Es wirkt so hilflos, wie die Affenmutter ihr totes Baby auf dem Arm hält, es immer wieder streichelt und sich scheinbar nicht damit abfinden kann, dass kein Leben mehr in dem kleinen Körper steckt. Erst kürzlich beobachteten Ranger eines Wildparks in Indonesien ein solches Verhalten bei einer Schopfaffenmama. 2008 wurden Zoobesucher in Münster Zeugen eines ähnlichen Dramas. Das Gorillaweibchen Gana trug sechs Tage lang den Kadaver seines toten Jungen Claudio mit sich herum.
Dr. Bartels: „Säugetiere können auf jeden Fall trauern“
Vor allem unsere nächsten Verwandten empfinden ähnlich wie wir Menschen tiefe Trauer über den Tod eines Angehörigen. Aber auch andere Tiere kennen dieses Gefühl. „Es hängt davon ab, wie hoch sie entwickelt sind“, erklärt Dr. Angela Bartels von der Tierärztlichen Fakultät an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. „Säugetiere können auf jeden Fall trauern“, davon ist Bartels überzeugt.
Totenkult bei Elefanten
Wissenschaftler haben zum Beispiel bei Elefanten einen regelrechten Totenkult ausgemacht. Der Brite Iain Douglas-Hamilton und seine Kollegen von der Save-The-Elephants-Foundation in Nairobi, Kenia, hielten mit ihren Studien fest, wie die Mitglieder einer Herde auf den Tod ihres Leittieres reagierten. Als die von den Forschern Eleanor genannte Elefantenkuh sterbend zusammenbrach, versuchten die anderen Tiere mehrfach, sie wieder aufzurichten. Nach ihrem Tod kehrten sie immer wieder zu dem Kadaver zurück, befühlten das tote Tier, stupsten es an oder hielten sich einfach nur in der Nähe auf.
Menschenaffen begreifen den Tod als Ende des Lebens
Bekannt ist, dass Elefanten immer wieder zu den Orten zurückkehren, an denen Mitglieder ihrer Herde starben. So, als würden sie der Toten gedenken. Andere Forscher beobachteten, dass sich Schimpansen um verletzte und sterbende Artgenossen kümmerten. Sie pflegten Wunden, streichelten die Verletzten und hielten eine Art Totenwache. Vieles spricht dafür, dass zumindest Menschenaffen den Tod als Ende des Lebens begreifen.
Tiere aus sozialen Gruppen wie einem Rudel können trauern
Voraussetzung für die Fähigkeit zur Trauer ist Bartels zufolge die Zugehörigkeit der Tiere zu sozialen Gruppen, etwa einem Rudel, bei Einzelgängern auch Eltern-Kind-Beziehungen. Hinzu kommen die entsprechenden Hirnstrukturen, in denen Gefühle und Erinnerungen verarbeitet werden. Eine weitere Rolle spielen Hormone.
Ähnlich wie beim Menschen werden auch bei Tieren Stresshormone ausgeschüttet, wenn ein Artgenosse stirbt, zu dem eine enge Beziehung bestand. Denn durch den Verlust werde der Zusammenhalt der Gruppe gefährdet, erläutert Bartels. Der Tod bringt große Unsicherheit mit sich. Elefantenherden können nach dem Tod des Leittieres zerfallen, Jungtiere verenden. Stirbt das Herrchen, landet Bello meist im Tierheim.
Mensch-Tier Beziehung zwischen Hund und Herrchen ist sehr stark
Bartels hat diese Ängste bei Hunden beobachtet. Beim besten Freund des Menschen äußert sich die Trauer über den Tod oder Verlust eines geliebten Menschen in regelrechten Depressionen. „Sie hören auf zu essen, spielen nicht mehr und ziehen sich zurück.“
Affen versuchen, den Trennungsschmerz ähnlich wie wir Menschen zu überwinden. Sie suchen Trost bei Verwandten und Freunden. Das beobachteten amerikanische Forscher der Universität Pennsylvania bei Pavianweibchen im Urwald des Okavango-Deltas im afrikanischen Botswana. Die Affen hatten einige Gefährten durch einen Angriff von Löwen verloren. Die Stimmung der trauernden Affen hellte sich erst wieder auf, als sie neue Kameraden für die Fellpflege gefunden hatten. Welchen Rang die Tiere innerhalb der Gruppe einnahmen, spielte dabei keine Rolle.
Trauer bedeutet Mitleid mit sich selbst
Die Wissenschaftler sind sich einig: Trauer hat in erster Linie etwas mit Egoismus zu tun. Trauer ist nicht mitfühlend. Wer traurig ist, versetzt sich nicht in die Lage eines anderen, sondern bemitleidet vor allem sich selbst. Mitleid ist daher der letzte Unterschied zwischen Mensch und Tier. „Um mit anderen fühlen zu können, müssten die Tiere erst einmal sich selbst erkennen“, sagt Bartels. Diese Selbsterkenntnis gibt es jedoch außer beim Menschen nur noch bei sehr wenigen Affenarten.