Werter Herr Henke, ich schreibe Ihnen hier, so wie Sie meinem Kollegen Gerhard Matzig am heutigen Freitag in der Süddeutschen Zeitung schrieben - in Form eines öffentlichen und offenen Briefes.
Der Kollege hatte Schluss gemacht mit seiner alten Liebe, dem "Tatort", und das nach 43 Jahren. Sie antworteten ihm, dass die "harte Schule der Selbstkasteiung Sie in die Arme der verlorenen Liebe Tatort zurücktreiben wird". Sie unterstellten ihm "eine Form von Autoaggression".
Huiuiui! Dazu muss man erklären: Sie sind Koordinator der ARD-Krimireihe und Fernsehfilmchef des WDR. Ich bin ein "Tatort"-Ablehner und -Herummäkeler - ein "Tatort"-Hasser bin ich nicht, ich habe meine Emotionen durchaus im Griff.
Und ich lebe überaus gut ohne "Tatort" und empfinde den Verzicht weder als Selbstkasteiung noch als Autoaggression. Eher im Gegenteil: Falls ich doch mal wieder so einen hanebüchenen, völlig konfusen, überfrachteten, uninspirierten, mit gesellschaftspolitischer Pseudo-Bedeutsamkeit aufgeladenen "Tatort" sehe, ärgere ich mich schon nach kurzem über die verschwendete Zeit.
Ich muss schon sagen, werter Herr Henke, auch dieser Satz von Ihnen hat mich zwei, drei Minuten lang aufgeregt: Sie schrieben tatsächlich, und ob das irgendwie ironisch gedacht war, weiß ich nicht: "Der Tatort war und ist ein deutsches Phänomen. Deutscher geht's nimmer. Wenn man das hasst, hat es auch immer etwas von kollektivem Selbsthass".
Glauben Sie ernsthaft, dass, wer den "Tatort" hasst, sich selbst hasst? Huiuiui! Ihr provokant gemeinter Satz geht so weiter: "Haben wir nicht eigentlich französische, britische Filme oder - neuerdings - Netflix-Serien verdient und was bekommen wir? Deutschen Eintopf?"
Ich würde Ihnen sehr ans Herzen legen, all diese Filme und Serien zu sehen. Vielleicht wird der "Tatort" dann ja endlich wieder einmal besser. Denn im Moment ist er nichts anderes als "deutscher Eintopf". Ihr Daniel Wirsching