Simi Valley Der Mord an der 24-jährigen Rhonda Wicht und deren vierjährigem Sohn Donald erschütterte damals Simi Valley, jene verschlafene Stadt vor den Toren von Los Angeles. Simi Valley galt als besonders sicher, weil hier viele pensionierte Polizisten lebten. Umso größer berichteten Medien über den grausamen Doppelmord in der Wohnung der Frau. Der Verdacht fiel schnell auf einen Mann namens Craig Richard Coley. Denn der damals 31-Jährige hatte ein Motiv.
Kurz vor dem Verbrechen hatte sich der Restaurant-Manager von Rhonda Wicht im Streit getrennt. Die Polizei nahm ihn noch am Tag, als die Leichen entdeckt wurden, fest: Seit dem 11. November 1978 musste Coley mit dem Vorwurf leben, der Mörder seiner ehemaligen Freundin und deren Sohnes zu sein.
Ein erster Prozess 1979 endete ohne Ergebnis, weil sich die zwölf Geschworenen nicht auf einen Schuldspruch verständigen konnten. Ein Jahr später verurteilte ein Gericht Coley im zweiten Anlauf zu zwei Mal lebenslänglich ohne Bewährung. Obwohl der Angeklagte auch in diesem Prozess hartnäckig seine Unschuld beteuerte.
In den Medien, die den Fall in allen seinen Details verfolgten, gab es ebenfalls Zweifel an seiner Täterschaft. Coley stammte aus der Familie eines pensionierten Polizisten und konnte ein blütenweißes Führungszeugnis vorlegen. Er war in der Gemeinde auch nicht als Krawall-Bruder bekannt, der übermäßig trank oder Drogen nahm.
Seine Anwälte behaupteten vor Gericht, was Coley im Gefängnis über 39 Jahre standfest wiederholen sollte: Die Staatsanwaltschaft hatte den falschen Mann wegen eines Verbrechens angeklagt, das dieser nicht beging. Rhonda Wichts tatsächlicher Mörder und Vergewaltiger befinde sich, wenn er denn noch lebe, auf freiem Fuß.
Vor vier Jahren stellte Muster-Häftling Coley – abermals – einen Antrag auf Begnadigung durch den Gouverneur von Kalifornien. „Die Verbrechen sind von mir nicht verübt worden“, schrieb er. „Hätten die Polizei-Detektive das entlastende Beweismaterial nicht zerstört, wäre der wirkliche Verdächtige längst festgenommen worden“, lautete Coleys Vorwurf.
So waren seine ersten Tage in Freiheit
Gouverneur Jerry Brown ordnete eine Überprüfung des Falls an. Und in der Tat: Ermittler fanden vernichtet geglaubte DNA-Proben in einem Privat-Labor. Ein Test mit neuen forensischen Methoden ergab, dass die DNA an einem Hauptbeweisstück nicht von Coley stammte. Staatsanwalt Gregory D. Totten sprach daraufhin von einem „tragischen Fall“. „Craig hat 39 Jahre in Haft verbracht für eine Tat, die er sehr wahrscheinlich nicht begangen hatte.“ Auch wenn es schon lange her sei, fahnde man mit den DNA-Proben nun unter Hochdruck nach dem wirklichen Mörder. „Wir werden ihn vor Gericht stellen.“ Und Coley? Den begnadigte Gouverneur Jerry Brown am vergangenen Mittwoch.
Staatsanwalt Totten möchte das Justizopfer jetzt persönlich kennenlernen. Es habe sein Schicksal mit großer Würde ertragen. „Und ich möchte mich für die Ungerechtigkeit entschuldigen, die ihm widerfahren ist“, sagte er. Noch am Mittwoch durfte der inzwischen 70-jährige Coley das Gefängnis verlassen. Als Kompensation für den Justizirrtum stehen ihm laut Gesetz pro Tag Haft 140 US-Dollar zu, knapp zwei Millionen US-Dollar.
Am Samstag berichtete die Los Angeles Times, dass Coley seinen ersten Tag in Freiheit mit Mike Bender, einem Polizisten im Ruhestand, verbrachte. Bei Bender zu Hause. Mike Bender, der mit dem Fall erstmals 1989 zu tun hatte, war schon nach kurzem überzeugt von Coleys Unschuld und kämpfte für dessen Freilassung. Auch er hatte den Gouverneur um Gnade für Coley gebeten. Nun kümmere er sich um den Ex-Häftling und lasse ihn bei sich wohnen, sagte er der Los Angeles Times. Er sei mit Coley bereits einkaufen und beim Friseur gewesen. Am Samstag habe Coley dann das Grab seiner Eltern besucht und sei dort unter Tränen zusammengebrochen. „Meine größte Angst war es, dass ich sterbe, bevor Coley freigelassen wird“, sagte Bender.