Der wilde, wilde Westen fängt nicht gleich hinter Hamburg an, wie ein alter Hit von Truck Stop glauben machen will. Er ist eher im deutschen Südwesten daheim, wo Sheriff Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) in nun 72 harten „Tatort“-Einsätzen Recht und Gesetz verteidigt – diesmal intensiv mit der Schusswaffe. Womit wir wieder beim Western wären. Den hat erneut Ludwigshafen-Spezialist Tom Bohn, der in Landsberg lebt, inszeniert und ihm den Genre-angemessenen Titel „Unter Wölfen“ verpasst, was ein bisschen nach „Unter Geiern“ klingt.
Dabei lieferte ihm wohl weniger Karl May die Inspiration für einige markige Szenen, sondern eher Sergio Leone. mit „Spiel mir das Lied vom Tod“. Hier wie dort fliegen Kugeln auf einem Bahnhofsgelände, das diesmal zwar nicht so wüst erscheint wie im Film-Klassiker, dafür genauso trostlos. Feuergefechte in Zeitlupe und harte Killerblicke – hier werden keine Gefangenen gemacht.
Und: Der Mann, der schmutzige Dinge in Auftrag gibt, residiert hier wie dort in einem luxuriösen Eisenbahnwaggon. Das stimmungsvollste Hauptquartier seit langem. Allerdings erklingt nicht die klagende Mundharmonika, sondern ein kalter Synthesizer, wenn die auf Rache gebürstete Kommissarin zum Aufräumen vorfährt, schließlich haben wir nicht mehr 1968, sondern 2020.
Regisseur der Folge: Tom Bohn aus Landsberg. Und auch seine Tochter spielt mit
Die Folge „Unter Wölfen“, die am Samstag um 20.15 Uhr im Ersten läuft und in der die Männerrollen mit höchst unsympathisch daherkommenden Charakterköpfen besetzt sind, spielt im Türstehermilieu. Dort geht es nicht nur darum, Discos vor ungebetenen Gästen zu schützen, sondern auch den Drogenhandel zu kontrollieren.
Ein Klubbesitzer wird ermordet. Er hat gerade die eigene Sicherheitstruppe aufgestellt, in Konkurrenz zum Platzhirschen Gerhard Arentzen (Thure Riefenstein, hätte in jeden Italo-Western gepasst). Der steht aber auch in Diensten des Innenministers, der angesichts von Ausgabenkürzungen im Polizeibereich Arentzens Security-Firma dafür sorgen lässt, dass „auf der Straße“ Ruhe herrscht.
Womit eine Odenthal-Mutmaßung („Da steckt mehr dahinter“) beantwortet wäre. Das ist einer der leider hölzernen Dialogsätze. Überhaupt wird wieder viel erklärt zur Inneren Sicherheit und Türsteherproblematik. Das passt zu diesem eher konventionellen, mittelspannenden „Tatort“.
Allerdings darf Odenthal nicht nur die härteste „Tatort“-Polizistin geben, sondern auch den Tränen freien Lauf lassen – und so etwas wie mütterliche Gefühle entdecken: Sie nimmt die Tochter des Mordopfers bei sich auf. Gespielt wird sie von der Tochter des Regisseurs (Künstlername: Lucy Loona). Sie ist ein bisschen rotzig, unerschrocken und sehr natürlich. Der heimliche Star der Folge.
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