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Trailer und Kritik: "Die dunkelste Stunde" mit Gary Oldman: Der einsame Premierminister

Trailer und Kritik

"Die dunkelste Stunde" mit Gary Oldman: Der einsame Premierminister

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    Mit kunstvoller Gesichtsmaske spielt Gary Oldman den britischen Premierminister Winston Churchill.
    Mit kunstvoller Gesichtsmaske spielt Gary Oldman den britischen Premierminister Winston Churchill. Foto: Universal Picture International

    Wahrscheinlich ist es nur eine auffällige Zufälligkeit, dass sich das britische Kino in Zeiten, in denen sich das Vereinigte Königreich wirtschaftlich selbst isoliert und innerlich gespalten ist, verstärkt an den historischen Moment des Zusammenhalts während des Zweiten Weltkrieges erinnert. Dabei steht Winston Churchill im Fokus der Betrachtungen. Jonathan Teplitzkys Biopic „Churchill“ mit Brian Cox in der Titelrolle beschäftigte sich mit den Skrupeln des Premiers in den Tagen vor der Landung in der Normandie. Nun folgt mit Joe Wrights „Die dunkelste Stunde“ ein Film, der den frisch ernannten Premierminister durch jene Tage im Mai 1940 begleitet, als deutsche Truppen Frankreich und Belgien erobert hatten und die Reste der britischen Armee in Dünkirchen festsaßen.

    Kritik zu "Die dunkelste Stunde": Gary Oldman als Vollblutpolitiker

    Damit ist der Film ein passgenaues Gegenstück zu Christopher Nolans „Dunkirk“, der gerade erst die legendäre Evakuierung durch eine zivile Bootsflotte aus der Soldatenperspektive ins Cinemascope-Format gebracht hat. Gary Oldman spielt mit kunstvoller Gesichtsmaske den Vollblutpolitiker, der schon als Kind davon geträumt hat, Staatsoberhaupt zu werden. „Das ist kein Geschenk“, sagt er allerdings zu seinem Vertrauten Anthony Eden (Samuel West) nach seiner Ernennung, „das ist Rache.“

    Er weiß, dass er nach der Absetzung des Pazifisten Chamberlain (Ronald Pickup) das Ruder eines sinkenden Schiffs übernimmt. Die Berichte von der Front in Belgien und Frankreich sind niederschmetternd, die Zerstörung der westlichen Zivilisation durch die Nazi-Barbarei eine realistische historische Option. Seine politischen Gegner sind zahlreich. Der konservative Führer Halifax (Stephen Dillane) fordert die Aushandlung eines Friedensabkommens, auch King George VI.(Ben Mendelsohn) zeigt sich wenig begeistert vom Premierminister.

    "Die dunkelste Stunde": Trailer

    Zielstrebig arbeitet sich Gary Oldman in die volle Bandbreite der Emotionen dieser schillernden historischen Figur. Er zeigt Churchill als Choleriker, Alkoholiker, begnadeten Multitasker, als ebenso depressiven wie temperamentvollen Gefühlsmenschen und pragmatischen, wortgewandten Machtpolitiker. Seinen Golden Globe hat sich Oldman für diesen Part redlich verdient und gleichzeitig ist die geniale Performance auch das Problem des Films, der der Faszination Churchills erliegt und alle anderen Figuren kaum aus dem Schatten heraustreten lässt.

    Zwar sollen die schwierigen politischen Entscheidungsprozesse im Angesicht eines herannahenden Untergangs verdeutlicht werden, aber der Film findet nicht wirklich aus der allwissenden Position der historischen Distanz heraus. Selbst wenn die Argumente derer, die für Friedensgespräche mit Hitler eintreten, gehört werden, bleibt die Darstellung von Churchills politischen Gegnern in Verschwörungsstereotypen stecken. Auch die Beziehung Churchills zu seiner Frau Clementine hätte eine Vertiefung vertragen, gerade wenn man dafür eine erstklassige Schauspielerin wie Kristin Scott Thomas unter Vertrag nimmt.

    Von einem Regisseur wie Joe Wright, der der Filmgeschichte „Anna Karenina“ und „Stolz und Vorurteil“ geschenkt hat und in „Abbitte“ schon einmal in diese Ära gereist ist, hätte man eine offenere erzählerische Perspektive erwartet. Und so ist aus „Die dunkelste Stunde“ ein interessantes, aber auch sehr konventionelles Biopic geworden, das als One-Oldman-Show gut funktioniert, als historisches Panorama jedoch hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt.

    Wertung: 3 von 5 Sterne

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