Seit Donnerstag gibt es einen Rechtsanspruch auf Kita-Plätze und Betreuungsgeld für Familien. Doch trotz mehr staatlicher Unterstützung ist der Nachwuchs den Deutschen schlicht zu teuer. 67 Prozent nannten in einer repräsentativen Umfrage der Hamburger BAT-Stiftung „hohe Kosten“ als Grund, auf eigene Kinder zu verzichten. Der Verlust der persönlichen Unabhängigkeit (60 Prozent) sowie die Sorge vorm Karriereknick (57 Prozent) folgen auf den Plätzen.
Problem ist mit staatlichen Zuschüssen allein nicht zu lösen
Statistisch 1,36 Kinder bekommen Frauen hierzulande. Damit rangiert Deutschland am Ende der europäischen Skala mit einem Durchschnittswert von 1,57 Kindern. Um den Status quo zu sichern, müssten es 2,1 Kinder sein. Dass der finanzielle Aspekt bei der Familiengründung so dominant wurde, nannte Professor Ulrich Reinhard, der wissenschaftliche Leiter der BAT-Stiftung, „fast besorgniserregend“. Immer mehr Paare hätten inzwischen Angst vor der Gründung einer Familie.
Nach Ansicht des Augsburger Soziologen Professor Werner Schneider wird die Politik dieses Problem allein mit staatlichen Zuschüssen nicht lösen. „Das sind kurzatmige Maßnahmen.“ Stattdessen müsse die Rolle der Eltern aufgewertet werden: „Sie wird immer noch als Privatsache betrachtet“, sagt er. „Wir leben in einer Gesellschaft, in der einem von Kindesbeinen an eingetrichtert wird, nur der Beruf ist wichtig. Schneider fordert „einen Kulturwandel in Deutschland“.
Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer sieht das ähnlich: „In einer Gesellschaft, die so ökonomisiert ist wie die unsere, ist es vorhersehbar, dass punktuelle Familienleistungen wenig bewirken. Kinder erziehen kostet nicht nur Geld, sondern hierzulande leider auch zu viele Chancen im Beruf.“ Nirgendwo entwerte Erziehungszeit Lebensläufe so stark wie in Deutschland. „Solange sich das nicht ändert, würde auch eine Verdoppelung der finanziellen Leistungen für Familien nichts bewirken“, vermutet die CSU-Politikerin.
"Moralinsaure Vorgaben" der Politik bremsen junge Leute
Haderthauer zufolge nimmt zudem das politische Klima in Deutschland, „in dem Familien ständig moralinsaure Vorgaben gemacht werden“, jungen Leuten die letzte Unbefangenheit: „Eine Gesellschaft, die Lebensphasen der Kindererziehung wie eine hoffentlich schnell wieder vorübergehende Krankheit behandelt und sie für das Berufsleben allein als Störfaktor sieht, bringt eben weniger junge Leute hervor, die Elternsein als einen erstrebenswerten Lebensentwurf ansehen.“
Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz (Grüne) erkennt politischen Handlungsbedarf: „Statt des bisherigen Kuddelmuddels an staatlichen Zuschüssen“ fordert sie „eine Grundsicherung von etwa 300 Euro je Kind“. SPD-Landtagsabgeordnete Simone Strohmayr (Stadtbergen) spricht sich für eine „große gesellschaftliche Debatte“ sowie „deutlich höhere Kinder-Steuerfreibeträge“ aus.