Auch nach dem Abtauchen von Juan Carlos am 3. August fehlt weiterhin jede Spur von Spaniens König im Ruhestand, der wegen Korruptions- und Steuerbetrugsvorwürfen in seinem Land in Ungnade gefallen ist. Und das Königshaus hüllt sich in Schweigen.
Klar ist bisher nur, dass es sich nicht um eine improvisierte Abreise aus Spanien handelte. Sondern um eine generalstabsmäßig geplante Aktion, in die das Königshaus und die Regierung eingeweiht waren.
Und gesichert scheint zudem, dass Juan Carlos nicht freiwillig aus der Königsresidenz in Madrid auszog. Vielmehr hat Felipe VI., der 2014 die Krone von seinem Vater geerbt hatte, Juan Carlos aus dem Palast gejagt. Und zwar, weil dieser nach Bekanntwerden seiner illegalen und unmoralischen Finanzgeschäfte für das Königshaus nicht mehr tragbar war.
Die bisherigen Untersuchungen scheinen zu belegen, dass Juan Carlos eine Art Doppelleben führte. Offiziell trat er als bescheidender, bürgernaher und ehrlicher Staatsrepräsentant auf. Hinter den Kulissen missbrauchte er sein Amt, um sich zu bereichern und ein riesiges Auslandsvermögen anzuhäufen, das er vor dem Finanzamt versteckte.
Skandal-König Juan Carlos
Juan Carlos, 1938 in Rom geboren, war seit November 1975 fast vier Jahrzehnte lang König von Spanien. 2014 dankte er zugunsten seines Sohns Felipe ab. Im Sommer 2019 hatte sich der Altkönig, der schon seit längerem am Stock geht, auf eigenen Wunsch völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Dazu erklärte er: „Ich denke, dass der Augenblick gekommen ist, um eine neue Seite in meinem Leben aufzuschlagen“. Nach der Abdankung erhielt er den Ehrentitel „Rey“ (König).
In den letzten Jahren wurde er mehrfach operiert – allein zwischen Mai 2010 und November 2013 neun Mal. Dabei ging es um Eingriffe an Knie, Hüfte oder Bandscheibe. Im August 2019 wurden ihm drei Bypässe eingesetzt.
Juan Carlos heiratete 1962 Prinzessin Sophia von Griechenland in Athen. Sie haben drei Kinder: Elena (1963), Cristina (1965) und Felipe (1968). Allerdings werden ihm diverse Affären nachgesagt, auch Vaterschaftsklagen wurden gegen ihn angestrengt.
Galt er lange als resolutes und hoch angesehenes Staatsoberhaupt, das den Übergang von der Franco-Diktatur zur Demokratie ermöglichte, litt sein Ruf vor allem durch eine Reise nach Botswana 2012, wo er – mitten in der Wirtschaftskrise – Elefanten jagte. Er bat dafür öffentlich um Entschuldigung.
Juan Carlos ist ein begeisterter Segler
Aber wohin ging nun die geheime Reise des Verstoßenen? Keine Zweifel scheint es nur über die letzten Stunden des 82-Jährigen auf spanischem Boden zu geben. Nach übereinstimmenden Berichten hat sich Juan Carlos, ein begeisterter Segler, am Sonntag im westspanischen Atlantikort Sanxenxo bei gutem Essen und edlem Wein von seinen Segelfreunden verabschiedet. Von dort ging es dann, so heißt es weiter, mit Begleitschutz und im Auto zur 80 Kilometer entfernten Grenze Portugals.
Alles weitere liegt bisher im Dunklen: Flog er vom portugiesischen Airport in Porto mit einem Privatjet in den Karibikstaat Dominikanische Republik, wie einige spanische Medien berichteten? Oder blieb er in Spaniens Nachbarland, in dem bereits sein Vater, Juan de Borbón, während der Franco-Diktatur (1939–1975) im Exil gelebt hatte?
Zu beiden Ländern hat Juan Carlos bis heute sehr enge persönliche Beziehungen: In Portugal verbrachte er einen Teil seiner Jugend. In der Dominikanischen Republik hat er im Luxus-Hotelressort seines Freundes Pepe Fanjul immer wieder lange Erholungsaufenthalte eingelegt. Aber von keinem der beiden Staaten wurde bisher bestätigt, dass er dort gesichtet worden ist.
Währenddessen wächst die Empörung in Spanien. Viele Menschen sind enttäuscht vom Verhalten ihres früheren Monarchen. Sie kritisieren, dass der Mann, der von 1975 bis 2014 königliches Staatsoberhaupt war, sich vor seiner Verantwortung davonstehle. "Juan Carlos ist eine Schande für das Land", sagt ein Bürger, der im spanischen TV seinem Zorn freien Lauf lässt.
Die Regierung verweist allerdings darauf, dass es bisher noch keine Anklage gegen Juan Carlos gebe. Und dass er deswegen keinerlei Reisebeschränkungen unterliege. Die Ermittlungen laufen zwar bereits seit anderthalb Jahren. Aber die Mühlen der Justiz mahlen auch in Spanien sehr langsam.
Die frühere Geliebte des Königs steht im Fokus
Unterdessen gerät immer wieder die frühere Geliebte von Juan Carlos – Corinna zu Sayn-Wittgenstein – in den Fokus. Nach der Trennung steckte sie einem spanischen Polizeioffizier, dass Juan Carlos im großen Stil Schwarzgeld in der Schweiz vor dem Fiskus versteckt halte. 100 Millionen Euro Schmiergeld, das er dafür bekam, dass er für die spanische Wirtschaft den Bau einer Schnellzugstrecke in Saudi-Arabien, von Medina nach Mekka, eingefädelt hatte. Auftragswert: 60 Milliarden Euro. Und zu Sayn-Wittgenstein löste damit den Skandal erst aus. Dabei hat die heute 56-Jährige offenbar erheblich von Juan Carlos’ Geschäften profitiert. Sie soll von den 100 Millionen Euro 65 Millionen Euro als "Geschenk" des Königs überwiesen bekommen haben.
Interessanterweise ist die im Steuerparadies Malta sitzende Firma der gebürtigen Frankfurterin – Apollonia Associates – im Zusammenhang mit Offshore-Modellen zur Steuervermeidung in den sogenannten Paradise Papers, die 2016 der Presse zugespielt worden waren, aufgeführt. Geschäftsfeld des Unternehmens soll das Anbahnen von Kontakten zwischen Politik und Wirtschaft sein. Blaues Blut hat Corinna zu Sayn-Wittgenstein übrigens nicht wirklich in ihren Adern. Sie kam als Corinna Larsen auf die Welt – und erhielt den adeligen Namen erst durch ihre Heirat mit dem 1976 geborenen Johann Casimir zu Sayn-Wittgenstein-Sayn. Die Ehe hielt nur von 2000 bis 2005. Doch den illustren Nachnamen behielt die Geschäftsfrau bei.
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