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Tugce-Prozess: Mehr als drei Jahre Haft für Sanel M.? Verteidiger plädieren auf Bewährung

Tugce-Prozess

Mehr als drei Jahre Haft für Sanel M.? Verteidiger plädieren auf Bewährung

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    Heute wurden die Plädoyers im Tugce-Prozess vorgetragen. Für den Angeklagten Sanel M. werden mehr als drei Jahre Haft gefordert.
    Heute wurden die Plädoyers im Tugce-Prozess vorgetragen. Für den Angeklagten Sanel M. werden mehr als drei Jahre Haft gefordert. Foto: Boris Roessler/dpa

    Im Landgericht Darmstadt wurden am heutigen Freitag die Plädoyers im Prozess um den gewaltsamen Tod der Studentin Tugce gehalten. Eine Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten wird von der Staatsanwaltschaft für den 18-jährigen Angeklagten Sanel M. gefordert. Der Vorwurf lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge.

    Sanel M. ergriff am Freitag vor Gericht das letzte Wort. "Egal was hier rauskommt - ich muss halt damit leben, dass wegen mir ein Mensch tot ist. Der Schlag war der schlimmste Fehler meines Lebens. Ich kann nur sagen, dass es mir leidtut", sagte er.

    Jugendstrafrecht sieht sechs Monate bis zehn Jahre Haft vor

    Staatsanwältin Birgit Lüter stellte fest, dass eine feste Ohrfeige ausreiche, um ein Opfer bewusstlos zu schlagen. Daraus sei vorhersehbar gewesen, dass ein Sturz auf den Asphalt tödliche Folgen haben könne. Zudem sei Sanel M. dreimal verurteilt worden: Wegen Körperverletzung, räuberischer Erpressung und Diebstahl in einem schweren Fall. Das Jugendstrafrecht sehe für Körperverletzung mit Todesfolge einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahre Haft vor.

    Die Staatsanwaltschaft habe Sanel M. sein Geständnis und seine Reue zu Beginn des Prozesses zugutegehalten, so Lüter. Er habe außerdem nicht auf das Opfer eingeprügelt, sondern nur einen Schlag versetzt. Sanel M. habe selbst Gewalt durch den Vater erlebt. Gegen den Angeklagten spreche seine kriminelle Energie. Nach der Tat sei er geflohen, ohne Hilfe zu leisten. In der Haft solle der Angeklagte eine Berufsausbildung nachholen und Mitgefühl gegenüber Schwächeren erlernen.

    "empfindlichere Jugendstrafe" soll Persönlichkeit von Sanel M. ändern

    Das Schwarz-Weiß-Bild von Täter und Opfer wurde von Oberstaatsanwalt Alexander Homm kritisiert. Klar sei, dass die Aggressionen von der Gruppe junger Männer gegen die Gruppe junger Frauen um Tugce ausgegangen seien. Der Angeklagte habe sich vor dem Schlag auf dem nächtlichen Parkplatz "als großer starker Mann aufgespielt." Die Beschimpfung durch Tugce könne nicht allein den Ausschlag für den Schlag gegeben haben.

    Die Anwälte der Familienangehörigen des Opfers plädierten für eine "empfindlichere Jugendstrafe", um in einer längeren Erziehung an der Persönlichkeit von Sanel M. zu arbeiten. Der Anwalt Macit Karaahmetoglu sprach dem Angeklagten Reue ab. Sein zu Anfang des Prozesses verlesenes Geständnis sei rein prozesstaktisch motiviert gewesen.

    Tod von Tugce sei ein "äußerst bedauerlicher Unglücksfall"

    Die Verteidiger des Angeklagten bestritten, dass die Folgen des Schlages hätten vorhergesehen werden können. Sanel M. seien nach Beleidigungen durch Tugce "die Sicherungen durchgebrannt", so Rechtsanwalt Stephan Kuhn. Verteidiger Hans-Jürgen Borowsky kritisierte eine Vorverurteilung des Angeklagten und eine beispiellose Kampagne in der Presse. Dadurch habe der Staat beim Schutz eines Heranwachsenden versagt. Sanel M. habe nicht wissen können, dass eine Ohrfeige zum Tod führen könne. "Ohrfeigen waren jahrhundertelang ein erprobtes Mittel der Erziehung." Der 18-Jährige werde zu seiner Sicherheit das Rhein-Main-Gebiet verlassen und sich ein Leben lang mit den Folgen seiner Tat auseinandersetzen müssen.

    Dritter Verteidiger Christian Heinemann nannte den Tod von Tugce einen "äußerst bedauerlichen Unglücksfall". Sanel M. habe im Prozess geschwiegen, weil nach der "Hexenjagd" der Medien ihm "jedes Wort im Mund umgedreht" worden wäre. Der Anwalt plädierte auf ein Jahr Jugendstrafe, ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung. Das Urteil soll am Dienstag erfolgen.

    Am 15. November hatte Sanel M. die Studentin Tugce laut Anklage im Lauf eines Streits vor einem Offenbacher Schnellrestaurant geschlagen, so dass sie stürzte und ins Koma fiel. Zwei Wochen später ließen ihre Eltern die lebenserhaltenden Maschinen abstellen. AZ/dpa

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