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Tourismus in Rom: Werbe-Gladiatoren kämpfen am Kolosseum um Kunden

Tourismus in Rom

Werbe-Gladiatoren kämpfen am Kolosseum um Kunden

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    Vor dem Kolosseum in Rom – hier ein Symbolfoto von 2012 – geht es mitunter wild zu. Vor allem die „Promoter“ sind ein Problem. Denn: Der Kampf um Kundschaft wird aggressiv geführt.
    Vor dem Kolosseum in Rom – hier ein Symbolfoto von 2012 – geht es mitunter wild zu. Vor allem die „Promoter“ sind ein Problem. Denn: Der Kampf um Kundschaft wird aggressiv geführt. Foto: Elisa Britzelmeier, dpa (Archiv)

    Touristen verlieren in Rom schon mal die Orientierung. Das liegt zum einen an den malerischen Gassen der Altstadt, aber auch am Dickicht, das in den vergangenen Jahren vor weltberühmten Sehenswürdigkeiten wie dem Kolosseum oder den Vatikanischen Museen herangewachsen ist. Ein Heer von Werbern, die geführte Touren anpreisen, macht hier Jagd auf die Orientierungslosen. Das Chaos mag ein italienisches Lebensprinzip sein. Vor Kolosseum oder

    Jeweils rund 200 sogenannte Promoter gehen hier auf Touristenjagd. Die meisten Reisenden stoßen völlig ahnungslos in das Gedränge vor. Und das ist der Moment, in dem die Touristenfänger zuschlagen. „Skip the line“, lautet ihr Zauberwort. Eintritt ohne Schlangestehen.

    Tatsächlich kommt es vor, dass Touristen mehrere Stunden auf den Eintritt in die Vatikanischen Museen oder das Kolosseum warten müssen. 14 Euro kostet dieser – mit Anstehen – für Kolosseum, Forum Romanum und den Palatin-Hügel. Zwischen 25 und 40 Euro verlangen die Vermittler von den Touristen für den schnelleren Eintritt samt geführtem Rundgang. Geführte Gruppen bekommen bevorzugten Einlass. Die Preise variieren aber, erzählt ein Insider, der seit Jahren vor dem Kolosseum tätig ist. „Wenn die Nachfrage groß ist, gehen die Preise hoch. Wenn wenige Touristen da sind, wird es günstiger.“ Und: Wer teure Schuhe oder eine teure Uhr trage oder zum Beispiel Russisch spreche, dürfe sich auf zusätzliche Aufpreise einstellen.

    Die Touristenfänger sind jüngst in die Schlagzeilen geraten. Denn im Kampf um die Kundschaft kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Erst kürzlich lieferten sich acht Männer aus Bangladesch vor den Vatikanischen Museen einen auch mit Fäusten ausgetragenen Streit um Kunden. Verstörte Touristen riefen die Carabinieri.

    „Promoter“ teilen sich das Geschäft in Rom

    Wie Kenner der Szene vermuten, wurden bei jener Auseinandersetzung die ungeschriebenen Regeln der Branche verletzt. Die Promoter haben feste Standorte, jede der etwa 15 Agenturen besetzt ihren Bereich mit eigenen Leuten, teilweise ethnisch aufgeteilt. So stehen Promoter aus Bangladesch vor den Eingängen der Vatikanischen Museen. Der Petersplatz ist in der Hand der afrikanischen Werber und nördlich des Vatikan haben Südamerikaner das Sagen. Im Gedränge vor dem Kolosseum ist die Aufteilung nur für Experten zu erkennen. Wer in das Gebiet der Konkurrenz eindringt, rührt an ein Tabu. „Noch schlimmer ist, wenn der Promoter einer anderen Agentur sich in Verhandlungen mit Touristen einklinkt und sie mit einem niedrigeren Preis abwirbt“, erzählt der Insider. Genau das könnte der Grund für die Auseinandersetzung vor dem Vatikan gewesen sein.

    Das Geschäftsmodell funktioniert so: Die Agenturen reservieren im Internet Gruppentickets zu festen Zeiten und strecken die Eintrittssumme vor. Dann beginnt der teils aggressive Kampf um die Ware Kunde. Bis zum Eintrittstermin müssen zum Beispiel 20 Plätze gefüllt werden, sonst verfallen die Tickets. Der satte Aufpreis wird mit der Begleitung durch einen Fremdenführer gerechtfertigt. Befreundete Agenturen spielen sich gegenseitig die Kunden zu, wenn sie ihr eigenes Kontingent bereits gefüllt haben. Bis zu 300.000 Euro – und zwar pro Tag – wirft das Geschäft nach Schätzungen insgesamt ab.

    Werber in Rom agieren in einer rechtlichen Grauzone

    „Der Markt ist gesättigt“, sagt der Kenner. Und wenn 200 Promoter um die Touristen kämpfen, kommt es schon mal zum Clinch. Bis zu fünf Prozent Provision bekommen die Werber, die sich mit dubiosen Schildern und fingierten Ausweisen vorstellen. Sie agieren in einer rechtlichen Grauzone. Immer wieder gibt es Kontrollen durch die Polizei. Die Bußgelder aber, die verhängt wurden, fochten die Agenturen vor Gericht an und bekamen bislang stets recht. Bislang ergriff die Stadtverwaltung auch keine effektiven Maßnahmen gegen das Treiben der Agenturen.

    Muss sich also, wer Roms Sehenswürdigkeiten erleben will, darauf einstellen? Mitnichten. Denn nicht nur Agenturen, auch Privatleute können Tickets im Internet vorbestellen und so die Warteschlangen überspringen. Dann geht es nur noch darum, sich den Weg durch den Souvenir-Dschungel bis zur Sehenswürdigkeit zu bahnen. Ein entschiedenes „Permesso!“ kann helfen – das ist der italienische Ausdruck dafür, dass man vorbei will. Auch ein deutliches „No grazie“ hilft. Besonders Gewitzte können sich als Fremdenführer ausgeben: mit rotem Fähnchen in der Hand.

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