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Tsunami-Katastrophe 2004: Der Tag, an dem die ganze Welt zusammenrückte

Tsunami-Katastrophe 2004

Der Tag, an dem die ganze Welt zusammenrückte

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    Ein Mann sucht unter Hunderten von Leichen in Banda Aceh nach seinem Sohn (Archivfoto vom 28.12.2004).
    Ein Mann sucht unter Hunderten von Leichen in Banda Aceh nach seinem Sohn (Archivfoto vom 28.12.2004). Foto: DPA

    "Die indonesische Insel Sumatra ist am Sonntagmorgen von einem Erdbeben der Stärke 6,4 auf der Richter-Skala erschüttert worden." Diese dürre Meldung hat die Deutsche Presse-Agentur um 3.27 Uhr über den Ticker geschickt. "Größere Schäden an Gebäuden sind nicht bekannt", hieß es weiter. Und dass keine Berichte über Opfer vorliegen. Zwischen 4.40 und 9 Uhr am Morgen des zweiten Weihnachtsfeiertages bringen die Agenturen dann erste Todesmeldungen aus dem Krisengebiet: Von 17 Todesopfern auf

    Währenddessen raste die Riesenwelle ­ ausgelöst durch ein Seebeben der Stärke 9,3 ­ immer weiter mit der Geschwindigkeit eines Düsenjets durch das ahnungslose Paradies. Acht Stunden dauert es, bis die Wassermassen ihre letzten Opfer in den Tod gerissen haben. Acht Stunden, in denen hunderttausende Einheimische wie Touristen an den Küsten Asiens und Afrikas um ihr Leben kämpfen ­ überschwemmt und zermalmt von einer Woge, die mit ungeheurer Gewalt auf die Küsten traf und den Menschen an den Stränden, in den Häusern und Straßen kaum eine Chance zur Flucht ließ.

    So wie Pathme, ihre Tochter Roschani, die Söhne Lipnikanth und Vasnikanth. Im Haus waren sie gewesen, das so idyllisch nah am Meer stand in Kalmunai an der Ostküste Sri Lankas, hatten sich gerade angezogen für den Gottesdienst. Immer näher kam dieses laute Grollen, das sich für Pathme angehört hat wie ein Panzer. Bis das Wasser durch das Haus schoss, der Dreck, Möbel, Trümmer, Äste. Der Druck der Wassermassen schleuderte Pathme durchs Fenster hinaus, festgeklammert an der zwölfjährigen Roschani. Auf dem Dach blieben die beiden liegen, gleich neben dem siebenjährigen Lipnikanth. Sie haben überlebt, alle drei. Nur der kleine Vasnikanth (11) fehlte, verschluckt von den Wassermassen. Stunden später wurde sein kleiner Körper von Rettungskräften gefunden. Tot.

    Die Geschichte von Pathme und ihren Kindern steht stellvertretend für tausende Schicksale. Stunden, Tage, Monate dauerte es, bis sich das Ausmaß der größten Naturkatastrophe unseres Jahrhunderts auch nur erahnen ließ. Mehr als 1,7 Millionen Menschen wurden obdachlos, die materiellen Schäden werden mit rund zehn Milliarden Dollar angegeben. Wie viele Menschen umgekommen sind, wird sich wohl nie genau feststellen lassen. Zu großflächig sind die Zerstörungen, zu viele ­ nämlich zwölf ­ Länder sind betroffen. Nach den Angaben der Regierungen kamen mehr als 216 000 Menschen ums Leben oder sind als vermisst gemeldet. In Indonesien und Sri Lanka machen selbst die Behörden unterschiedliche Angaben, so dass man von mehr als 230 000 Toten ausgeht. Die thailändische Regierung hat den Überblick verloren, wie viele der zunächst als vermisst Gemeldeten inzwischen wieder aufgetaucht sind. Allein in Thailand sind immer noch mehr als 800 Todesopfer nicht identifiziert.

    Einzigartig in der deutschen Nachkriegsgeschichte, einzigartig weltweit, war die Spendenbereitschaft nach der Mörderwelle. Die Bundesregierung hat insgesamt 500 Millionen Euro für Soforthilfe und Wiederaufbau zur Verfügung gestellt, 670 Millionen Euro haben die Deutschen privat gespendet ­ die höchste Summe, die jemals anlässlich einer Katastrophe in Deutschland gesammelt wurde. "Das war fast doppelt so viel wie bei der bis dahin größten Einzelaktion, nämlich der Elbeflut-Spendenaktion im Jahr 2002", sagt Burkhard Wilke, der Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen.

    Rund einer halben Million Menschen sei dieses Geld inzwischen zugute gekommen, sagt die Fluthilfe-Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Christina Rau. 1370 Hilfsangebote hat es aus Deutschland gegeben, von denen 826 umgesetzt worden seien. 300 unterschiedliche Projektpartnerschaften sind angelaufen: Haus- und Schulbauprojekte oder Krankenhauspartnerschaften.

    Angelaufen wohlgemerkt. Beispiel Sri Lanka: Die Zeltstädte, in denen noch im Sommer viele der Tsunami-Opfer wohnten, sind selten geworden ­ doch es gibt sie noch. Zu kompliziert sind die Landrechte, die geklärt werden mussen, zu groß die Verwüstungen: Allein 80 000 Häuser wurden hier ganz oder teilweise zerstört. In Indonesien müssen 120 000 Häuser wieder aufgebaut werden, gerade 15 000 waren bis Anfang Dezember errichtet.

    Häufig sind die Helfer auch damit konfrontiert, dass viele Spender schnelle Resultate sehen wollen. "Es gibt viel Druck auf Organisationen, die Hilfsgelder auszugeben", sagt Nick Osborne, der Leiter von Care International auf Sri Lanka. Doch: "Es geht nicht nur darum, schnell Häuser zu errichten, sondern Gemeinschaften wieder aufzubauen." Das aber werde noch Jahre dauern.

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