Die Zahl der Fehltage am Arbeitsplatz wegen psychischer Erkrankungen und Verhaltensstörungen ist in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen. Wurden 2001 bundesweit noch 33,6 Millionen solcher Arbeitsunfähigkeitstage registriert, waren es 2010 schon 53,5 Millionen. "Burnout wird zur neuen Volkskrankheit", erklärte am Montag die Abgeordnete Jutta Krellmann.
Steigende Anforderungen, negative Rahmenbedingungen
Der Anteil psychischer Erkrankungen an allen Arbeitsunfähigkeitstagen kletterte nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums von 6,6 auf 13,1 Prozent. Als Gründe für den Anstieg werden den Angaben zufolge steigende Anforderungen und erhöhte Eigenverantwortung genannt, aber auch der flexiblere Einsatz des Personals und Unterbrechungen bei den Beschäftigungsverhältnissen. Viele Leiharbeiter arbeiteten unter Rahmenbedingungen, die die Gesundheit negativ beeinflussen können. Zur Unzufriedenheit im Job komme unter anderem ein schlechterer Zugang zu Gesundheitsförderungsmaßnahmen.
Die Zahl der Rentenzugänge in eine Erwerbsminderungsrente aufgrund psychischer Erkrankungen ist den Regierungsangaben zufolge bei Männern von 19.000 im Jahr 2000 auf knapp 31.700 im Jahr 2010 angestiegen. Das entspricht einer Erhöhung um 66 Prozent. Bei den Frauen ist das Plus noch drastischer: Hier stieg die Zahl von knapp 20.000 auf 39.000, was einem Anstieg um knapp 97 Prozent entspricht.
Krellmann: Die Bundesregierung muss einschreiten
Die Bundesregierung sieht der Stellungnahme zufolge allerdings keinen Bedarf dafür, rechtliche Maßnahmen einzuleiten. Es gelte zunächst einmal, den Wissens- und Kenntnisstand zu verbreitern, hieß es in der Stellungnahme, über die zunächst die "Frankfurter Rundschau" vom Montag berichtet hatte. Nach Erörterungen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften solle dann entschieden werden, ob rechtssetzende Schritte notwendig sind, heißt es in der Stellungnahme weiter. Die Bundesregierung setze auf die Maßnahmen im Rahmen der Gemeinsamen deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA), zu deren Zielen ab 2013 die Vermeidung psychischer Belastungen zähle. Erst dann könne entschieden werden, ob konkrete Schutzmaßnahmen vorgeschrieben werden müssten.
"Arbeitsstress macht die Beschäftigten krank", erklärte die Linken-Abgeordnete Jutta Krellmann. Die Bundesregierung müsse "schnellstmöglich" tätig werden. Zum einen müsse Stress bei der Arbeit wirksam reduziert werden, zum anderen müssten prekäre Beschäftigungsformen wie Leiharbeit und befristete Arbeit eingedämmt werden.
Psychische Krankheiten am Arbeitsplatz ignoriert
Die Grünen-Arbeitnehmerexpertin Beate Müller-Gemmeke warf der Regierung vor, die Entwicklung bei den psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz zu ignorieren. "Fakt ist, dass immer mehr Beschäftigte unter einem steigenden Arbeitsdruck und zunehmender Arbeitsverdichtung leiden", erklärte die Bundestagsabgeordnete in Berlin. "Das erschwert insbesondere älteren Beschäftigten ein längeres Arbeiten." Aber es verursache auch volkswirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe. AFP