Baden-Württembergs früherer Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat nach Darstellung leitender Polizisten beim harten Einsatz gegen Stuttgart-21-Gegner 2010 die Marschroute vorgegeben.
Wie nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa aus einem Bericht des Innenministeriums hervorgeht, hat den Beamten zufolge "die oberste politische Ebene" rigide Vorgaben gemacht. Damit gibt es erstmals klare Hinweise aus der Polizeiführung, dass Mappus den umstrittenen Einsatz am 30. September 2010 beeinflusst hat - sogar die Vorgabe zum Einsatz der Wasserwerfer soll aus der Politik gekommen sein.
Stuttgart 21: 130 Demonstranten und 34 Polizisten verletzt
Mappus und der damalige Stuttgarter Polizeipräsident Siegfried Stumpf hatten stets erklärt, es habe keine politische Einflussnahme gegeben. Vom Ex-Regierungschef war am Freitag zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Bei dem Einsatz zur Räumung des Schlossgartens für die Baustelle des Tiefbahnhofs waren nach Angaben des Innenministeriums 130 Demonstranten und 34 Polizisten verletzt worden.
Trug Mappus Mitschuld an Eskalation?
Das Innenministerium hat den Bericht dem Untersuchungsausschuss zum Stuttgart-21-Einsatz übergeben. Es ist bereits der zweite Ausschuss, der klären soll, ob Mappus eine Mitschuld an der Eskalation trägt.
In dem Bericht werden vor allem Notizen mehrerer Beamter nach einer "Tagung Polizeilicher Aufgaben" am 10. September zitiert. Bei der Tagung handelt es sich um regelmäßige Besprechungen der obersten operativen Führungsebene der Polizei. Das Ministerium bilanziert: "Während das offizielle Protokoll keinen Rückschluss auf irgendeine Form der politischen Einflussnahme zulässt, legen die Notizen einzelner Besprechungsteilnehmer die Annahme nahe, dass Polizeipräsident a.D. Stumpf auf der Tagung von solch einer Einflussnahme berichtet hat."
Verräterische Notizen gefunden
In Notizen zu einer Führungstagung der Bereitschaftspolizei findet sich der Hinweis, dass die Politik die Vorgabe gemacht habe, dass bei massiven Auseinandersetzungen auch Wasserwerfer eingesetzt werden sollten. Ein "Softkurs" sei nicht anzustreben, heißt es darin. Das Ministerium folgert: "Die genannten Notizen könnten als Anhaltspunkte für eine mögliche politische Einflussnahme oder Einflussnahmeversuche auf den Polizeieinsatz am 30.09.2010 gewertet werden."
Wie weiter aus dem Bericht hervorgeht, hat Mappus auch massiv auf den Abriss des Nordflügels des denkmalgeschützten Hauptbahnhofs im Spätsommer 2010 gedrungen. Nach Notizen eines leitenden Polizeibeamten soll Polizeipräsident Stumpf in einer Sitzung mit Mappus vorgeschlagen haben, den Transport eines großen Baggers zu verschieben, weil angesichts des Protests ein Mangel an Polizisten zu befürchten sei. Mehrere Ministerialdirektoren teilten seine Meinung. Daraufhin habe Mappus gesagt: "Bringen Sie den Bagger rein. Wenn Sie nicht wollen, hole ich eine Polizei aus einem anderen Land." Der Abriss des Nordflügels markierte die ersten sichtbaren Bauarbeiten. dpa