Papst Franziskus hat erstmals Opfer sexuellen Missbrauchs durch katholische Geistliche getroffen. Er feierte am Montag mit sechs Betroffenen aus Deutschland, Irland und Großbritannien die Morgenmesse und widmete sich anschließend in ausführlichen Gesprächen jedem Einzelnen der drei Männer und drei Frauen. Die Begegnung im Vatikan war bereits seit längerer Zeit geplant.
Die katholische Kirche war vom Skandal um jahrzehntelangen Missbrauch an Heranwachsenden in zahlreichen Ländern massiv erschüttert worden. Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. hatte sich insgesamt fünfmal mit Menschen getroffen, die in katholischen Kirchen und Einrichtungen sexuell missbraucht worden waren, so in den USA und in Deutschland.
Papst Franziskus führt persönliches Gespräch mit jedem Betroffenen
Die Messe feierten Jorge Mario Bergoglio (77) und die Betroffenen in der kleinen Kapelle des vatikanischen Gästehauses Santa Marta. Die Predigt des Papstes sei sehr stark und breit auf das Problem des Missbrauchs gerichtet gewesen, berichtete Vatikan-Sprecher Federico Lombardi.
Das ist Papst Franziskus
Franziskus, mit bürgerlichem Namen Jorge Mario Bergoglio, wurde am 17. Dezember 1936 als Sohn italienischer Einwanderer in Argentinien geboren.
Sein Vater war Bahnangestellter in der argentinischen Hauptstadt. Dort ging er auf eine technische Schule, die er als Chemie-Techniker absolvierte.
Mit 21 Jahren ging Bergoglio ins Priester-Seminar.
Nach seiner Priesterweihe 1969 folgte Bergoglio Theologiestudien und wurde 1973-1979 zum Provinzial des Jesuitenordens berufen.
Der Jesuit übernahm 1998 die Erzdiözese von Buenos Aires und wurde 2001 zum Kardinal berufen.
2001 wurde Jorge Mario Bergoglio zum Kardinal berufen.
In den letzten Jahren kollidierte Bergoglio mehrfach mit den Regierungen von Néstor und Cristina Kirchner. Er kritisierte Korruption und Armut, außerdem wandte er sich gegen die Legalisierung der Homo-Ehe in Argentinien.
Bergoglio wurde in der Vergangenheit der "Kardinal der Armen" genannt.
Mit 76 Jahren und seiner etwas gebrechlichen Gesundheit ging Jorge Mario Bergoglio in die neue Papstwahl eher als Außenseiter unter den Favoriten.
Im fünften Wahlgang wurde Bergoglio dann zum neuen Papst gewählt.
Bergoglio nennt sich als Papst Franziskus.
Franziskus ist der erste Südamerikaner an der Spitze der katholischen Kirche.
Mit dem Namen erinnert der Argentinier an Franz von Assisi (um 1181-1226), einen der meistverehrten Heiligen überhaupt.
Bereits in den ersten Monaten nach seiner Wahl zeigt sich Franziskus als Reformer. Er will nach eigener Aussage eine Kirche, in der auch die Armen, Schwachen und Unterdrückten Platz haben.
Danach kam der Papst mit den Missbrauchsopfern noch zu einem persönlichen Gespräch zusammen, das jeweils etwa eine halbe Stunden dauerte. Die jeweils zwei Betroffenen pro Land wurden dabei von Familienangehörigen oder Personen ihres Vertrauens begleitet.
Franziskus hatte das Treffen selbst angekündigt und der Vatikan in aller Diskretion die als private Begegnung gehaltene Zusammenkunft vorbereitet. Auf dem Rückflug von seiner Reise ins Heilige Land hatte der Papst Ende Mai sexuellen Missbrauch durch Geistliche mit einer "schwarzen Messe" verglichen und scharf verurteilt. Dies sei ein schweres Problem, bei dem es für die katholische Kirche nur eine Null-Toleranz gebe, sagte Franziskus.
Kritiker: Papst entschädigt Missbrauchsopfer nicht angemessen
Er hatte im Dezember 2013 eine achtköpfige Kommission ins Leben gerufen, die ein gesteigertes Bewusstsein auch von der Verantwortung für Kirche bei sexuellem Missbrauch schaffen soll. Die Kommission ist zur Hälfte von Frauen besetzt, darunter das irische Missbrauchsopfer Marie Collins. Der Präsident dieser Kommission, der Bostoner Kardinal Sean Patrick O'Malley, begleitete auch die Sechser-Gruppe zum Papst.
"Die Aktion von Papst Franziskus ist ein weiteres Stück Symbolismus, nicht weiter als eine PR-Veranstaltung", kritisierte das deutsche Netzwerk Betroffener von sexueller Gewalt. Der Papst schare lieber strenggläubige Missbrauchsopfer um sich und bete mit ihnen, anstatt die Betroffenen angemessen zu entschädigen, so der Vorsitzende des Netzwerkes, Norbert Denef. Begegnung auf Augenhöhe sehe anders aus.
Kritiker werfen der katholischen Kirche zudem vor, die Täter oftmals geschützt zu haben. Zudem fordern sie den Vatikan auf, die Ermittlungen nicht länger im Verborgenen zu führen, sondern mit der staatlichen Justiz zusammenzuarbeiten. dpa/AFP