisius-Kolleg weitere Konsequenzen für die Kirche zu ziehen.

    Gleichzeitig verteidigte der Arbeitskreis die Sexuallehre der katholischen Kirche. "Der Versuch einzelner, für das abscheuliche Verhalten der Geistlichen wenigstens teilweise die Sexuallehre der Kirche verantwortlich machen zu wollen, ist ebenso abwegig wie unlauter", schrieb Martin Lohmann, Sprecher des Arbeitskreises. Missbrauch und Pädophilie nähmen insgesamt besorgniserregend zu und seien "sicher kein Spezifikum der

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden