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Tourismus: Mallorcas Osterferien-Bilanz: Urlaub von der Pandemie

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Mallorcas Osterferien-Bilanz: Urlaub von der Pandemie

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    Am Strand von Mallorca besteht die Pflicht, eine Corona-Maske zu tragen.
    Am Strand von Mallorca besteht die Pflicht, eine Corona-Maske zu tragen. Foto: Clara Margais, dpa

    Vom Strand aus kann man sehen, wie die Flugzeuge landen und starten. Zu den Stoßzeiten kreuzen die Maschinen im Minutentakt den blauen Himmel über Palma. Das wirkt fast so, als ob die Corona-Krise schon überwunden sei, so, als ob wieder Normalität im Urlaubsparadies eingekehrt sei. Aber vom Normalzustand ist die meistbesuchte Insel Europas noch weit entfernt.

    Darüber kann auch der Hochbetrieb nicht hinwegtäuschen, der gerade in den vergangenen Wochen auf Mallorcas Flughafen herrschte. Hunderte Flüge wurden täglich auf dem internationalen Airport nahe der Inselhauptstadt Palma abgefertigt. Viele ausländische Urlauber, darunter tausende Deutsche, flogen zum Ausklang der Osterferien zurück in die Heimat. Andere bleiben noch etwas, um die warme Sonne zu genießen. Und auch, um endlich wieder einmal gemütlich in einem Restaurant essen gehen zu können.

    Auf Mallorca suchten Deutsche eine Pandemie-Auszeit

    Zu Hause in Deutschland ist das schließlich seit Monaten nicht möglich. Und das wird es wohl auch noch eine Weile lang bleiben. Statt Lockerungen wird über Verschärfungen diskutiert. Über das Infektionsschutzgesetz, Ausgangsbeschränkungen oder die Aussagekraft der Inzidenzwerte. Der Präsident der deutschen Intensivmediziner-Vereinigung Divi, Gernot Marx, warnte kürzlich erst eindringlich vor einer drastischen Zunahme schwerer Verläufe und vor Todesfällen. Ohne die „Notbremse“ drohe allen Patienten der Katastrophenfall in der Klinikversorgung.

    Auf Mallorca suchen deutsche Urlauber Abstand von all den Nachrichten und Debatten, eine Pandemie-Auszeit.

    Doch das Coronavirus ist überall. Und dass auch auf Mallorca die Lage nicht weitaus besser ist, ahnt man, wenn man hört, dass sich derzeit mindestens 27 deutsche Urlauber in einem Quarantänehotel in Palma befinden. Von ihnen sind zwar nicht alle positiv auf Corona getestet worden, berichten regionale Medien. Die Inselregierung fühlt sich gleichwohl dazu aufgerufen, zu beruhigen: „Es gibt keine Explosion von Infektionen.“ Es handele sich um Einzelfälle. „Manche dieser Urlauber sind Kontaktpersonen und andere sind Verdachtsfälle“, sagt eine Sprecherin der Gesundheitsbehörden. So befänden sich auch Familienangehörige von Infizierten im Vier-Sterne-Quarantänehotel. Neben den Deutschen sollen drei Urlauber noch unbekannter Nationalität in das zum Hilfskrankenhaus umgewandelte Kongresshotel „Palma Bay“ eingewiesen worden sein.

    Die Zahl der Neuinfektionen hält sich auf Mallorca in Grenzen - das liegt auch an den strikten Anti-Corona-Maßnahmen. Sie führen zu ungewöhnlich leeren Stränden.
    Die Zahl der Neuinfektionen hält sich auf Mallorca in Grenzen - das liegt auch an den strikten Anti-Corona-Maßnahmen. Sie führen zu ungewöhnlich leeren Stränden. Foto: Clara Margais, dpa

    Es ist nicht das, was man aus einem Urlaubsparadies hören möchte. Zumal die Behördensprecherin nicht ausschließt, dass sich weitere Urlauber in ihren jeweiligen Ferienunterkünften in Quarantäne befinden. Das werde nicht durchweg erfasst, erklärt sie. Es gilt: Wen Corona trifft, der darf sein Hotelzimmer nicht mehr verlassen. Eingesperrt in einem Hotelzimmer – auch das eine Vorstellung, die sich mit entspannten freien Tagen nicht in Einklang bringen lässt. Mit Glück sind es nur zehn Tage Einsamkeit in Quarantäne, im Falle einer akuten Infektion können es durchaus mehrere Wochen sein.

    „Eviva España“, heißt es im Schlager, dessen Text in Pandemie-Zeiten eine bislang nicht gekannte Doppeldeutigkeit aufweist: „Die Gläser, die sind voller Wein, Eviva España / Und bist du selber einmal dort, willst du nie wieder fort.“

    Ein Teil der aktuell in Quarantäne geschickten Urlauber wurde offenbar bei jenen Pflichttests identifiziert, die seit Ende März vor der Rückreise in die Heimat absolviert werden müssen. Der Testzwang sorgte vielerorts für lange Warteschlangen und Stress, der die Erholung zum Urlaubsende bei vielen merklich schwinden ließ. Denn viele Insellabors sind überlastet. Einen Termin kurz vor Abflug zu bekommen, ist nicht immer einfach – genauso wie mit dem negativen Testergebnis pünktlich zum Flugzeug zu gelangen. Einige Passagiere verpassten deswegen ihren Flieger. Oder wurden nicht an Bord gelassen, weil das Testergebnis zur vorgesehenen Landezeit in Deutschland nicht mehr gültig gewesen wäre. Ein negativer Antigen-Schnelltest darf bei der Ankunft in der Heimat nicht älter als 48 Stunden sein.

    Urlaub im Quarantänehotel auf Mallorca? Eine Horror-Vorstellung

    „Als Rückkehrer von Mallorca komme ich mir wie ein Schwerverbrecher vor“, klagt eine deutsche Reisende. Und sie fragt angesichts der Testpflicht für heimfliegende Mallorca-Touristen: „Warum darf ich als Ferienhauseigentümer ohne Test nach Sylt und wieder zurückreisen, obwohl das Risiko auf Sylt doch viel höher als auf Mallorca ist?“ Wie eine bestens erholte Mallorca-Urlauberin wirkt sie in diesem Moment wahrlich nicht.

    Die Probleme mit der Testpflicht für rückreisende Fluggäste haben bereits dazu geführt, dass manche Urlauber mit gefälschten Testdokumenten die strengen Corona-Reiseregeln überlisten wollen. „Leider kenne ich zu viele Leute, die versuchen, sie durch Tricks zu umgehen, etwa mit per Photoshop gefälschten Dokumenten. Das finde ich schlimm“, berichtet in der Mallorca Zeitung ein deutscher Arzt, der auf der Insel seinen Zweitwohnsitz hat. Auch eine mallorquinische Privatklinik soll gegen Bezahlung falsche Testzertifikate fabriziert haben. Gegen einen Mediziner wird ermittelt. Und die deutsche Bundespolizei bestätigte dieser Tage, dass zunehmend Einreisende mit Fake-Tests erwischt werden. Urlaub und Verbrechen – auch darunter verstand man vor der Pandemie etwas völlig anderes.

    Und die Mallorquiner? Die örtlichen Gesundheitsbehörden zeigen sich trotz der Nachrichten über infizierte Touristen und das große Testchaos vorsichtig optimistisch. Man könnte die Frage hinzufügen: Was bleibt ihnen auch anderes übrig? Mallorca lebt vom Tourismus und ist überaus hart von der Corona-Krise getroffen. In Deutschland wird darüber ausführlich berichtet, zum Beispiel in der TV-Doku „Arm auf Mallorca. Urlaubsinsel in Corona-Not“. In der ist ein Familienvater zu sehen, der seinen Job als Maurer und dann seine Wohnung verlor. Die Familie lebt in einer leer stehenden Bankfiliale, ohne fließendes Wasser. Oder eine alleinstehende Mutter, die ebenfalls arbeitslos wurde, und ihre Möbel verkaufen musste, für Lebensmittel. Es gibt zahlreiche ähnliche Fälle.

    Die touristische Wiedereröffnung Mallorcas hat noch keine negativen Auswirkungen

    Die Befürchtung, dass die touristische Wiedereröffnung Mallorcas die Infektionszahlen spürbar in die Höhe treiben und die Insel in ein neues Ischgl verwandeln könnte, habe sich bisher nicht bestätigt, teilen die Gesundheitsbehörden mit. Die Sieben-Tage-Inzidenz liege weiter bei weniger als 30 Fällen pro 100.000 Einwohner. „Die Situation ist stabil“, versichert auch Mallorcas Chefvirologe Javier Arranz.

    Und das macht Hoffnung. Die Anti-Corona-Pläne Mallorcas scheinen zu funktionieren. Und das besser als jene in Deutschland, wo die wöchentliche Fallhäufigkeit wesentlich höher liegt. Bayerns mittlerer Sieben-Tage-Inzidenzwert befand sich am Dienstag bei annähernd 160. Kein Wunder, dass so viele Urlauber sagen: „Wir fühlen uns auf der Insel sicherer als in der Heimat.“

    Die wenigsten Mallorca-Urlauber haben ein schlechtes Gewissen

    Ein schlechtes Gewissen haben die wenigsten von ihnen. Obwohl sie in Deutschland scharfe öffentliche Kritik einstecken mussten, weil ihr Inselurlaub „unverantwortlich“ sei. „Steckt hinter der Kritik nicht vielleicht auch etwas Neid?“, fragt eine Urlauberin. „Neid auf diejenigen, die sich die Freiheit nehmen, doch dem deutschen Lockdown-Chaos etwas zu entfliehen?“ Die regionale Regierungschefin der Baleareninseln, Francina Armengol, freut sich jedenfalls, dass die Deutschen Mallorca die Treue halten. „Die von uns ergriffenen Maßnahmen sind wirkungsvoll“, sagt sie. „Aber wir müssen wachsam bleiben und nun erst einmal beobachten, wie sich die Epidemie entwickelt.“ Die strengen Sicherheitsmaßnahmen sollen noch länger bestehen.

    Zu Mallorcas Sicherheitskonzept gehört eine nächtliche Ausgangssperre. Sie gilt von 22 Uhr bis sechs Uhr und ist, so Armengol, eines der „grundlegenden Werkzeuge“, um die Epidemie zu kontrollieren. Sie versichert, dass es bei der nur sehr behutsamen Öffnung der Gastronomie bleiben werde, die derzeit lediglich die Außenterrassen bewirtschaften darf. Bis 17 Uhr. Hinzu kommt eine strikte Maskenpflicht sogar an Strand und Pool. Wenn der übliche Sicherheitsabstand unter Menschen, die nicht zusammenleben, nicht eingehalten werden kann.

    Der Chefredakteur der "Mallorca Zeitung" kritisiert den SPD-Gesundheitsexperten Lauterbach

    Anders als in Deutschland, wo es nach wie vor lautstarke Kritik an derartigen Vorschriften gibt, scheinen diese auf Mallorca Urlaubern Vertrauen einzuflößen. Die Insel erlebte in den Wochen um Ostern einen unerwarteten Besucherboom. Fast 100.000 ausländische Reisende sind seit Mitte März auf dem Airport in Palma angekommen – rund 40.000 davon aus Deutschland. Für die Pfingstferien wird die nächste größere Reisewelle erwartet.

    Mallorcas Hoteliers schöpfen deshalb ein bisschen Hoffnung auf bessere Zeiten. Dank der Touristen konnten einige Hotels nach Monaten der coronabedingten Flaute wieder öffnen. Obwohl es kaum mehr als zehn Prozent der Inselherbergen waren, die in diesem Frühling ihren Betrieb wieder aufnahmen. An vielen Hotelfassaden hängen immer noch Transparente mit der Aufschrift „SOS Tourismus“, um auf die Not der Branche hinzuweisen.

    Deutsche Osterurlauber in El Arenal auf Mallorca. Auf der Insel gelten strikte Anti-Corona-Regeln, einschließlich einer Maskenpflicht am Strand.
    Deutsche Osterurlauber in El Arenal auf Mallorca. Auf der Insel gelten strikte Anti-Corona-Regeln, einschließlich einer Maskenpflicht am Strand. Foto: Clara Margais, dpa

    „Besser ein paar Einnahmen als gähnend leere Kassen“, sagt ein Hotelier an der Playa de Palma, Mallorcas bekannteste Urlaubshochburg. Durchhalten laute die Parole. Spätestens, wenn die Mehrheit der Europäer geimpft sei, winke die Erholung des Geschäfts. Wie sehr es darniederliegt, kann man im berühmt-berüchtigten „Ballermann“-Viertel an der Playa de Palma erfahren. Statt Partystimmung herrscht dort eine gespenstische Ruhe. Die Partytempel „Bierkönig“ oder „Megapark“ sind seit einem Jahr verrammelt, die Vergnügungsmeilen „Bierstraße“ und „Schinkenstraße“ wie ausgestorben.

    Und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach scheint widerlegt. Er hatte vor Ostern befürchtet, dass viele Urlauber nur zum Feiern nach Mallorca fliegen würden. Lauterbach habe völlig falsche Vorstellungen im Kopf, ärgert sich Ciro Krauthausen, Chefredakteur der deutschsprachigen Mallorca Zeitung. „Dass diejenigen, die jetzt nach Mallorca reisen, nichts anderes im Sinn haben, als Biergläser schwenkend auf Tischen zu tanzen und Schlager zu grölen“ – das stimme eben nicht, meint er. Die Wirklichkeit sehe ganz anders aus: Partys seien verboten, das Sicherheitsniveau sehr hoch. „Viel strenger können die für Urlauber wie Einheimische geltenden Einschränkungen auf der Insel gar nicht sein.“ (mit wida)

    Urlaubsziel Mallorca

    • Laut Online-Portal Statista zählen die Balearen neben der deutschen Ost- und Nordseeküste zu den beliebtesten Reisezielen der Deutschen. Beliebteste Baleareninsel: Mallorca.
    • Nach Angaben des balearischen Statistikinstituts Ibestat waren am 13. August 2019 genau 2.070.156 Menschen gleichzeitig auf Mallorca und den vier anderen Balearen-Inseln – nur 4000 Menschen weniger als beim Allzeitrekord2017.
    • Einem Bericht der „Mallorca Zeitung“ zufolge sind mehr als 85 400 internationale Reisende über die Osterferien auf dem Flughafen von Palma de Mallorca angekommen. Das gehe aus Zahlen des spanischen Gesundheitsministeriums hervor, das für den Corona-Check am Airport zuständig ist und die Daten für die Zeitspanne zwischen dem 18. März und dem 5. April veröffentlichte. Deutsche führten die Statistik klar an. (AZ)

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