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Interview: Tele 5-Chef Kai Blasberg: "Der oberste Revoluzzer bin ich"

Interview

Tele 5-Chef Kai Blasberg: "Der oberste Revoluzzer bin ich"

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    Tele 5-Geschäftsführer Kai Blasberg gilt in der Fernsehbranche als „enfant terrible“. „Je mehr ulkige Ideen wir haben, desto besser“, sagt er.
    Tele 5-Geschäftsführer Kai Blasberg gilt in der Fernsehbranche als „enfant terrible“. „Je mehr ulkige Ideen wir haben, desto besser“, sagt er. Foto: AZ/Tele 5 (Screenshot)

    Herr Blasberg, Sie machen genau das Fernsehprogramm auf Tele 5, das Sie sich als Jugendlicher immer gewünscht haben, oder?

    Kai Blasberg: Nicht ganz. Ich bin ja erst auf den Trichter gekommen, als ich „Das aktuelle Sportstudio“ im ZDF zum ersten Mal gesehen habe. Mein Idol als Fußballer war Erich Beer von Hertha BSC. Als Kind hab ich gerne Fußballreportagen gehört und mir immer vorgestellt, wie toll es wäre, wenn so etwas auch im Fernsehen gezeigt würde. Ich kannte alle Radioreporter der Konferenzschaltungen beim Namen und wollte Teil dieser Welt sein. Mein erstes Vorbild war dann Bernd Heller, der das „Sportstudio“ moderierte. Ich dachte: Der muss Chef beim Fernsehen sein, und deswegen wollte ich auch Chef werden.

    Sie wurden Geschäftsführer des Privatsenders Tele 5. Als Tele 5 Ende der 80er erstmals auf Sendung ging, lief „Ruck Zuck“, „Bitte lächeln“, „Saber Rider“, „Bim Bam Bino“...

    Blasberg: Daran erinnern sich Leute, die heute um die 40 sind, immer noch. Ich selbst wurde mit den Öffentlich-Rechtlichen groß. Ich war bis Ende der 80er ja bei der Kölnischen Rundschau als Verlagskaufmann. Ich hatte als junger Mann gesehen: Die, die mit dem Mercedes rumfahren, das sind die Anzeigenverkäufer. Die Journalisten fuhren alle Opel.

    Sie sind dann zum Privatsender RTL in die Werbezeitenvermarktung.

    Blasberg: Und ich bin bis heute der einzige Chef eines Fernsehsenders, der aus diesem Bereich kommt.

    Wissen Sie, wie es der früheren „Bim Bam Bino“-Moderatorin Gundis Zámbó geht? In die war ich als Zwölfjähriger ein bisschen verliebt...

    Blasberg: Das kann ich gut verstehen, auch aus Sicht eines Erwachsenen. Sie wohnt bei mir in München um die Ecke.

    Heute besteht das Tele 5-Programm vor allem aus Dauerwerbesendungen, Raumschiff Enterprise und SchleFaZ, den „schlechtesten Filmen aller Zeiten“.

    Blasberg: Nein nein. Wir haben 1200 Filme pro Jahr in unserem Angebot. 16 davon sind SchleFaZ. Aber SchleFaZ ist unser Hero geworden, die Idee ist einfach gut. Wir haben unheimlich viele neue Zuschauer damit an uns binden können.

    Ihr Freund Oliver Kalkofe kommentiert die schlechtesten Filme sehr unterhaltsam. Er ist das Sendergesicht. Hat er inzwischen ausgesorgt, weil er so viel für Sie arbeitet?

    Blasberg: Die Kunst meines Senders ist, alle knapp zu halten. Es gibt kaum was zum Verteilen. Dafür dürfen die Künstler bei uns ihre Kunst zelebrieren. Oli liebt sehr, was er bei uns tun darf – das hat uns auch eng zusammengeschweißt.

    „SchleFaZ“ mit Peter Rütten und Oliver Kalkofe (rechts) feierte seine 100. Folge mit einer Liveshow im Berliner Tempodrom. Die Folge und das Live-Event werden am Freitag, 11.10.19, ab 22.05 Uhr auf Tele 5 ausgestrahlt.
    „SchleFaZ“ mit Peter Rütten und Oliver Kalkofe (rechts) feierte seine 100. Folge mit einer Liveshow im Berliner Tempodrom. Die Folge und das Live-Event werden am Freitag, 11.10.19, ab 22.05 Uhr auf Tele 5 ausgestrahlt. Foto: obs/Tele 5/Sven Knoch

    Lautet Ihre Strategie: Große Zuschauerbindung durch die Profilierung von Tele 5 als Kultsender?

    Blasberg: So etwas kann man nicht planen. Das kommt so, wenn die Zuschauer das entscheiden. Das einzige, das bei mir strategisch ist: Was kann ich mit den wenigen Mitteln, die ich habe, machen – und was machen die anderen nicht? Es gibt mehr als genug Fernsehsender im Markt. Tele 5 braucht man nur, weil es etwas Besonderes ist. Wenn das Besondere zum Kult wird, nehme ich das gerne mit. Wissen Sie: Wir nehmen uns nicht so wahnsinnig wichtig und wir arbeiten mit großer Hingabe und Liebe. Wir haben auch gar keine andere Chance.

    Sie zeigen gerade ein Jahr lang den Kultfilm „Bang Boom Bang“ von 1999 – immer in der Nacht von Freitag auf Samstag. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

    Blasberg: Im Sommer, beim Filmfest München, traf ich den „Bang Boom Bang“-Regisseur Peter Thorwarth. Er erzählte mir, dass es im August in Bochum ein großes Fest zu „20 Jahre ’Bang Boom Bang’“ geben werde. Wir haben uns dann erkundigt, wer überhaupt die Rechte an dem Film hält – und sie für ein Jahr gekauft. Der Rechteinhaber hätte natürlich auch nicht gedacht, dass wir das dann 52 Mal ausstrahlen. Klar, das ist ein Gag. Aber es gibt 83 Millionen Deutsche, und am Ende des Jahres zählen wir mal zusammen. Das ist ja auch unser Kulturauftrag: Die Älteren sehen’s, weil sie es kennen. Die Jüngeren sehen’s, weil sie es noch nicht kennen.

    Blasberg zeigt den Kultfilm „Bang Boom Bang“ von 1999 gerade ein Jahr lang jede Woche.
    Blasberg zeigt den Kultfilm „Bang Boom Bang“ von 1999 gerade ein Jahr lang jede Woche. Foto: obs/Telepool

    Gehört zu so einer Entscheidung Mut? Oder machen Sie einfach, was Sie wollen?

    Blasberg: Ich habe keinen Widerstand erfahren. Und der Controller ist mir untergeordnet, was soll er machen? Der oberste Revoluzzer bin ich und daran hat man sich auch gewöhnt. Mancher rollt zwar mit den Augen und sagt: Um Himmels willen! Was will er jetzt schon wieder? Das mit „Bang Boom Bang“ hat auch keiner verstanden. Bis alle Zeitungen darüber berichtet haben. Und das ist für uns auch eine Währung – die öffentliche Wahrnehmung ist wichtig. Wir leben in einer Welt, in der alle um Wahrnehmung buhlen. Je mehr ulkige Ideen wir haben, desto besser.

    Sitzen Sie in Meetings und suchen nach ulkigen Ideen?

    Blasberg: Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letze Mal in einem Meeting gesessen habe. Bei uns im Unternehmen ist das auch verpönt. Die Leute sollen selber arbeiten und ihre eigenen Ideen vortragen. Am besten ist es, wenn sie einfach machen. Und wenn’s Mist ist, ist es halt so.

    Hält man Sie in der TV-Branche für irre?

    Blasberg: Nö.

    Für einen Visionär?

    Blasberg: Nö.

    Für einen, über den man denkt: Das hätte ich auch gerne gemacht, aber ich kann nicht?!

    Blasberg: Das trifft auf jeden Fall zu, das weiß ich. Natürlich setze ich mich permanent der Kritik aus, aber die Branche hat sich mittlerweile an mich gewöhnt, glaube ich. Ich sage seit 20 Jahren genau die gleichen Sätze. Aber mit 35 wird man anders wahrgenommen als mit 55. Diese Rolle, die ich habe, gibt’s genau ein Mal. Ich habe sie und gebe sie jetzt nicht mehr auf.

    Tele 5 wurde kürzlich vom US-Finanzinvestor KKR gekauft, der auch bei Axel Springer („Bild“, „Welt“) eingestiegen ist.

    Blasberg: Fred Kogel ist Vorstandschef des neuen Unternehmens Leonine, zu dem wir jetzt gehören. Wir kennen uns schon lange. Er weiß, was ich tue, und er lässt mich machen.

    Springer droht ein harter Sparkurs.

    Blasberg: Ich sehe das prinzipiell so: In der Medienbranche werden viele überleben. Wer nicht dazugehört, sollte mal nachdenken, warum.

    Auch der Berliner Verlag mit seiner „Berliner Zeitung“ wurde verkauft – an das branchenfremde Berliner Unternehmer-Ehepaar Silke und Holger Friedrich. Was halten Sie davon?

    Blasberg: Ich kenne die beiden nicht. Aber sie wollen zeigen, dass Zeitung noch funktioniert, sie wollen das bürgerschaftliche Engagement stärken und auf gute Inhalte achten. Wenn das eine Initialzündung wäre, wäre das doch wunderbar.

    Am 23. Oktober beginnen die „Medientage München“ – einer der größten Branchentreffs in Europa. Werden Sie dort sein?

    Blasberg: Ich bin bestimmt seit zehn Jahren nicht mehr dort gewesen. Meine ersten Medientage waren vor genau 30 Jahren. Da saßen heute sagenumwobene Figuren auf dem Podium: Helmut Thoma, Georg Kofler, Friedrich Nowottny – und die redeten damals schon über die Werbefreiheit von ARD und ZDF. Die gebührenfinanzierten Sender sollten nicht auch noch Werbeeinnahmen haben. Tja, ist nichts draus geworden. Mir bringt es nichts, auf den Medientagen zu sein.

    Weil die deutschen Werbetreibenden gar nicht wüssten, wohin mit ihrem Geld? Das sagten Sie mal vor ein paar Jahren. Youtube und Co. seien für Tele 5 auch keine Konkurrenz...

    Blasberg: Wir haben in diesem Jahr die drittgrößten Werbeeinnahmen aller Zeiten in der deutschen TV-Branche – wenn das Krise ist, dann habe ich gerne eine Krise. Was Youtube angeht: Die sehen sich als unser Konkurrent, kommen aber nicht an unsere Einnahmen-Töpfe ran, weil sie etwas völlig anderes machen als wir. Ein Fernsehsender besitzt die Inhalte, die er sendet, hat ein Programmschema, hat einen Auftrag und wird überwacht – Youtube ist dagegen ein teilweise rechtsfreier Raum. Das erscheint vielen nicht als gutes Werbeumfeld.

    Sie denken recht politisch. Wäre das mal was für Sie und Tele 5, ein Polit-Talk?

    Blasberg: Würde ich machen, alleine, als Monolog. Würde nur niemand sehen. Es gibt nichts Langweiligeres als einen Polit-Talk! Die Zuschauer wollen doch unterhalten und nicht erzogen werden. Die meisten Menschen sind schon so schlau, dass sie sich ihre Meinung selber bilden können. Da sind mir Reportagen und Dokumentationen auf Arte oder 3sat lieber.

    Im Podcast ,,Zwei Herren mit Hund“ sagten Sie im Sommer, unsere Politiker hätten alle keine Bildung – das ist doch mal ’ne steile These für einen Polit-Talk!

    Blasberg: Oh, das habe ich wirklich gesagt?

    Ja.

    Blasberg: Damit habe ich gemeint, dass es nicht mehr die besten Leute in die Politik zieht. Politik ist für jemanden, der gestalten will, sehr unattraktiv geworden.

    In der selben Podcast-Folge ging es um den Influencer Rezo und sein Youtube-Video „Die Zerstörung der CDU“. Sie haben sein Management um die Freigabe der Ausstrahlungsrechte gebeten. Daraus wurde nichts, oder?

    Blasberg: Genau. Ganz egal, was man von Rezo hält: Ich fand sein Video einen guten Beitrag zu einer aktuellen Debatte. Er hat ja auch manches bewirkt. Das aber nur, weil klassische Medien über ihn berichtet haben.

    Würde Rezo auf Tele 5 funktionieren?

    Blasberg: Nein. Ich wollte es einfach mal ausprobieren. Wäre sicher ’ne Schlagzeile gewesen – und dafür lebe ich.

    Und für so schöne Dinge, wie die deutsche Synchronstimme des Piraten „Seadog“ im Kinofilm „Playmobil: Der Film“ zu sein?

    Blasberg: Das hat viel Spaß gemacht. Wenn jemand eine Synchronstimme sucht: Ich bin zur Stelle!

    Die Kritiken waren verheerend.

    Blasberg: Aber nicht an mir.

    Der Film sei „eine lahme Heldengeschichte, die genauso steif ist wie die Arme und Beine seiner Protagonisten“, schrieb die „Berliner Morgenpost“. Ein Fall für SchleFaZ?

    Blasberg: Ich fürchte, das könnte sein.

    Zur Person Kai Blasberg, 54, ist seit 2008 Geschäftsführer des Privatsenders Tele 5 mit Sitz in Grünwald bei München. Zuvor arbeitete er unter anderem für die Sender DSF, Kabel eins und ProSieben. Er stammt aus Mettmann in Nordrhein-Westfalen.

    TV-Tipp „SchleFaZ“ feierte seine 100. Folge mit einer Liveshow im Berliner Tempodrom. Die Folge und das Live-Event werden am Freitag, 11.10.19, ab 22.05 Uhr auf Tele 5ausgestrahlt.

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