„Kann doch nicht sein, dass dieses Sackgesicht unser neuer Chef ist!“, regt sich Kriminaloberkommissar Daniel Kossik im Zimmer eines toten Studenten auf. Kossiks Chef heißt Peter Faber, Mitte 40, ein schwieriger Mann mit undefinierbaren Problemen. Er trägt einen langen braunen Parka, den er nie auszieht. Faber ist einer, der kalte Ravioli direkt aus der Dose isst und in seinem Büro schläft, in dem seine noch zugeklebten Umzugskartons stehen.
Neuer Dortmunder Tatort
„Er ist keiner, den die Zuschauer direkt lieb haben. Kein Sausack, aber ein sperriger Typ“, beschreibt Schauspieler Jörg Hartmann seine Rolle als Hauptkommissar Faber im neuen Dortmunder „Tatort“. Die ARD zeigt die erste Dortmund-Folge „Alter Ego“ am Sonntag (20.15 Uhr).
Die Ermittler der Mordkommission lernen ihren neuen Vorgesetzten, der von Lübeck nach Dortmund gewechselt ist, am Ort des Verbrechens kennen, nicht im Präsidium. Faber hält sich nicht mit Höflichkeiten auf: Statt die entgegengestreckten Hände zu schütteln, sagt er: „Ich habe Ihre Personalakte gelesen, und Sie haben mich gegoogelt, reicht doch.“
Es wird bei den Dortmunder Fällen voraussichtlich zwei Sorten von Zuschauern geben: diejenigen, die Faber nicht ausstehen können, und diejenigen, die seine Art herrlich spannend finden, ihn unbedingt in den nächsten Folgen mehr kennenlernen wollen.
An der Grenze zur Übertreibung
Faber konzentriert sich wieder auf die nackte Leiche, die der Mörder in ein weißes Laken eingewickelt hat. Er ermittelt ungewöhnlich, setzt sich von den bisherigen „Tatort“-Kommissaren ab: Er denkt laut wie der Verbrecher, nimmt seine Gefühle an. In seinem ersten Dortmunder Fall versetzt er sich in die Gedanken eines Mörders in der Schwulenszene. Kein brisanter neuer Plot, trotzdem sehenswert.
Obwohl sich Fernsehpreis-Gewinner Jörg Hartmann am ersten Drehtag in seiner Rolle „ziemlich fremd gefühlt“ hat, wie er sagt, spielt er Faber souverän, und zwar extrem mutig an der Grenze zur Übertreibung. So in der starken Szene, in der Faber ein Wasserglas so hart auf den Couchtisch eines Verdächtigen knallt, dass es überschwappt und Faber brüllt: „So ist das Blut an die Decke gespritzt!“ Zwischendurch blitzt etwas Irres auf – eine Taktik, die den Fall voranbringt.
Im Dortmunder „Tatort“ gibt es vier Ermittler. Neben Hartmann spielen überzeugend Anna Schudt, Aylin Tezel und Stefan Konarske. Die Rolle Faber sei „Eins a, die drei anderen eins b“, erklärt der „Tatort“-routinierte Regisseur Thomas Jauch die Hierarchie der Ermittler. Die Kommissare hinterlassen in ihrem Privatleben Fragen, die sich mit jeder Folge mehr auflösen sollen, wie Jauch ankündigt. „Ich bin sicher, dass wir mit ihnen polarisieren.“ Das stimmt. Und sicherlich wird die ungewöhnlich zackige Kameraführung die Zuschauer genauso spalten.
Es war erwartbar, dass der Dortmund-„Tatort“ auch mal ein Ruhrgebiet-Klischee abfilmt: einen Taubenschlag-Opa im Flanellhemd, der um seinen toten Sohn trauert. Aber das war’s dann auch. Statt schäbiger Ecken aus Problemvierteln zeigt der Regisseur eine Hochglanz-Stadt. Die zweite Folge ist schon abgedreht und kommt im November. dpa