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Stellungnahme zu Embryonentests: PID - vier Sichtweisen

Stellungnahme zu Embryonentests

PID - vier Sichtweisen

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    PID ist umstritten.
    PID ist umstritten.

    Das hier ist keine Geschichte. Das hier ist der Versuch, vielen gerecht zu werden. Vermutlich wird er scheitern. Präimplantationsdiagnostik (PID). Schon das Wort ist ja schwierig. Aber noch schwieriger ist die Diskussion darüber. Es gibt Hunderte Argumente. Es geht um Leben und Tod, vor allem aber ums Leben. Die entscheidende Frage ist: Darf man genetisch belastete Embryonen im Labor aussortieren? Oder nicht. Und was passiert, wenn man einmal damit angefangen hat?

    Beispiel 1

    Natürlich gibt es Meinungen, auch sehr explizite. Weihbischof Anton Losinger, promovierter Sozialethiker aus Augsburg, seit Jahren Mitglied im Deutschen Ethikrat. Er ist dagegen. Er sagt: „Die Folge der Möglichkeiten zur Präimplantationsdiagnostik ist, dass Menschen eine Auswahl treffen zwischen einzelnen Embryonen. Sie können die einen verwerfen, die anderen nehmen.“ Und damit, sagt Losinger, werde ein zweifacher ethischer Dammbruch erzielt, denn: „Der menschliche Embryo ist ein embryonaler Mensch, und zwar ab dem Augenblick der Verbindung von Ei und Samenzelle. Damit steht er unter dem Schutz des Grundgesetzes, Artikel eins und zwei: Er hat als embryonaler Mensch Würde und Lebensrecht. Und diese Würde ist unantastbar.“

    Losingers zweites zentrales Argument lautet: „Wenn in diesem PID-Verfahren tatsächlich Selektion betrieben wird und damit Menschen in ihrer Würde und ihrem Wert unterschiedlich bewertet werden, dann haben wir ein System der Unterscheidung von lebenswertem und lebensunwertem Leben. Es ist der ,selektive Blick‘ der Methode PID, den auch der Deutsche Ethikrat kritisiert. Das ist maximal unethisch und das steht keinem Menschen zu.“ Mit seinen Argumenten geht es Losinger vor allem darum: Welches Bild entsteht von behinderten Menschen in einer Gesellschaft, hat man mit der Selektion erst mal begonnen?

    Beispiel 2

    Genau diese Frage stellt sich auch Peter Radtke. Radtke ist Schauspieler, Autor, Wissenschaftler, auch er ist Mitglied des Ethikrates.

    Wichtiger aber sind für ihn diese Fragen: „Wollen wir denn alles, was mit Behinderung, mit Leid und Schmerz verbunden ist, ausblenden? Wollen wir wirklich eine keimfreie Gesellschaft haben?“ Natürlich sei diese letzte Frage zugespitzt, sagt Radtke. Natürlich sei das ein illusorisches Gesellschaftsbild, ganz abgesehen davon, dass die allermeisten Menschen ja erst im Laufe ihres Lebens behindert würden.

    Aber Radtke wehrt sich gegen den „planbaren Menschen“. Er hat Sorge, dass Menschen künftig instrumentalisiert werden. Er gibt ein drastisches Beispiel: „Allein die Vorstellung, dass beispielsweise ein Kind als Ersatzteillager für ein anderes leukämiekrankes Kind benutzt werden könnte, finde ich grauenhaft.“ Radtke glaubt nicht an die Möglichkeit, eine haltbare Grenze bei der PID zu ziehen. „Eine Begrenzung“, vermutet Radtke, „würde in absehbarer Zeit vom Verfassungsgericht infrage gestellt werden.

    Über kurz oder lang ist die Zulassung der PID für bestimmte Krankheiten ein frommer Wunsch.“ Radtke erscheint die Tendenz größer zu werden, Behinderung als etwas Vermeidbares anzusehen. „Ich sehe das kommen. Auf einmal heißt es dann, kommen Sie doch selbst für Ihr behindertes Kind auf. Hätten Sie doch PID machen lassen.“ Und er selbst? Radtke: „Meine Frau und ich haben uns für eine Adoption entschieden. Bei mir wäre das Risiko da gewesen, dass mein Kind die gleiche Krankheit haben könnte wie ich. Natürlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich gut mit meiner Krankheit leben kann. Aber meine Frau ist auch leicht behindert. Man muss sich gemeinsam entscheiden.“

    Beispiel 3

    Und das ist verdammt schwierig. Die Eltern, die beispielsweise zu Ute Hehr kommen, machen sich ihre Sache auch nicht leicht. Ganz im Gegenteil, sagt die Fachärztin am Zentrum für Humangenetik in Regensburg: „Zu mir kommen Paare, die mit einem schwerkranken Kind leben oder schon ein Kind verloren haben, vielleicht schon ein oder mehrere Schwangerschaftsabbrüche hatten, die sich aber so sehr ein gesundes Kind wünschen.“ Eltern beispielsweise, die das genetische Risiko in sich tragen, dass eines ihrer Kinder vielleicht an Muskelschwund erkranken könnte.

    Die Duchenne-Krankheit ist nicht heilbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass die so erkrankten Kinder vor ihren Eltern sterben, ist sehr hoch. Nach und nach zerstören sich die Muskelfasern der Kinder. Solchen Eltern könnte geholfen werden. Hehr sagt: „Ich denke, es ist sinnvoll und notwendig, dass PID unter strengen Auflagen zugelassen wird.“ Die Erfahrungen, zum Beispiel in Belgien oder Italien, zeigten doch, dass ein Dammbruch, wie ihn etwa Weihbischof Losinger befürchtet, nicht stattfinde.

    Hehr arbeitet mittels der sogenannten Polkörperdiagnostik (siehe Infokasten). In ihrer Praxis meldeten sich pro Monat, wenn es hoch komme, vielleicht sechs Paare. Und von denen, die sich melden, kommen nicht alle. Sie schätzt, dass in Deutschland die Zahl derer, für die PID überhaupt infrage käme, den dreistelligen Bereich nicht überschreiten würde. Und, sagt Hehr: „Der zentrale Punkt in der Debatte ist doch, dass die PID gar nicht losgelöst von der Pränataldiagnostik betrachtet werden kann. Viele Familien, für die eine PID infrage käme, sehen heute nur die Alternative der pränataldiagnostischen Möglichkeiten wie etwa der Fruchtwasseruntersuchung und die des Schwangerschaftsabbruchs.“

    Die Paare, die zu ihnen kommen, brauchen viel Beratung. Hehr und ihre Kollegen stellen die bis jetzt zugelassenen Möglichkeiten vor. Sie geben den Eltern keine finalen Ratschläge. Es wäre aber ihrer Ansicht nach gut, wenn sich das Beratungsangebot um die PID – in engen Grenzen – erweitern ließe. Denn: „Die Gesellschaft hat kein Recht, betroffenen Eltern vorzuschreiben, was sie zu tun haben.“ Sie sieht das Missbrauchspotenzial. Aber genau darauf sollte der Bundestag eben achten, wenn er das neue Gesetz berät. Geschlechterauswahl zum Beispiel, die laut einer Studie der „European Society of Human Reproduction And Embryology“ zunimmt, die sollte verboten werden. Hehr ist selbst Mutter. Sie sagt: „Wenn ich ein genetisches Risiko hätte, dann würde ich PID erwägen. Aber ob ich sie dann tatsächlich nutzen würde, ich weiß es nicht.“

    Beispiel 4

    Aber wo ist die Grenze, wenn es das Angebot der PID erst mal gibt? Beispiel 4. Eckhard Nagel, Mediziner an der Universität Bayreuth und ebenfalls Mitglied im Ethikrat, sagt: „Die Grenze liegt meines Erachtens da, wo Eltern genetisch so belastet sind, dass ihre Kinder gar keine Lebensperspektive hätten, also wenn sie unter monogenen oder chromosomalen Erbkrankheiten leiden, die zum Tode des Kindes führen.“ Und Radtke, dessen Eltern ja gesagt wurde, ihr Sohn werde keine drei Monate überleben, entgegnet er: „Man kann den Stand des Wissens von damals und heute nicht vergleichen. Aufgrund unserer heutigen Erkenntnisse haben wir eine ganz andere Vorhersage-Sicherheit. PID würde ja immer nur dann angewendet, wenn eine uns bekannte genetische Störung vorliegt.“

    Auch für den evangelischen Christen Nagel beginnt Leben mit der Vereinigung von Eizelle und Samenzelle: „Und deshalb bin ich für einen konsequenten Lebensschutz. PID ist unter den genannten Voraussetzungen kein Widerspruch hierzu. Sie würde ja nur angewendet in Fällen, wo ein Embryo ohnehin keine Lebensperspektive hätte.“ Und was geschieht, wenn im Labor wider Erwarten doch mehrere gesunde Embryonen vorhanden wären? „Das ist ein generelles Problem der Reproduktionsmedizin. Wie bei einem Schwangerschaftsabbruch ist es eine Gewissensentscheidung der Eltern, wie mit einem überzähligen Embryo umgegangen werden soll.“

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