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Urteil: Brustimplantate: TÜV muss tausende Frauen entschädigen

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Brustimplantate: TÜV muss tausende Frauen entschädigen

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    Ein Brustimplantat des französischen Herstellers PIP.
    Ein Brustimplantat des französischen Herstellers PIP. Foto: Gerard Julien/AFP/dpa

    Das Urteil ist unmissverständlich und es gibt tausenden Frauen endlich Hoffnung auf Schadenersatz: Nicht nur das ehemalige französische Unternehmen Poly Implant Prothèse (PIP), das jahrelang minderwertige Brustimplantate hergestellt hat, ist verantwortlich für das Leid der Betroffenen, denen diese eingesetzt wurden. Sondern auch der TÜV Rheinland, der die fehlerhaften Prothesen als gefahrenfrei eingestuft hatte.

    Die betroffenen Frauen haben teilweise Spätfolgen von den Brust-OPs

    Am Donnerstag verurteilte ein Berufungsgericht in Paris die deutsche Prüf- und Zertifizierungsstelle zur Entschädigung von 2500 Klägerinnen. Nach jahrelangen Streitigkeiten und mehreren einander widersprechenden Gerichtsbeschlüssen wurde damit ein Urteil aus dem Jahr 2013 bestätigt.

    „Es ist ein historischer Tag für die Opfer des PIP-Skandals in der ganzen Welt“, sagte der Opfer-Anwalt Olivier Aumaître. Da PIP inzwischen bankrott gegangen ist, sei es am TÜV Rheinland, alle Betroffenen zu entschädigen: „Bleibt die Frage, ob er bezahlen wird, wann und wie viel.“ Das Urteil könnte nun also den Weg für Entschädigungszahlungen für viele weitere Opfer in der ganzen Welt öffnen, bei denen die Prothesen brachen, rissen oder sich entzündeten. Ihre Zahl wird auf bis zu 400.000 geschätzt. Die Implantate wurden sowohl bei Schönheitsoperationen als auch bei der Wiederherstellung von Brüsten nach Krebsoperationen verwendet. „Für uns ist es eine Erleichterung, endlich als Opfer anerkannt zu werden“, sagte eine der Betroffenen. „Aber es bleibt ein großes Gesundheitsproblem für uns, weil wir fast alle Spätfolgen haben.“

    Aufgekommen war der Skandal 2010, als Frankreichs nationale Agentur für Medikamentensicherheit feststellte, was der deutschen Prüfstelle entgangen war: dass die Prothesen des südfranzösischen Unternehmens ungewöhnlich oft rissen und statt mit medizinisch zugelassenem Spezial-Silikon mit billigem Industriesilikon gefüllt waren, das PIP selbst herstellte.

    Der TÜV habe die Rohstoffe nicht überprüft

    Erst die Zertifizierung durch den TÜV Rheinland hatte PIP ermöglicht, seine nicht konformen Produkte in fast 70 Länder zu verkaufen. Die Anwälte der Prüfstelle hatten stets argumentiert, der Hersteller habe „alles dafür getan, um die Patientinnen, aber auch die Gesundheitsbehörden und die Prüfstelle TÜV zu täuschen“. Tatsächlich war dies insofern leicht machbar, als es keine unangekündigten Kontrollbesuche gab. Bereits im Februar hatte ein Berufungsgericht in Aix-en-Provence in einem anderen Verfahrensstrang festgestellt, dass der TÜV Rheinland „die Herkunft der verwendeten Rohstoffe“ nicht überprüft hatte, etwa durch die Kontrolle der Buchführung des Fabrikanten.

    Nach dem Urteil im Februar habe man Geldrücklagen in Höhe von 90 Millionen Euro gebildet, sagte Michael Fübi, Chef des TÜV Rheinland, Ende April. Er betonte auch, dass man sich weiter im Recht sehe und vor Frankreichs oberstes Gericht, den Kassationshof, ziehen werde.

    Bei PIP, das 1991 von Jean- Claude Mas gegründet wurde, handelte es sich zeitweise um den weltweit drittgrößten Fabrikanten von Brustprothesen. Mas, ursprünglich gelernter Metzger, war nach dem Aufkommen der Vorwürfe untergetaucht, wurde von Interpol gesucht und 2012 in seinem Haus in Südfrankreich ausfindig gemacht. 2013 verurteilte ihn ein Gericht in Marseille wegen Betrugs zu vier Jahren Haft, einer Geldstrafe von 75.000 Euro und einem Berufsverbot. 2019 starb er mit 79 Jahren, nachdem er lediglich acht Monate im Gefängnis verbracht hatte.

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