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Tatort-Kolumne: "Neugeboren": Warum sich der Bremer Tatort heute lohnt

Tatort-Kolumne

"Neugeboren": Warum sich der Bremer Tatort heute lohnt

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    Ronald Hinzpeter blickt in dieser "Tatort"-Kolumne auf die aktuelle Episode aus Bremen.
    Ronald Hinzpeter blickt in dieser "Tatort"-Kolumne auf die aktuelle Episode aus Bremen. Foto: AZ

    Manchmal beschleicht einen der leise Verdacht, viele Tatort-Folgen könnten von der örtlichen Architektenkammer gefördert sein. In unschöner Regelmäßigkeit spielen dort ultramoderne, ultrateure und ultraungemütliche Kastenhäuser eine markante Rolle. Besonders abschreckende und für normalsterbliche TV-Gucker unerschwingliche Protzbauten waren zuletzt im Franken- und im Österreich-Tatort zu bewundern. Im neuen Bremen-Fall jedoch gibt es nur Betonmonster zu sehen, in denen sehr viele sehr arme Menschen hausen. Die Folge „Neugeboren“ (Pfingstmontag, 20.15 Uhr, ARD) spielt da, wo die Tatorte im richtigen Leben allzu oft liegen, im sozialen Brennpunkt.

    Tatort heute: Ein Neugeborenes verschwindet

    Der Titel transportiert einen doppelten Sinn. Die Geschichte dreht sich um ein Neugeborenes, das verschwindet, um einen toten Dealer, der nach zwei Messerstichen verblutet ist, um junge Mütter, junge Verlierer und einen abgehalfterten Ex-Fußballer, der für den mittlerweile ebenfalls reichlich ramponierten SV Werder Bremen kickte. Eine finstere Konstellation.

    Jasna Fritzi Bauer, Dar Salim und Luise Wolfram (von links) sind im Bremer "Tatort" zu sehen.
    Jasna Fritzi Bauer, Dar Salim und Luise Wolfram (von links) sind im Bremer "Tatort" zu sehen. Foto: Georg Wendt, dpa

    Neugeboren ist auch das Ermittlerteam. Es ersetzt das Duo Lürsen/Stedefreund, das beachtliche 33 Fälle löste, bevor sich die Hauptdarsteller Sabine Postel und Oliver Mommsen aus der Fahnderriege zurückzogen. Ehrlich gesagt, war es an der Zeit, denn die knurrig-bräsige Lürsen und ihr etwas hyperaktiver Partner standen meist für mäßig aufregende Krimi-Sonntage.

    Das neue Bremer Tatort-Duo liefert einen erstklassigen Auftritt

    Das neue pfiffige Bremen-Trio legt in seinem ersten Einsatz einen wirklich erstklassigen Auftritt hin, was natürlich an den leicht schräg zusammengestellten Charakteren liegt. Den besten Auftritt liefert Jasna Fritzi Bauer, die als untergroß geratene Liv Moormann mit nordischer Schnodderschnauze unerschrocken einen neuen Posten antritt und Kiez-tauglich ebenso einfühlsam wie raubauzig daher- kommt. Sie schafft es sogar, den abgebrühten dänischen Gast-Polizisten Mads Andersen rumzukommandieren. Den spielt Dar Salim (Game of Thrones) stoisch, leicht düster und mit liebenswertem Vivi-Bach-Akzent. Luise Wolfram als BKA-Ermittlerin Linda Selb hat bereits in einigen Bremen-Folgen ermittelt und versprüht einen eigenwilligen Schrägvogelcharme, indem sie immer mal wieder einen sarkastischen Spruch raushaut, bei dem zwischen scherzhaft und schmerzhaft nicht so recht zu unterscheiden ist. Eine Kollegin der etwas speziellen Art.

    Es lohnt sich, in der ARD-Mediathek noch einmal die wunderbare, witzige Pseudo-Dokumentation „How to Tatort“ von 2020 nachzugucken, in der das neue Bremen-Team in sechs Folgen eingeführt wird – und sich mit Riesenlust an der Selbstironie auf die Schippe nimmt – und die Tatort-Klischees sowieso.

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