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Urteil: Als Baby vertauscht

Urteil

Als Baby vertauscht

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    Manon Serrano (R) und ihre Mutter  Sophie Serrano (L.
    Manon Serrano (R) und ihre Mutter Sophie Serrano (L. Foto: Valery Hache afp

    Eine „riesige Erleichterung“ empfindet Sophie Serrano, nun da ihr Kampf an ein Ende gelangt ist. Anerkennung für ihre Leiden wollte sie, nachdem sie zehn Jahre nach der Geburt ihrer Tochter Manon entdeckt hat, dass diese nicht ihr biologisches Kind ist. Das Mädchen, das sie zur Welt gebracht hatte, wuchs wiederum mit dem Namen Mathilde in einer anderen Familie auf, nachdem die Säuglinge in einer Geburtsklinik im südfranzösischen Cannes vertauscht worden waren.

    Finanzielle Wiedergutmachung gefordert

    Es ist ein Szenario wie im Film, das die Betroffenen als Tragödie erlebten. „Ich wünsche das wirklich niemandem“, sagt Sophie Serrano. Auch eine finanzielle Wiedergutmachung forderten die Familien von Manon und Mathilde, die inzwischen 20Jahre alt sind: Mehr als zwölf Millionen Euro wollten sie insgesamt. Es brauche eine „scharfe Zivilstrafe, die exemplarisch ist, damit die Versicherungsgesellschaften und Geburtskliniken Angst bekommen“, rechtfertigte Anwalt Gilbert Collard die hohe Forderung.

    „Was uns zugestoßen ist, kann auch anderen passieren“, sagt Sophie Serrano. Die Summe, die ihnen das Gericht in Cannes nun zugesteht, fällt allerdings deutlich geringer aus: Manon und Mathilde erhalten jeweils 400000 Euro, jedes Elternteil 300000 Euro und jedes der Geschwister 60000 Euro. Insgesamt müssen das Krankenhaus und deren Versicherung damit 1,88 Millionen Euro an Schadensersatz zahlen. Klagen gegen die beteiligten Ärzte wurden abgelehnt.

    Babys vertauscht: Klinik weist Verantwortung zurück

    Die Klinik hatte die Verantwortung zurückgewiesen. Diese liege ihrer Anwältin zufolge bei einer Krankenpflegerin, „einer chronischen Alkoholikerin“. Sie hatte sich nicht an die Vorschrift gehalten, auf die Armbänder zu achten, die die Neugeborenen zur Identifizierung tragen. So vertauschte sie Manon und Mathilde, die beide nach ihrer Geburt im Juli 1994 an Gelbfieber litten, im Brutkasten. Als Sophie Serrano ihr Baby wiederbekam, wunderte sie sich, dass es plötzlich mehr Haare und einen dunkleren Teint hatte. Das liege an den UV-Strahlen im Brutkasten, wurde der 18-Jährigen versichert. Auch das Erstaunen der anderen Mutter über ein verändertes Aussehen ihres Kindes wiegelte man ab, und zwar mit derselben Begründung: Das komme von den Wärmelampen.

    Erst zehn Jahre später wurde die fatale Vertauschung entdeckt, als Manons Vater einen DNA-Test verlangte, weil das Mädchen ihm so wenig ähnelte, dass im Dorf gespottet wurde. So kam heraus, dass sie weder seine leibliche Tochter war noch die von Sophie Serrano. Sie forschten nach und stießen auf Mathilde und ihre Familie, die ursprünglich aus dem französischen Überseegebiet La Réunion stammt und im Umkreis wohnt. Kinder und Eltern lernten einander kennen. „Das war ein ziemlich verstörender, seltsamer Moment“, erinnert sich die 20-jährige Manon. „Man steht einer Frau gegenüber, die biologisch die Mutter, aber eine Unbekannte ist.“ An einen Rücktausch wurde nie gedacht. Bald stellten sie die Treffen wieder ein, zu belastend seien sie gewesen, sagen sie. Die Familien hatten nicht denselben sozialen und kulturellen Hintergrund, Eifersüchteleien kamen auf. Jetzt zum Prozess begegneten sie einander wieder.

    Vor allem die 38-jährige Sophie Serrano, die noch zwei weitere Kinder hat, erzählt ausgiebig in den Medien, wie sehr sie unter der Situation gelitten, sich Vorwürfe gemacht, psychologische Probleme bekommen habe. Manon habe man „einen Teil ihrer Kindheit geraubt“. Trotzdem sei ihre Beziehung besonders eng: Für sie ein Beweis dafür, dass Elternliebe stärker ist als eine biologische Verbindung.

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