Doch, sagt Heike Makatsch, vor kurzem bei einem Treffen. Natürlich schaue sie sich gelegentlich den „Tatort“ an. Und die Frage, was sie am letzten Sonntag um 20.15 Uhr gemacht hat, kommt wie aus der Pistole geschossen. „Da war ich mit Freunden im Urlaub und habe den ,Tatort‘ aus Dortmund geguckt.“ Der „Tatort“, sagt die 44-Jährige ganz ohne Ironie, gehöre schließlich zum deutschen Kulturerbe. „Mit dem ,Tatort‘ ist es fast so wie mit der Bundesliga. Die ganze Nation fiebert mit. Wer liegt weiter vorne? Wer hat die meisten Zuschauer?“
Dreifach-Mama Heike Makatsch wirkt enspannt
Makatsch sitzt in der dritten Etage eines Szene-Hotels im sogenannten Bikini-Haus in Berlin-Charlottenburg. Sie trägt einen Wollpullover mit Blümchenblusen-Kragen, und dafür, dass sie gerade zum dritten Mal Mutter geworden ist, wirkt sie verhältnismäßig entspannt. Der Babybauch ist verschwunden. Und auch die Rolle der Hauptkommissarin Ellen Berlinger hat sie bereits abgestreift. Makatsch spielt zum ersten Mal eine Ermittlerin, in einem „Tatort“-Special des SWR aus Freiburg. „Fünf Minuten Himmel“ heißt die Folge, die im September und Oktober 2015 gedreht wurde und am Ostermontag gezeigt wird.
Ellen Berlinger ist eine gebrochene Figur. Und sie hat ein Geheimnis. Nach sechzehn Jahren kehrt sie aus dem englischen Exil in ihre Heimat zurück, und ihr erster Gang führt sie zu ihrer Mutter (Angela Winkler), zurück nach Freiburg. Der Empfang ist frostig. Warum, erfährt man erst im Laufe des Films.
Makatsch kauft im Bioladen ein und besucht Spielplätze
Vor ihrer Flucht nach London hatte Berlinger ihre kleine Tochter bei ihrer Mutter abgegeben. Das Mädchen ist jetzt ein Teenager und ihr fremd. Ansonsten geht es um das Thema Gentrifizierung. Um den Wandel, der sich in einer Stadt vollzieht, etwa wenn die Mieten in einem Viertel steigen und ärmere Einwohner es deshalb verlassen müssen. Ein Sachbearbeiter in einem Jobcenter wurde ermordet. Die Ermittlungen führen Berlinger in das Milieu von Hartz-IV-Empfängern.
Gentrifizierung, mit diesem Problem wird Makatsch auch in Berlin konfrontiert, wo sie seit einigen Jahren lebt, im Vorzeige-Bezirk Prenzlauer Berg. Man begegnet ihr regelmäßig im Bioladen oder auf Spielplätzen. Die Schauspielerin, die lange auf so etwas wie Diven-Rollen abonniert war wie die der „Hilde“ Knef, der „Margarete Steiff“ oder der Lydia aus „Gripsholm“, bewegt sich überwiegend radelnd durch ihr Viertel. Ihre drei Töchter wachsen dort behütet auf, in einer „Realitätsblase“, wie sie selbst sagt. Auch an ihre eigene Kindheit erinnert sie sich noch gerne.
Schauspielerin Heike Makatsch wuchs in Düsseldorf auf
Heike Makatsch wurde in einer Einfamilienhaus-Siedlung in Düsseldorf groß, als Tochter einer Grundschullehrerin und des ehemaligen Eishockey-Nationaltorwarts Rainer Makatsch. „Wir haben auf der Straße gespielt. Es gab nur drei TV-Programme. Wenn man sich verabreden wollte, hat man telefoniert. Manchmal sehne ich mich nach dieser Beschaulichkeit zurück – ohne Social Networking“, sagt sie.
Eigentlich habe sie Journalistin werden wollen. Deshalb studierte sie Politik und Soziologie. Nach vier Semestern schmiss sie hin. „Ich war zu sehr mit jung sein beschäftigt“, erklärt sie und meint jene Phase ihres Lebens, in der sie alles Mögliche ausprobiert hat. Eine Schneiderlehre gehörte auch dazu. Makatsch kritzelt nebenbei Männchen auf ein Papier.
Kein "Germany's Next Topmodel" für ihre Töchter
Es ist das x-te Interview an diesem Tag, und man weiß nicht genau, ob sie die Fragen langweilen oder ob sie ein bisschen nervös ist. Vor ihr auf dem Tisch liegt ihr Handy griffbereit. Wer weiß schon, vielleicht ist der Babysitter gleich dran? Ihre sieben und zehn Jahre alten Töchter wachsen noch ohne eigenes Handy, Youtube oder Castingshows wie „Germany’s Next Topmodel“ auf. Diese Show, behauptet Makatsch, habe sie noch nie gesehen. „Die Werte, die da vermittelt werden, finde ich schwierig.“
Aus ihrem Mund klingt das fast ein bisschen großmütterlich. Schließlich ist es nicht so lange her, dass sie selbst als „Girlie-Heike“ der Generation Viva auf den Bildschirm ploppte: ein schlagfertiges Mädchen mit wahnsinnig großen Augen und einem hübschen Mund. Diese Heike, die von 1993 an Sendungen wie „Interaktiv“ oder „Heikes Hausbesuch“ präsentierte, bestach in erster Linie durch ihren frechen Charme.
Heute würde sie staunen, wenn sie sich im Internet die aktuellen Idole junger Mädchen anschauen würde. Was in den 1990er Jahren die Musiksender Viva oder MTV waren, das ist heute die Videoplattform Youtube. Und einer der Lieblinge junger Mädchen dort ist eine gewisse „Bibi“, die ihren Zuschauerinnen im Kanal „BibisBeautyPalace“ erklärt, wie man sich bunte Henna-Tattoos macht. Oder was passiert, wenn Mädchen ihre Tage haben.
Youtube: Damit kenne sich Makatsch nicht aus
Heike Makatsch schaut einen ein bisschen ungläubig an, wenn man sie fragt, ob sie das mal gesehen habe. Mit Youtube kenne sie sich nicht aus, sagt sie dann. „Da bin ich ein bisschen hinterwäldlerisch.“ Dabei ist „Bibi“ in etwa das, was Heike Makatsch einmal war. Ja, und haben Äußerlichkeiten denn zu ihrer Viva-Zeit keine Rolle gespielt? „Ich habe mich jedenfalls nicht darüber definiert“, sagt sie nun und lacht: Makatsch ist inzwischen Werbegesicht von L’Oréal Paris. Sie wirbt für eine Anti-Aging-Creme. „Mich lasern lassen, um jünger auszusehen, mach ich nicht“, sagt sie in einem Werbespot. „Mein Laser kommt aus diesem Tiegel.“
Makatsch wird als jemand wahrgenommen, der Prinzipien hat und zu ihnen steht. Das dürfte erklären, warum sie ihren Sympathie-Bonus aus ihrer Viva-Zeit in die Gegenwart retten konnte. Der Job als „Tatort“-Kommissarin war da nur der letzte Ritterschlag. Eine Rolle, mit der sie sich gut arrangieren kann, weil sie das übliche „Wo-waren-Sie-gestern-um-20-Uhr-Schema“ sprengt.
Eine zweite Folge ist zwar noch nicht geplant, an ihr solle es allerdings nicht scheitern, sagt sie. „Wir haben ein paar Geheimnisse angeklickert, die aufgelöst werden müssen.“ Vonseiten der ARD heißt es, man prüfe derzeit Ideen, wie es in einem zweiten Film mit Ellen Berlinger weitergehen könnte. „Entschieden ist aber noch nichts.“
Sendetermin Die „Tatort“-Folge „Fünf Minuten Himmel“ läuft am Ostermontag, 28. März, um 20.15 Uhr in der ARD.