Fast 50 Jahre nach der Tatort-Premiere ist es so weit: Zum ersten Mal ermittelt eine dunkelhäutige Kommissarin in Deutschlands ältester Krimireihe – die in Uganda geborene Schauspielerin Florence Kasumba gab in der Folge „Das verschwundene Kind“ am Sonntag ihr Debüt als Anaïs Schmitz. Die 42-Jährige ist damit die Neue an der Seite von Maria Furtwängler alias Kommissarin Charlotte Lindholm, die nach einem Fehler vom LKA Hannover zur Göttinger Polizei strafversetzt wurde. Beim Kennenlernen der Kollegin tappt Lindholm gleich in die Rassismusfalle: Sie hält Schmitz, der sie an einem Tatort begegnet, für eine Putzfrau. Kein guter Anfang.
Die peinliche Szene ist leider nicht unrealistisch, sagt Florence Kasumba: „Manchmal erlebe auch ich Alltagsrassismus, aber ich habe gelernt, gelassen damit umzugehen.“ Ihre Rolle im „Tatort“ sei ein Schritt zu mehr Diversität im Fernsehen. „Umso mehr unterschiedliche Menschen im Fernsehen zu sehen sind, umso normaler wird es. Vielleicht gibt es ja auch bald eine Kommissarin mit Kopftuch, ohne dass das thematisiert werden muss.“
Schauspielerin Florence Kasumba: Ein bisschen Hollywood für den Tatort
Ihre Kollegin Maria Furtwängler betont die große gesellschaftliche Verantwortung der Krimireihe: „Es ist wichtig, diese schwarze Kommissarin zu erzählen und sie eben so oft zu erzählen, bis wir nicht mehr automatisch davon ausgehen, dass die Schwarze in dem Kittel die Putzfrau ist oder Drogen verkauft und kein Deutsch spricht.“
Florence Kasumba kam 1976 in Uganda zur Welt und wuchs in Essen auf. Nach dem Abitur studierte sie Schauspiel, Gesang und Tanz in den Niederlanden und wirkte in zahlreichen Musicals mit. Außerdem stand sie schon früh vor der Kamera, hatte unter anderem „Tatort“-Gastrollen. 2016 gelang ihr dann der Sprung nach Hollywood, in der Marvel-Verfilmung „The First Avenger: Civil War“ spielte sie zum ersten Mal die Kriegerin Ayo. Spätestens seit sie 2018 in „Black Panther“ erneut die amazonenhafte Speerkämpferin gab, ist sie ein international gefragter Star.
Porträt: Tatort-Darstellerin Florence Kasumba im Steckbrief
- Florence Kasumba wurde 1976 in Uganda geboren und wuchs in Essen auf. Inzwischen lebt sie mit Mann und Kindern in Berlin.
- Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung in Gesang, Tanz und Schauspielerei. Auf mehreren Bühnen in Deutschland und Österreich übernahm die Darstellerin Musicalrollen.
- Bereits vor ihren Filmerfolgen in Hollywood, etwa als Elitekriegerin Ayo in der Marvel-Verfilmung "Black Panther", spielte Kasumba immer wieder Gastrollen in Fernsehfilmen und Serien.
Florence Kasumba ist die erste dunkelhäutige Kommissarin im Tatort
Die Wahl für die Rolle als Anaïs Schmitz sei aber schon früher auf sie gefallen, berichtet „Tatort“-Produzentin Iris Kiefer. „Es sollte eine dunkelhäutige Kommissarin sein und ich persönlich bin sehr froh darüber, weil die Vielfalt, die man sich wünscht, im deutschen Fernsehen zu wenig abgebildet wird.“ Dunkelhäutige Ermittler und Ermittlerinnen gab es in Fernsehkrimis schon früher, zum Beispiel Dennenesch Zoudé im „Polizeiruf 110“ oder Pierre Sanoussi-Bliss in „Der Alte“. Nun folgt ihnen Florence Kasumba als Tatort-Kommissarin. Dass viel über ihre Hautfarbe geredet wird, ist in den Augen der Schauspielerin dabei „ein Indikator dafür, dass Deutschland für diese Idee und für die Veränderung in der Medienlandschaft bereit ist“.
Frauenpower ist Florence Kasumba wichtig – im gesellschaftlichen Sinn, aber auch buchstäblich. Sie betreibt intensiv Kampfsport, macht viele Stunts in ihren Hollywoodfilmen selbst und ist derzeit enorm gefragt. Die Schauspielerin, die mit ihrer Familie in Berlin lebt, ist unter anderem in der Amazon-Serie „Deutschland 86“ zu sehen und steht für den Kinofilm „Der letzte Bulle“ vor der Kamera. Und eine zweite „Tatort“-Folge aus Göttingen mit ihr ist aktuell ebenfalls schon in Vorbereitung.
Anaïs Schmitz: Das ist die Tatort-Rolle von Florence Kasumba
Anaïs Schmitz verhält sich in ihrer Arbeit ähnlich dominant wie Charlotte Lindholm - Spannungen sind also vorprogrammiert. Ihr Selbstbewusstsein und ihr Standing im Polizeipräsidium Göttingen hat sich die Kommissarin hart erarbeitet. Die Eltern flohen mit ihr aus Uganda und landeten im Ruhrgebiet. Anaïs wuchs mehr oder weniger auf der Straße auf. Ohne Exoten-Bonus wurde sie genauso oft verprügelt wie die anderen Kinder.
Aber sie hatte Talent: Sport, Tanz und Gesang. Der Traum von einer Showkarriere platzte, als ihre Eltern nach Afrika zurückkehrten – und sie alleine zurück ließen. Ihr ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit brachte sie an die Polizeiakademie Hiltrup. Doch das weltoffene Klima der Landespolizeidirektion schlug schon kurz nach ihrem Abschluss um. Anaïs wechselte die Dienststellen und kam nach Göttingen. (mit drs)