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USA: Mark Zuckerberg in der Kritik: Facebooks Fassade bröckelt

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Mark Zuckerberg in der Kritik: Facebooks Fassade bröckelt

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    Weil er darauf verzichtet, gegen einen Beitrag von US-Präsident Donald Trump vorzugehen, steht Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in der Kritik.
    Weil er darauf verzichtet, gegen einen Beitrag von US-Präsident Donald Trump vorzugehen, steht Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in der Kritik. Foto: Tobias Hase, dpa (Archiv)

    Zwei Männer haben in den USA jüngst ungeahnte Grenzen aufgezeigt bekommen. Da ist Donald Trump, der sich in den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter umstritten zu den Protesten äußerte, die der Tod von George Floyd im ganzen Land entfachte. Der US-Präsident schrieb: "When the looting starts, the shooting starts." Diese Ankündigung, auf Plünderungen würden Schüsse folgen, verstand Twitter als Gewaltverherrlichung und ließ zum ersten Mal überhaupt einen Post des Präsidenten hinter einem Warnhinweis verschwinden. Twitter-Chef Jack Dorsey erhielt für seinen Schritt breite Zustimmung - und brachte damit Mark Zuckerberg, Chef von Facebook, unter Zugzwang. Doch der weigert sich, es dem Rivalen gleichzutun. Was nun ebenfalls zu einem Novum führte: Facebook-Mitarbeiter, viele davon hochrangig, stellen sich erstmals öffentlich gegen ihren Chef - und das auf breiter Front. Facebooks Fassade bröckelt.

    Der Proteststurm aus den eigenen Reihen begann mit einer Brise. "Ich bin ein Angestellter von Facebook und stehe fest gegen Marks Entscheidung, nichts gegen Trumps Posts zu unternehmen, obwohl sie klar Gewalt anstacheln", schrieb Entwickler Jason Stirman. Er fügte hinzu: "Ich bin bei Facebook nicht alleine. Es gibt keine neutrale Position zu Rassismus."

    Dass Stirman damit tatsächlich nicht alleine dastand, zeigten die folgenden Tage. Immer mehr Mitarbeiter wagten sich aus der Deckung. Facebooks Chef-Designer Andrew Crow schrieb etwa, ebenfalls auf Twitter: "Es ist inakzeptabel, eine Plattform bereitzustellen, um Gewalt anzuregen und Desinformation zu verbreiten, egal, wer derjenige ist oder ob es berichtenswert ist." Er sei mit Zuckerbergs Position nicht einverstanden und werde daran arbeiten, Veränderungen herbeizuführen. Die kleine Rebellion fand ihren vorläufigen Höhepunkt zu Wochenbeginn, als Facebook-Mitarbeiter - dem Technikportal The Verge zufolge waren es einige hundert - aus dem Homeoffice heraus ihren Dienst verweigerten.

    Offene Kritik von Facebook-Mitarbeitern an Zuckerberg ist ungewöhnlich

    Facebook-intern sind Gegenstimmen zu Zuckerbergs Kurs nicht unüblich, schreibt Steven Levy, der jüngst ein Buch über Facebook veröffentlicht hat, in einem Beitrag für das Online-Magazin Wired. "Damit aber an die Öffentlichkeit zu gehen, ist ein Verstoß gegen das Omertà-ähnliche Gesetz, nach dem Zuckerberg nicht öffentlich kritisiert werden darf", erklärt der renommierte Journalist. "Omertà" bezeichnet die Schweigepflicht von Mitgliedern der Mafia gegenüber Außenstehenden. Die Zeit des Schweigens ist für zahlreiche Facebook-Mitarbeiter jetzt vorbei. Mehrere haben ihres Chefs wegen inzwischen gekündigt, dies entsprechend kommuniziert - und dafür viel Zuspruch erfahren.

    Und Zuckerberg? Der hält an seinem Kurs fest, obwohl inzwischen auch erste Werbepartner die Zusammenarbeit mit Facebook beendet haben. Zuckerberg schrieb auf der Plattform, die er 2004 gegründet hatte und bis heute kontrolliert, die "spaltende und aufwieglerische Rhetorik" von Trumps Beitrag widerstrebe ihm. Jedoch: "Meine Verantwortung ist es, nicht nur persönlich zu reagieren, sondern als Chef einer Institution, die sich der Redefreiheit verschrieben hat." In einer Videokonferenz stellte sich der Konzern-Chef am Dienstag den Fragen seiner Angestellten. Dabei habe er unter anderem erklärt, dass die Androhung von Gewalt durch Regierungen von den Facebook-Regeln gedeckt sei, wie die New York Times unter Berufung auf einen Mitschnitt der Unterhaltung berichtete.

    In der Videokonferenz sei auch die Frage aufgekommen, warum so viele kluge Köpfe bei Facebook ein Auge zudrückten, um Trump nicht zu verärgern - eine Frage, die nun immer lauter gestellt wird. An Zuckerbergs Lesart, Facebook sei der letzte Leuchtturm der Meinungsfreiheit, gibt es jedenfalls Zweifel.

    Wie nahe stehen sich Donald Trump und Facebook-Chef Mark Zuckerberg?

    Schon länger wird über eine mögliche politische Befangenheit der Facebook-Unternehmensführung spekuliert. Chef-Lobbyist des Konzerns ist Joe Kaplan, ein Konservativer. Er arbeitet seit fast zehn Jahren im Büro in der Hauptstadt Washington, war zuvor für Ex-Präsident George Bush tätig und gilt als enger Freund des umstrittenen Verfassungsrichters Brett Kavanaugh. Haben die Republikaner über Kaplan einen direkten Draht zu Zuckerberg und damit zu einem der wirkungsmächtigsten Kommunikationsinstrumente überhaupt? Experten, darunter auch Buch-Autor Steven Levy, gehen jedenfalls davon aus. Erst am Freitag telefonierten Trump und Zuckerberg, wie Facebook und das Weiße Haus bestätigten. "Produktiv" sei das Gespräch gewesen. Näheres ist nicht bekannt.

    Nach Ansicht von Steven Levy könnte ein weiterer Grund für Zuckerbergs Kurs viel einfacher sein. "Zuckerberg ist bekannt für seine Sturheit", schreibt Levy, der Zuckerberg mehrmals persönlich traf, bei Wired. "Und so führt er auch sein Unternehmen." Da er mit seinen Firmenanteilen eine Stimmenmehrheit hält, könne Zuckerberg nach Gutdünken schalten und walten.

    Nur wenig spricht also dafür, dass Zuckerberg seine Haltung ändert. Als Reaktion auf die Proteste gegen Rassismus kündigte er an, Facebook wolle zehn Millionen Dollar an Organisationen spenden, die sich gegen Rassismus einsetzen, und sprach auch mit Vertretern einiger afroamerikanischer Organisationen. Was das brachte? Der Präsident der Organisation Color of Change, Rashad Robinson, erklärte nach einer rund einstündigen Videokonferenz mit dem Facebook-Chef gegenüber dem Finanzdienst Bloomberg, er habe das Gefühl, Zuckerberg fehle es an Verständnis für das Problem.

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