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USA: Warum es zum Massaker in Texas kam

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Warum es zum Massaker in Texas kam

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    Menschen beteten für die Opfer der Schüsse in einer Kirche.
    Menschen beteten für die Opfer der Schüsse in einer Kirche. Foto: Suzanne Cordeiro, AFP Photo

    Johnnie Langendorff fährt mit seinem Truck durch die staubigen Straßen nahe San Antonios. Dann kommt er an einem Holzkirchlein vorbei, der „First Baptist Church“. Es ist die Kirche des 350-Seelen-Ortes Sutherland Springs. Ihm fällt ein Auto mit laufendem Motor und aufgerissener Tür auf. Er hält an.

    Jetzt sieht er, wie ein in Schwarz gekleideter Mann mit einer Waffe zum Auto läuft. Hinter ihm ein anderer. Mit Gewehr. Es fallen Schüsse. Der Flüchtende springt ins Auto, rast davon. Kurz darauf steht der Mann mit dem Gewehr neben Langendorff. Er erzählt ihm von dem Massaker in der Kirche und sagt: „Wir müssen den Kerl kriegen.“

    Langendorff ist Zeuge einer der schlimmsten Bluttaten in den USA der vergangenen Jahre. Er schildert ansehnlich, was er erlebte, nachdem der 26-jährige Devin Patrick Kelley in die zum Sonntagsgottesdienst versammelte Gemeinde gefeuert hatte. Kelley metzelte 26 Menschen im Alter von fünf bis 72 Jahren nieder. Darunter Angehörige von drei Generationen einer Familie, Kinder, eine Schwangere. Kelleys Motiv: „Familienstreitigkeiten“. Die Tat habe keinen rassistischen oder religiösen Hintergrund, sagte ein Vertreter der texanischen Sicherheitskräfte am Montagabend unserer Zeit. Man wisse, dass der Täter wütend auf seine Schwiegermutter gewesen sei, hieß es. Diese habe die Kirche in der Vergangenheit besucht. Am Sonntag allerdings war sie nicht dort. Kelley war wegen Misshandlung seiner ehemaligen Frau und Kinder vorbestraft und 2014 unehrenhaft aus der Air Force entlassen worden.

    Massaker in Texas: Todesursache des Schützen unklar

    Das alles kann Johnnie Langendorff nicht wissen. Während der Verfolgungsjagd hält er am Sonntag via Notruf Kontakt mit der Polizei. Etwa 15 Kilometer außerhalb von Sutherland Springs kommt das Auto des mutmaßlichen Täters plötzlich von der Straße ab und rauscht in einen Graben. Langendorff, erzählt er, hält zehn Meter vor dem Auto. Sein Beifahrer springt heraus und zielt auf den Mann im Auto. „Er rief ihm zu: Ergib dich! Aber es bewegte sich nichts mehr.“

    USA: Die schlimmsten Schießereien der vergangenen Jahre

    18. Mai 2018: Bei einer Schießerei in der Santa Fe High School im US-Bundesstaat Texas werden zehn Menschen getötet. Nach Polizeiangaben eröffnet ein 17 Jahre alter Schüler das Feuer auf Klassenkameraden. Unter den Todesopfern sind neun Schüler. Weitere zehn Menschen werden verletzt, einige von ihnen schwer - unter ihnen auch zwei Polizisten.

    14. Februar 2018: Ein 19-jähriger Ex-Schüler dringt am Valentinstag in in die Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland ein und eröffnet das Feuer: 17 Menschen sterben.

    5. November 2017: Mitten im Gottesdienst in einer Baptistenkirche in Texas hat ein Angreifer 26 Menschen getötet und rund 20 weitere verletzt. Das Blutbad von Sutherland Springs reiht sich ein in eine ganze Serie grausamer Schusswaffenangriffe in den USA, bei denen allein in den vergangenen 20 Jahren dutzende unschuldige Menschen getötet wurden.

    1. Oktober 2017:  In Las Vegas feuert ein Heckenschütze aus einem Fenster im 32. Stockwerk eines Hotels auf Besucher eines Countrymusik-Festivals. Der 64-jährige Stephen Paddock tötet 58 Menschen und verletzt rund 550 weitere, bevor er sich selbst erschießt. Es ist das schlimmste Blutbad in der jüngeren US-Geschichte. Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamiert die Tat für sich, die Polizei bezweifelt aber Kontakte Paddocks zum IS.

    12. Juni 2016:  Der 29-jährige Omar Mateen eröffnet im Juni 2016 das Feuer auf die Gäste des Homosexuellen-Clubs "Pulse" in Orlando im Bundesstaat Florida. Er tötet 49 Menschen und verletzt 68 weitere, bevor die Polizei ihn erschießt. Während der dreistündigen Geiselnahme bekannte sich der Täter in Anrufen bei der Polizei zum IS, dieser reklamierte anschließend die Tat für sich.

    2. Dezember 2015:  Ein US-Bürger pakistanischer Abstammung und seine Frau erschießen im Dezember 2015 während einer Weihnachtsfeier seines Arbeitgebers in einem Behindertenzentrum im kalifornischen San Bernardino 14 Menschen, 22 weitere werden verletzt. Stunden später erschießt die Polizei die beiden Muslime. Sie hatten sich zuvor im Internet radikalisiert.

    16. September 2013: In einem Kommandozentrum der US-Marine in der Hauptstadt Washington erschießt ein ehemaliger Reservist zwölf Menschen, ehe er bei einem Schusswechsel mit der Polizei getötet wird. Er war wegen psychischer Probleme schon vorher aufgefallen.

    20. Juli 2012:  In einem Kino in Aurora im US-Bundesstaat Colorado eröffnet ein 24-jähriger Mann während der Premiere des neuen "Batman"-Films das Feuer. Zwölf Menschen werden getötet und 70 verletzt. Der Amokläufer wird festgenommen und zu lebenslanger Haft verurteilt.

    14. Dezember 2012:  Ein 20-jähriger Mann mit schweren psychischen Problemen schießt in der Sandy-Hook-Grundschule von Newtown um sich, er tötet 20 Kinder im Alter von sechs und sieben Jahren sowie sechs Erwachsene. Zuvor hatte er bereits seine Mutter getötet. Nach den Bluttaten nimmt er sich das Leben.

    5. November 2009:  Ein Militärpsychiater schießt auf dem US-Militärstützpunkt Fort Hood in Texas um sich. Der Mann mit palästinensischen Wurzeln tötet 13 Menschen und verletzt 42, bevor er festgenommen wird.

    3. April 2009:  Ein vietnamesischer Immigrant erschießt in einem Zentrum für Einwanderer der Stadt Binghamton im Bundesstaat New York 13 Menschen, bevor er sich selbst tötet.

    16. April 2007: Bei einem Amoklauf an der US-Hochschule Virginia Tech in Blacksburg erschießt ein 23-jähriger Student 27 Studenten und fünf Lehrer, dann tötet er sich selbst.

    20. April 1999:  An der Columbine High School in Littleton im Bundesstaat Colorado erschießen zwei schwarz gekleidete und vermummte Jugendliche zwölf Mitschüler und einen Lehrer. Danach begehen sie Suizid.

    Kurz darauf ist die Polizei vor Ort – und stellt den Tod des schwarz gekleideten Mannes fest. In dessen Auto finden die Beamten die mutmaßliche Tatwaffe, ein Nachbau des AR-15-Schnellfeuergewehrs der US-Armee, sowie weitere Waffen und Munition. Ob er sich selbst das Leben nahm oder an den Folgen des Schusswechsels in Sutherland Springs starb, ist unklar. „Er hat so viele Menschen verletzt, so viele Leben beeinflusst, warum sollte er nicht aus dem Verkehr gezogen werden?“, fragt Langendorff.

    Trump zum Texas-Massaker: "Hat mit Waffen nichts zu tun"

    Die Menschen in dem Örtchen rätseln noch darüber, warum ausgerechnet Sutherland Springs zum Schauplatz des blutigsten Massakers in der Geschichte des Waffen liebenden US-Bundesstaates Texas wurde, da liefert Präsident Donald Trump aus Japan bereits eine Erklärung. Es handele sich um eine „teuflische Tat“ einer Person, die offensichtlich „mentale Probleme“ habe. „Das hat mit Waffen nichts zu tun.“

    Wie andere führende Republikaner bietet Trump den Angehörigen der Opfer Gebete und Gedanken an. Der zum Tatort herbeigeeilte Gouverneur von Texas, Greg Abbott, mischt sich unter die Angehörigen, die am Sonntagabend bei einer Kerzenandacht der Opfer gedenken. Ihm stehen Tränen in den Augen. An seiner Einstellung zum US-Waffenrecht ändert sich nichts. Ein Massaker wie in Sutherland Springs lasse sich leider kaum verhindern. Er und Parteifreunde raten zu mehr Waffen in den Gotteshäusern.

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