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Tatort: Borowski-Tatort befasst sich mit islamistischer Parallelwelt

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Borowski-Tatort befasst sich mit islamistischer Parallelwelt

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    Das Kieler Tatort Ermittler-Duo Klaus Borowski und Sarah Brandt.
    Das Kieler Tatort Ermittler-Duo Klaus Borowski und Sarah Brandt. Foto: Markus Scholz/dpa

    "Liebe Mama, wenn Du das hier liest, werde ich nicht mehr da sein", schreibt die 17-jährige Julia. Die Kieler Schülerin aus einem bürgerlichen Haushalt ist zum Islam konvertiert, sie will nach Syrien und einen ihr nur vom Skypen bekannten IS-Kämpfer heiraten. In der Kieler Innenstadt treffen

    Die in einem religiösen Irrweg scheiternde Identitätsfindung einer Jugendlichen und die islamistische Parallelwelt einer Salafisten-Gemeinde bilden den Rahmen dieser plakativen Psycho- und Sozialstudie. Der Hintergrund ist real. "In Deutschland sind etwa 9000 Salafisten aktiv", sagt Marwam Abou Taam, Islamwissenschaftler, Politologe und Terrorismusexperte beim Landeskrminialamt Rheinland Pfalz. Er hat das "Tatort"-Team fachlich beraten. Knapp 900 Personen sind nach seinen Angaben aus Deutschland ausgereist, davon um die 180 Frauen.

    Islamistische Parallelwelt: "Tatort" befasst sich mit aktueller Thematik

    Wissenswertes zum "Tatort"

    Der ARD-"Tatort" ist die langlebigste und erfolgreichste Krimireihe im deutschen Fernsehen.

    DER ERSTE FALL: Der erste "Tatort" war "Taxi nach Leipzig", der am 29. November 1970 lief. Der Hamburger Hauptkommissar Paul Trimmel (Walter Richter) musste einen deutsch-deutschen Mordfall klären. Der 1000. Tatort heißt ebenfalls "Taxi nach Leipzig".

    DIE ERSTE KOMMISSARIN: Als erste Ermittlerin der Reihe schickt der Südwestfunk (SWF) 1978 Kommissarin Marianne Buchmüller (Nicole Heesters) mit "Der Mann auf dem Hochsitz" ins Rennen. Bis 1980 gibt es drei Folgen.

    GIFTSCHRANK: Einige wenige Folgen dürfen nicht wiederholt werden. Sie haben senderintern einen Sperrvermerk. Die Gründe sind verschieden. So spielen bei "Wem Ehre gebührt" verletzte religiöse Gefühle eine Rolle, bei "Krokodilwächter" die große Brutalität im Film.

    DER MISSGLÜCKTESTE "TATORT": Zu den Tiefpunkten der "Tatort"-Reihe zählen Kritiker die Fälle (1996 - 1998) des Berliner Kommissars Ernst Roiter (Winfried Glatzeder). Aus Kostengründen hatten die Folgen eine billig wirkende Optik. Zudem warf man den Filmen vor, zu sexistisch, brutal oder zu wirr zu sein. Die Quoten waren trotzdem passabel.

    DIE MEISTEN ZUSCHAUER: "Rot - rot - tot" sahen am Neujahrstag 1978 mehr als 26 Millionen Menschen. Das entspricht einer Quote von 65 Prozent. In heutiger Zeit wäre das undenkbar.

    DIE MEISTEN TOTEN: Die Folge "Im Schmerz geboren" mit Ulrich Tukur als Felix Murot stellt einen Leichenrekord in der "Tatort"-Geschichte auf. Experten vom "Tatort-Fundus" zählen 51 Leichen.

    DER VORSPANN: 30 Sekunden mit spannender, hastiger Ohrwurmmusik, zwei Augen in Nahaufnahme, das rechte im Fadenkreuz, ein Mann, der abwehrend die Arme hebt, rennende Beine auf nassem Asphalt und ein Fingerabdruck, dessen Linie den Flüchtenden einkreist.

    Der Grimme-Preisträger und Doku-Drama-Spezialist Raymond Ley ("Eichmanns Ende", "Eine mörderische Entscheidung") lässt in dem fiktiven Fernsehkrimi eine dokumentarische Herangehensweise und "dokumentarische Farbe", wie er selber sagt, spüren. Kein Postkarten-Idyll, sondern nüchtern realistisch sind die Spielorte gefilmt. Zwischen einigen Szenen sind Texttafeln mit blutroter Schrift eingeblendet, anfangs "Ich habe Schuld auf mich geladen" und wenig später "Euer Leben ist nicht mein Leben".

    Julia (beeindruckend: Mala Emde) bricht mit ihrer Familie, mit ihren Freundinnen auf der Schule. Das Verhältnis zur Mutter ist ohne Vertrauen. Denn sie saß am Steuer, als ihr Vater bei einem Unfall starb. Ihren Bruder, mit dem sie sich nicht versteht, bezichtigt Julia bei der Polizei des Mordes an einer Mitschülerin. Diese wird tatsächlich am Morgen danach tot in der Kieler Förde gefunden.

    Das ist der eine Handlungsstrang, der Mord, den Kommissar Borowski (wie immer sympathisch ruhig-ironisch Axel Milberg) und seine Kollegin Sarah Brandt (mit viel Empathie: Sibel Kekilli) aufklären wollen.

    "Tatort" nimmt den Zuschauer mit in die Welt des religiösen Fanatismus

    Doch im Mittelpunkt steht das Hineingleiten in die islamistische Parallelwelt, in der Julia Halt sucht. "Ich will nicht mehr die sein, die ich bin, ich will nicht mehr da sein, wo ich bin", sagt die Heranwachsende in ihrer Entwicklungskrise. Und während sie durchs Kieler Rotlichtviertel geht, sagt sie im inneren Monolog: "Ich werde einen Gott finden, der meine Wunden heilt". Später sagt sie: "Ich habe die Antworten auf alle meine Fragen im Islam gefunden."

    Dieser "Tatort" nimmt den Zuschauer mit in die von religiösem Fanatismus, Hass auf den Westen und Gruppenzwängen geprägte Welt der Hinterhof-Moschee - in der Frauen nichts zu sagen haben.

    Als Gaststar spielt Jürgen Prochnow ("Das Boot") Kesting, den Leiter einer Staatsschutz-Abteilung. Borowski, der den Mordfall zu lösen hat, und Kesting kommen sich dabei in die Quere. Denn für den Staatsschutz, der die Moschee observiert, geht es um übergeordnete Sicherheitsinteressen. Eine in die Gemeinde eingeschleuste V-Person wird ermordet. Das Schicksal der konvertierten Schülerin ist für Kesting nicht entscheidend. Er will sie ohne ihr Wissen instrumentalisieren, um an wichtige Mittelsmänner des IS heranzukommen. Julia zerbricht am Ende an einer Welt, in der sie niemandem mehr trauen kann.

    Am 13. November wird der 1000. Tatort ausgestrahlt

    Nach diesem 999. "Tatort" wird Borowski alias Axel Milberg bereits nächsten Sonntag (13.11.) erneut im Einsatz sein. An der Seite von Kommissar-Kollegin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) werden beide im 1000. Jubiläums-"Tatort" eine alptraumhafte Fahrt im "Taxi nach Leipzig" mit einem durchgeknallten früheren Elitesoldaten als lebensmüden Fahrer durchstehen.

    Nach seinem Einsatz in Afghanistan will der Soldat sich an seiner Ex-Freundin rächen, die einen Kameraden heiraten möchte. Der Titel "Taxi nach Leipzig" ist übrigens der gleiche des ersten "Tatort"-Krimis aus dem Jahre 1970 - damals mit Kommissar Paul Trimmel (Walter Richter), als es noch die Bundesrepublik, die DDR und die Mauer gab. dpa/AZ

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